Es fällt einem aktuell fast schwer, eine Band mit einer verrückteren Hintergrundgeschichte zu finden als Sons of Raphael. Der Werdegang der beiden Brüder Ronnel und Loral Raphael, der diese Woche im Erscheinen des Debütalbums „Full-Throated Messianic Homage“ gipfelt, liest sich fast ein wenig so, als habe Baron Münchhausen eine Rockband gegründet. Vom Rauswurf aus einer Kapelle und der Zuflucht in einer irischen Bingohalle heißt es da zum Beispiel. Oder davon, wie die Aufnahmen eines 35-köpfigen Orchesters zum Großteil mit einem Sportwetten-Gewinn finanziert wurde. Es ist auch eigentlich völlig egal, ob sich das alles genau so ereignet hat. Sons of Raphael haben durch ihre bloße Existenz ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das Optik und Sound mit einem Hauch des Mysteriösen garniert.
Und da wir schon vom Sound sprechen, entsprechend ver- und entrückt ist dieser natürlich. Alles andere würde doch sehr aus dem ungewöhnlichen Rahmen fallen. Gleichzeitig geht es den beiden nicht zwingend darum, das Rad neu zu erfinden. Ein bisschen Beach Boys, ein bisschen amerikanischer Psych-Rock gepaart mit französischer Avantgarde, die sechziger Jahre Wall of Sound Ästhetik eines Phil Spector, bei den aktuelleren Einflüssen sind definitiv die Jungs von MGMT vorbei gelaufen. Heraus gekommen ist ein verspieltes, sagen wir mal verstrahltes Album, das im Gesamten fast ein bisschen zu entrückt wirkt. „Full-Throated Messianic Homage“ ist der perfekte Soundtrack, um den ganzen Tag verstrahlt in der Ecke zu hängen. Man könnte es stundenlang auf Repeat laufen lassen und würde dabei wahrscheinlich irgendwann vergessen, wo genau es aufhört und wieder anfängt. Atmosphärisch kreist es damit auch die Themen ein, mit denen es sich beschäftigt: Liebe, Tod und Teufel, um es mal ganz schlicht herunter zu brechen.
Daraus, dass Sons of Raphael echte Querköpfe sind, machen die beiden kein Hehl, im Gegenteil. So behauptet Ronnel Raphael, schon bei seinen frühen Auftritten wenig Wert darauf gelegt zu haben, ob das Publikum ihn mag oder nicht. Im Gegenteil, massive Ablehnung mache ihn genauso glücklich wie Applaus, rühmt er sich. Vielleicht ist das der Grund, warum dem klanglich hoch ambitionierten Erstlingswerk ein wenig das Sendungsbewusstsein fehlt. Es beschäftigt sich mehr mit sich selbst als seinen Zuhörer*innen. Gleichzeitig steckt in diesem „nicht um Aufmerksamkeit heischen“ auch die eigentliche Faszination, das Bewusste Verzichten auf Gefälligkeit, das sich auch im gestrengen Blick der Brüder wiederfindet, mit dem sie uns betrachten.
Und dann tauchen sie zwischendrin auch immer wieder auf, die überraschend nach vorne galoppierenden Songs mit den eingängigen Hooks, wie „Siren Music“, „I Sing Song For The Dead“ und die aktuelle Single „Yeah Yeah Yeah“. Im Musikvideo zu letzterem reihen sich Bilder von weinenden Mädchen aneinander. Ihre Tränen bezeichnen Sons of Raphael als Symbol für den siebenjährigen Leidensweg, den die Arbeit am Album für sie bedeutet haben soll und von dem sie mit dem Erscheinen dann hoffentlich erlöst sind. Ganz schön biblisch. Und auch ein bisschen lustig. Lustig-biblisch: die vielleicht treffendste Bezeichnung, die man für Sons of Raphael finden kann.