Bianca und Sierra Casady alias CocoRosie schlafen nie. März 2012: Weltpremiere ihres Ballettstücks „Nightshift“, Mai 2012: Uraufführung der ‚Popera‘ „Soul Life“, sowie des Musikfilmprojekts „Harmless Monster“. Touren im Sommer, Albumaufnahmen im Herbst, Touren im Winter. Nach oder eher zwischen unzähligen weiteren Projekten ist nun im Mai 2013 „Tales Of A GrassWidow“ erschienen, der mittlerweile fünfte Longplayer in CocoRosies knapp zehnjähriger Bandgeschichte.
Thematisch knüpfen die elf Songs an die aufgeführten Großprojekte des letzten Jahres an; nicht zuletzt aufgrund des Albumtitels. Als Graswitwen werden gefallene Mädchen bezeichnet, in CocoRosies Version hat dieses „Harmless Monster“ folgende Hobbies: Gräber ausheben, Schmetterlinge beobachten, Abschied nehmen. Und zwar von so ziemlich allen gesellschaftlichen Zwängen: „The cars, the wars, the shopping malls, I can leave you all behind, and I will chase my brother’s shadow, leave my own hung in the closet“.
All dies, insbesondere Abschied und Einsamkeit, verarbeitete das Duo auch in seinem Tanztheaterstück „Nightshift“. Die Regelmäßigkeit, der die musikalische Untermalung darin zu Grunde lag, schimmert auch in „Tales Of A GrassWidow“ durch: nahtlos geht ein Fragment aus dem Leben der Graswitwe in das nächste über, greift dabei zurück und vor auf Bekanntes und noch viel mehr Unbekanntes. Perfekt in Szene gesetzt im Video zu „After The Afterlife“, dem Opener des Albums. Dort jagen Löwen ein Pferd – auf das CocoRosie-sche Stilmittel der kanonisch erfolgenden Bauernhof- bzw. Tiergeräusche wartet man jedoch vergeblich. Dafür berauscht die Bilderflut umso mehr, wenn aus Seen Wolken werden, Schneemonster darin baden gehen und Bianca am Ufer verweilt und singt. So richtig will das Ganze tatsächlich nur im bebilderten Zusammenhang wirken. „Tales Of A GrassWidow“ ist der Soundtrack zum noch nicht erschienenen Film, der mit gewohnt ungewöhnlichen Instrumentierungen (Beatbox trifft Klarinette und Melodica) trotzdem unbedingt angehört werden sollte.
VÖ: 24.05.2013
Gehört von: Julia Köhn