Fangen wir vorne an: Nachdem ich mir das neue Album von The Thermals heruntergeladen (ein Schelm, wer jetzt an etwas Illegales denkt) und in mein iTunes gezogen hatte, fing das Programm sofort mit dem Abspielen an. Die Gitarren fiepten in höchsten Tönen, es knirschte und knarrte an allen Ecken. So weit, so normal. Aber was danach kam, klang völlig gegensätzlich. Doch kein Grund für Schweißausbrüche – mein iTunes spielte mir nur mal wieder einen Streich, das konnte gar nicht anders sein. Immer wenn ich neue Musik hineinziehe, gibt es mir nämlich einen Vorgeschmack, um nach einem Song wieder zu der Band zu wechseln, die ich mir davor angehört hatte. Und als ich für einen Moment ohne Erfolg auf den Happy-Highschool-Punk-Sound warten musste, war mir klar was los war. Worauf ich mit diesem Tech-Geblubber hinaus will? The Thermals sind The Thermals. Nach sieben Platten weiß man sehr genau, was man von dem Trio aus Oregon zu erwarten hat. Und dafür liebt man sie. Die Stimme von Hutch Harris, die beständig so klingt, als würde er sich gerade ein kleines bisschen verschlucken. Dann die Ohs und Yeahs, welche in die naiv wirkenden Hymnen hineingestreut werden. Und nicht zu vergessen die Glückseligkeit, die einen überkommt, wenn man sieht, dass auch Album Nummer Acht nicht mal eine Stunde geht und viele der Stücke Zweieinhalbminüter sind. Ein kurzes, aber intensives Vergnügen.
Also anders als der Titel „We Disappear“ vermuten lässt, ist hier rein gar nichts von dem gröligen Enthusiasmus der Thermals verschwunden. Nur die Thematik hat sich geändert. Jetzt wird sich dem Problem der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft gewidmet. Heikel, heikel. Der Songtitel „Into The Code“ sowie auch „The Great Dying“ weisen bereits auf die so offensichtlich negative Einstellung der Band gegenüber des beständig größer werdenden technischen Fortschritts hin. So handelt ihr Opener von der Problematik, dass man sich um jeden Preis mithilfe des Internets unsterblich machen möchte und dabei die eigene Privatsphäre völlig vernachlässigt. Oh ha. Und dann passiert das Unglaubliche: die Drei haben sich doch wirklich getraut an so einigen Stellen zu entschleunigen. Das letzte Stück der Platte, „Years In A Day“, entpuppt sich gar als Ballade. Das steht ihnen aber gar nicht mal schlecht und das vollkommen gleiche Album wie zuvor wollten The Thermals eben nicht produzieren. Sehr löblich. Bei der Justierung der frischen Stimme war ihnen Produzent Chris Walla (machte u.a. schon mit Death Cab For Cutie gemeinsame Sache) behilflich. Die Truppe stellt damit unter Beweis, dass sie auf neue Umstände und Entwicklungen zu reagieren weiß – dass sie noch immer bedeutsam sind. Dennoch fehlt dadurch an mancher Stelle der entscheidende Schubs in Richtung Genialität. Bei der Masse der Erscheinungen stechen sie nicht mehr so heraus wie zum Beispiel noch 2004 mit dem wegweisenden „Fucking A“. Aber gut, das ist alles Meckern auf hohem Niveau. The Thermals bleiben ihrem nerdigen Punk mit Lo-Fi-Attitüde treu, lassen nur dieses Mal öfter die ironische Beinote weg.
VÖ: 25.03.2016
Gehört von: Hella Wittenberg