Dafür dass heute ihr Debütalbum erscheint, fühlt sich Celeste schon an wie eine alte Vertraute. Dabei war es auch erst 2019, dass die Britin mit ihrer Single „Strange“ für ordentlich Aufmerksamkeit sorgte. Dann legte sie aber auch direkt los. Sie trat als Support-Act für Janelle Monáe, Neneh Cherry und Michael Kiwanuka auf, gewann den Rising Star Award bei den BRIT Awards, landete einen weiteren Hit mit „Stop The Flame“, sorgte für Begeisterungsstürme mit ihren Auftritten beim Reeperbahn Festival und nahm ganz lässig ein Duett mit Britpop-Ikone Paul Weller auf. Dabei tut Celeste stets etwas, das heutzutage fast schon altmodisch scheint: sie konzentriert sich voll auf die Wirkung ihrer Stimme und ihrer Songs.
Im Interview erzählte Celeste uns am Ende ihres ersten großen aufregenden Jahres , dass für sie das Streben nach Authentizität stets im Vordergrund steht. Show machen, Choreografien tanzen, das war schon als Kind nie wirklich ihr Ding. Wenn man sie auf der Bühne sieht, in ihrer atemberaubenden Schönheit, dabei fast schon schüchtern, liegt der Fokus voll und ganz auf ihrer Stimme und ihrem Ausdruck. Genauso verhält es sich auch mit ihrem Debütalbum „Not Your Muse“, das nun, nach einer Reihe von Singles und EPs, endlich erschienen ist. Celeste singt und erzählt Geschichten. Ihre Uptempo-Nummern laden zum Tanzen ein, ihre Balladen zum gepflegten Swoonen. Zeitlos könnte man ihren Stil nennen. „Not Your Muse“ ist kein hektisches, bemühtes Kind unserer Zeit, das versucht, mit möglichst viel Originalität zu beeindrucken. Es ist fast schon heilsam zu spüren, wie allgemeingültig Musik sein kann. Gleichzeitig hört man ihrem Debüt an, dass sie eine Künstlerin ist, die durch ihre Liveshows bekannt geworden ist. Ihr Vertrauen in ihre Stimme erscheint einem grenzenlos.
Und dabei hat sie einen eigenen, sehr charakteristischen Ausdruck gefunden der, noch so eine Wohltat, völlig ohne Druck und ohne das Bedürfnis auskommt, ihr Volumen übertrieben zur Schau zu stellen.
Dass man beim Hören des Albums das Gefühl hat, mit einer langjährigen Vertrauten beim Kaminfeuer zu sitzen, liegt zum einen daran, dass Songs wie „Strange“, „Father’s Song“ und „Stop The Flame“ inzwischen tatsächlich gute Bekannte sind. Zum anderen sind es die große Wärme in Celestes Stimme und die unaufdringliche Produktion, die „Not Your Muse“ zu einem wohltuenden Begleiter machen, besonders in einer Zeit, die von Unsicherheit und Trübsal geprägt ist und in der man sich viel zu viel in den eigenen vier Wänden aufhält. Wunderschönes Highlight: „Beloved“, das sich mit Hawaii-Gitarre und Sixties-Charme irgendwo zwischen James Bond und Elvis Presley Kinoabenteuer bewegt. Und was hier zum Ende hin stimmlich passiert, kann man kaum in Worte fassen.
Eigentlich kann man zu Celeste nur eins sagen: gemessen an ihrem Talent, ihrem Charisma und ihrem im positivsten Sinne zugänglichen Sound, sollte sie eine noch viel größere Reichweite haben. Ein Schicksal, dass leider viele ihrer schwarzen, weiblichen Kolleginnen teilen. Aber so eine alte Bekannte, die man erst einmal richtig ins Herz geschlossen hat, die geht auch nicht mehr so schnell weg. Celeste ist definitiv gekommen um zu bleiben.