Besser hätte man einen Albumtitel wohl nicht wählen können, in einer Zeit die absurder kaum sein könnte. Ein Virus, das uns weltweit in Schach hält und unser aller Leben komplett auf den Kopf stellt. Fast wie eine Vorhersagung wirkt da der Album Titel des neuen The Strokes Album „The New Abnormal“.
Nach sieben Jahren und zahlreichen Solo-Eskapaden melden sich die New Yorker zurück. Genauso wie sie von vielen Kritikern über Jahr als Retter des kantigen Gitarren-Rock gelobpreist wurden, genauso wurde ihr Ende prophezeit. Schon immer hat die Band die Gemüter gespalten, das Rich-Kids Stigma ließ sich nie so richtig abschütteln. Typen, die ihre Jugend auf renommierten Internaten verbracht haben, spricht man schnell die Authentizität und Ernsthaftigkeit ab, gute Musik zu machen. Auch bei „The New Abnormal“ überschlagen sich wieder die Stimmen, die den fünf New Yorker mal wieder einen Geniestreich absprechen wollen. Aber muss es immer gleich der geniale Wurf sein, das Album des Jahrhunderts? Warum werden die Erwartungshaltungen so hoch gehängt, dass sie sowieso nicht erreichbar sind und man sich dann händereibend am selbst herbeizitierten Verfehlen des Ziels laben kann? Ist nicht genau dieses Verhalten ein weit verbreitetes Abnormal? Die Freude sich über andere zu erheben, über ihr Schaffen zu urteilen und es mit Füßen zu treten als wäre es eine wertlose Arbeit, die gerade mal zufällig das Licht der Welt erblickt hat.
Das Beste, das man in so einer Situation machen kann ist über den Dingen stehen und sein Ding durchzuziehen. So klingt „The New Abnormal“ herrlich befreit von Zwängen, locker dahin gespielt. Der Song „At The Door“ kommt wie ein F*** You an die Erwartungshaltungen daher, die Gitarren wurden in die Ecke gestellt, das Keyboard gibt den Ton an und Julian Casablancas zwitschert in einem fast choralen Falsett über den Song hinweg. Das ist aber keineswegs der tonangebende Sound des Albums, das erstaunlich abwechslungsreich daherkommt. Unverwechselbar ist der Sound der Strokes allemal, das war er schon immer. Und natürlich zupft sich Albert Hammond Jr. wieder virtuos durch die meisten Songs. Julian Casblancas klingt mal zärtlich wie auf „The Adults Are Talking“, mal wütender und dann wieder flehend auf „Selfless“, bis plötzlich augenzwinkernd in dem Song „Bad Decisions“ Billy Idols „Dancing With Myself“ zitiert wird.
Natürlich fehlt auf dem Album mit vorwiegend Mid-Tempo Songs eine Mit-Hüpf-Nummer wie das legendäre „Last Night“. Aber man muss sich ja auch nicht selbt wiederholen – den Song gibt es schließlich schon. So ist eine Platte entstanden, die sich wohltuend von dem vorherrschenden Pop-Einerlei abhebt, die man wunderbar durchhören kann – schon das ist heutzutage ja nicht mehr selbstverständlich. Das Beste dabei ist, dass man den Eindruck gewinnt, The Strokes haben Spaß bei dem was sie tun. Das war in der Tat nicht auf jedem Album der Fall. Den Spaß hat man ihnen auch angemerkt als sie -nicht lange vor dem Shut-Down- ein Konzert in der Berliner Columbia Halle gegeben haben. Die Fans taumelten glückselig von Song zu Song. Eine knackige Setlist, bei der sich die neuen Stücke ganz hervorragend mit den Smash-Hits gemischt haben. Zeiten, an die man sich jetzt mit ganz schön viel Wehmut erinnert. So erhoffen wir uns sehnlichst wieder ein bisschen Normalität zurück und lassen uns solange ganz erwartungsfrei von „The New Abnormal“ ablenken und unterhalten. Denn am Ende ist Musik eine große Hilfe, um in diesen irren Zeiten nicht den Kopf zu verlieren. Und das lassen wir uns nicht schlecht reden. Von niemandem!
VÖ: bereits erschienen