Ach diese Schweden. Leider bei der diesjährigen Fußball-EM in der Gruppenphase ausgeschieden, muss man sie einfach mögen. Und fürwahr, das tun wir! Diese Bikinimodels, diese hünenhaften, großen, blonden Wikinger – denken wir nur an Alexander Skarsgård. Nun, all dies verkörpert Kristian Matsson alias The Tallest Man on Earth zwar nicht, dennoch macht der eher kurz gewachsene Folk-Barde seinem Pseudonym alle Ehre. So singt und spielt er, vielleicht nicht wie ein junger Gott, aber, und diesen Vergleich muss er wohl Zeit seines Lebens ertragen, ein bisschen wie ein junger Bob Dylan. Da müssen wir jetzt alle durch, denn diese Ähnlichkeit springt einem einfach ins Gesicht und krallt sich dort fest. Das Gitarrenspiel, dieses Näseln im Gesang, vielleicht mit etwas weniger politischer Botschaft als es die 1960er Jahre für Dylan einfach hergaben, doch es geht auch hier um Geschichten. Und Matsson hat einige zu erzählen.
Heimste der kleine Skandinavier bereits mit seinen ersten beiden Alben und ebenso vielen EPs reichlich Lob ein, erschien diesen Monat das nunmehr dritte Album „There’s No Leaving Now“. Mit einer stärker aufgefahrenen Instrumentierung als in den früheren Werken lässt er gleichzeitig nichts von seinem Tiefgang und der Authentizität vermissen. Die Hauptakteure sind nach wie vor seine beseelte Stimme und eine Akustikgitarre, jedoch mischen sich nun auch verstärkt Klavier, Schlagzeug und auch Holzbläser unter die Arrangements, die sehr zu überzeugen wissen.
Die Vorabsingle „1904“ des Albums schlug ein, wie eine Liedermacherbombe eben einschlagen kann und lässt man sich auf den ganzen Langspieler ein, wird der Hörer schon zu Beginn mit „To Just Grow Away“ in eine andere Welt entführt, aus welcher er schwerlich entkommen kann. Man denkt unweigerlich an die klassischen Singer-Songwriter, an Südstaaten-Blues, einen Roadtrip oder auch ein großes Feld, auf dessen angrenzender Straße dieser junge Typ mit der Gitarre über der Schulter der Sonne entgegenläuft. Diese Stimmung prägt das gesamte Album. Wir finden eine leichte Sommerabendmelancholie, etwas Grobkörniges, und auch etwas indirekt heiter Verspieltes bei „Wind and Walls“. Man fühlt sich wohl und wir können nur hoffen, dass er auch in Zukunft weiterhin so fleißig ist – dieser kleine Schwede.
Künstler: The Tallest Man on Earth
Album: „There’s No Leaving Now“
VÖ: 08. Juni 2012
Label: Dead Oceans
Gehört von: Anja Gebhardt