Unter dem Namen The Horrible Crowes haben sich Brian Fallon und sein langjähriger Freund Ian Perkins auf die Suche nach dem dunklen Teil ihrer Seele gemacht. Die Geburtsstunde erlebt das Projekt im Tourbus nach The Gaslight Anthem Konzerten, wo Perkins und Fallon sich gegenseitig Musik vorspielen. Dabei entdecken sie die gemeinsame Bewunderung für Künstler wie Bon Iver, PJ Harvey, Tom Waits, Afghan Whigs, Twilight Singers und The National. Kurzer Hand beschließen sie, The Horrible Crowes zu gründen und einen ähnlichen musikalischen Kurs einzuschlagen. Was komplett Anderes soll es werden, radikal und düster. Produziert von Ted Hutt, der bereits mit anderen Mitgliedern des Fallon´schen Dunstkreises (u.a. Chuck Ragan, Dropkick Murphys) gearbeitet hat, erscheint „Elsie“ am 9.9.2011 über Side One Dummy bzw. Cargo Records.
Fallons Fabel für Gruseliges und Geheimnisumwittertes treu bleibend, fällt neben dem Band- auch der Albumtitel entsprechend gespenstisch aus. The Horrible Crowes leiten sich von dem schottischen Gedicht „The Two Crows“ ab. Dabei sind es besonders die mythischen Eigenschaften, die man Krähen zuspricht, nämlich dass sie Seelen in den Himmel überführen können und dein wahres Gesicht erkennen, die Fallon und Perkins bei der Namensgebung inspirierten. „Elsie“ hingegen ist eine wunderschöne Ballerina, die in der psychedelischen Fernsehserie „The Mighty Boosh“ im Kopf eines Dämons tanzt und Leute in ihren orgeluntermalten beklemmenden Bann zieht.
Während Fallon sich mit The Gaslight Anthem eher in der Tradition als Bewahrer des klassischen US-Rockmusik sieht und dafür nicht nur von Bruce Springsteen über den grünen Klee hinaus gelobt wurde, lässt er gemeinsam mit Ian Perkins Experimenten ein wenig mehr Spielraum. So erleben wir auf „Elsie“ größtenteils Songs, die weniger von Zombies handeln und doch nicht minder beklemmend sind. „Jeder hat eine dunkle Seite. Selbst ich“, erklärt Fallon und freut sich darauf, diese nun endlich der Welt zu offenbaren. Keine Untoten, dafür der pessimistische Blick auf das Leben. Hymnen für einsame Menschen mit Sehnsucht und schweren Herzen.
Während sich Fallons markante kratzbürstige Stimme mit starkem Jersey-Einschlag bei den meisten Gaslight Anthem Songs eher zu überschlagen droht, hat er bei den größtenteils schwerfälligen und behäbigen Songs auf „Elsie“ sein Tempo und die geeignete Lautstärke gefunden, um sein Organ passend zur Geltung zu bringen. Das neuerdings eingesetzte Keyboard und die Streicher in „Cherry Blossoms“ komplimentieren dieses Bild von Einsamkeit und weinerlicher Verzweiflung. Ein harmonischer Klagegesang.
Gelungen und doch weniger radikal als angekündigt, zu deutlich und wahrnehmbar sind dafür die Spuren, die das Schaffen mit The Gaslight Anthem in Songs wie beispielsweise „Behold The Hurricane“ zu Tage tritt. Von dezent eingesetzter Bass- und Slide-Gitarre abgesehen, bleibt zudem die Rolle Ian Perkins‘ unaufgeschlüsselt und wird dadurch eher zur nebulösen, schüchternen Randnotiz degradiert, als zum vollwertigen Teil eines Duos. Still Retro: Moderne Einflüsse, wie sie Namen wie Bon Iver oder auch The National vermuten lassen, werden so auffällig sparsam verarbeitet, dass es Mühe bereitet, diese im Albumkontext zu identifizieren. Trotz transportierter Verzweiflung und morbidem Charme bleibt bei „Elsie“ die Ganzkörpergänsehaut aus und doch kommt man, u.a. durch Hits wie „Black Betty and the Moon“, partout nicht umhin, das Album zu mögen.
Gehört von: Ben Grosse-Siestrup