Bereits in der sechsten Klasse haben die beiden Lausebengel Daniel Lopatin und Joel Ford es geschafft, ihre Kreativität beim gemeinsamen Gestalten von fiktiven Albumcovern auszuleben und zu verbinden. Experimentierfreude und die Jazz-Fusion-Tapes (u.a. Mahavishnu Orchestra) von Daniels Vater waren Jahre später maßgeblich dafür verantwortlich, dass aus Ford (Ex-Tigercity) und Lopatin (Ex- Oneohtrix Point Never) schließlich das 80s- Synth- Duo „Games“ wurde. Nachdem das Management von Rapper „Game“ lächerlicherweise auf Namensgleichheit geklagt hat, operieren die beiden Klangtüftler unter „Ford & Lopatin“. Veröffentlicht auf eigenem Mini-Label (Mexican Summer) ist „Channel Pressure“ entzückendes Debüt, experimentelles Konzeptalbum und gehaltvolle Elektro-Oper in einem.
Die Story ist simpel: Wir schreiben das Jahr 2082. Unter dem Kommando von Supercomputer „The System II“ haben sich Roboter auf der Erde breit gemacht und sich Hollywood und die Musikindustrie einverleibt. Eine zwinkernde Hommage an die apokalyptische Zukunftsvision „Terminator“ von Regisseur James Cameron aus dem Jahre 1984? Sicherlich, aber im Gegensatz zu Cameron beschreibt Ford & Lopatin´s Debütalbum eine Zukunftsphantasie, in der das gemeinsame Alter Ego Joey Rogers die eigene Jugendzeit reflektiert. Thematisiert wird die musikalische Entdeckungsreise des Duos Mitte der 80er. Egal ob erste Computer- und Konsolenmodelle, Küchengeräte oder damals angesagte Popmusik, experimentiert wurde mit allem, was ihnen in die Finger kam. Dominant sind in diesem Sound-Mosaik folglich sphärische Klänge, Space Disco, verzerrte Vocals und Synthesizer. Vervollständigt wird dieses Bild durch Soundvisionär und Produzent Prefuse 73, der mit Erfahrung und Enthusiasmus den Mischprozess leitete.
Gleich vom Opener an orientiert sich „Channel Pressure“ an funkigen und poppigen Basslinien, prahlt mit häufigen Breaks und Sprüngen, kühlt aber gleichzeitig durch seichte Ambientsounds. Eine knapp 40-minütige, glitchige Achterbahnfahrt, bei der exzessiv verzerrte Stimmen („The Voices“) und soullastige Drumcomputer zusätzlich Dancefloorfeeling transportieren. Übel sollte trotz metaphorischer Loopings, Kurven und rasanter Tempowechsel niemandem werden. Mal schwülstig („World of Regret“) mal hitverdächtig („I Surrender“ und „Voices“), aber egal um welche synthetische Ausschweifung oder Übertreibung es geht, das Kunstwerk von Ford & Lopatin bleibt souverän genug, die Grenze zur grotesken Farce nicht zu überschreiten. Etwas ironisch entschuldigt sich das Duo pro forma in „Too Much MIDI Please Forgive Me“ dann trotzdem nochmal für den vorbehaltlosen Einsatz von MIDI-Effekten.
Aktuelle Renaissance der funkelnden 80er hin oder her, mangelndes Trendbewusstsein kann man Ford & Lopatin nicht vorwerfen: „Channel Pressure“ ist bei weitem keine plumpe Imitation verblichener Soundeskapaden, derer man sich heute teilweise schämen müsste, sondern vielmehr eine ambitionierte Interpretation. Die „Hits“ der 80er treffen mit Inbrunst und Charme auf das Beste, was Elektronik im 21 Jahrhundert zu bieten hat.
„Channel Pressure“ erscheint am 03.06.2011 auf Mexican Summer.
Gehört von: Ben Grosse-Siestrup
Künstler: https://www.myspace.com/gamesmusic