Gaz Coombes im Interview

Gaz Coombes, ehemaliger Supergrass Frontmann, veröffentlichte vor kurzem sein zweites Soloalbum “Matador” und besingt darauf mit expressiver Leidenschaft in seiner sensationellen Rock-Singer-Songwriter-Mischung Probleme von heute und damals. Er sorgt dafür, dass wir nicht in Erinnerung an vergangene Britpop-Legenden schwelgen müssen und liefert auch mit der zweiten Platte eindringlich bewegendes Songwriting, mit dem eine tief sitzende Unruhe kommuniziert wird. „Matador“ ist intensiv, zieht und treibt in verschiedene Richtungen. Leidenschaftlich, lustvoll und lebendig. Zwischen Soundcheck und Show im Frannz Club hat Gaz Zeit für ein kleines Interview in seinem Tourbus. Entspannt zündet er eine Zigarette an und erzählt von Kämpfen im Leben, als Solokünstler und wieso es gut ist sich so oft wie möglich aus seiner Komfortzone zu bewegen und neuen Herausforderungen zu stellen. Wie ein richtiger Matador eben.

Matador. So heißt dein aktuelles Album, genau wie ein Song darauf. Was kam zuerst? Albumtitel oder der Song?

Merkwürdigerweise erst der Name für das Album. Dann hatte ich ein paar Lyrics geschrieben, in denen es um einen einsamen Kampf geht und ich fand es sehr passend dem Song den Albumtitel zu geben. Das Wort „Matador“ gefiel mir einfach sehr. Nicht nur, weil es sich cool anhört. Sondern auch wegen der Metapher des Bullen, der für die Kräfte im Leben steht, die einen immer wieder den Weg kreuzen. Die Kräfte, denen man ausweichen muss und die man bekämpfen muss. Matador steht für Widerstandsfähigkeit. Verrückte Momente im Leben erleben und überleben.

Ist dieses Album ein Snapshot deines Lebens, wie es genau gerade ist und wo du jetzt stehst?

Total. Auch wenn sich manche Songs um die Vergangenheit drehen, ist dieses Album genau da, wo meine Gedanken eben zur Zeit sind. Zum Beispiel ist der Tod meiner Mutter mittlerweile elf Jahre her, aber trotzdem beschäftigt es mich sehr. Es ist oft einfacher Musik über solche Ereignisse zu schreiben, als darüber zu reden.

Du besingst voller Leidenschaft die unaufhörlichen Anstrengungen des Lebens.

Ja, sehr oft. Manchmal fühle ich mich von dem Konzept von Komödien inspiriert. Meine Lieblings-Komödien sind immer sehr dunkel, unheimlich und merkwürdig. Am Ende werden diese Gefühle aber in der Pointe wieder losgelöst. So möchte ich auch Songs schreiben. Dunkel und eigenartig, aber am Ende zahlt es sich aus und alles wird gut, indem man den Blick nach vorne richtet. Everything is gonna be cool.

Das erklärt dann auch das Cover, wenn du dich trotz der dunklen Themen einfach nicht allzu ernst nimmst.

Dadurch will ich ein bisschen Licht hineinbringen. Ich will mich wirklich nicht so ernst nehmen und mich als so einen weisen Typen darstellen. Ich lerne doch immer noch. Ich bin immer noch dabei meinen Weg zu finden.

Du hast schon so früh angefangen Musik zu machen und schaust auf einen beeindruckenden musikalischen Lebenslauf zurück. Du lebst Musik seit du denken kannst. All die Erfahrungen, die du über die Jahre gesammelt hast, kommen dir jetzt als Solokünstler zu Gute. Du weißt sicher mehr, was du von der Musik willst, oder?

Es ist trotz all der Erfahrungen so wichtig sich immer weiterzuentwickeln. Das war mir auch am allerwichtigsten, als die Zeit mit Supergrass vorbei war. Übrigens war es gar nicht mein Plan ein Soloalbum rauszubringen. Ich wusste, dass ich weiter Musik machen würde. Als Supergrass sich dem Ende neigte, haben sich meine Gedanken überschlagen: Bleibe ich in einer Band, in der ich nicht glücklich bin? Spiele ich bis ans Ende unserer Tage endlose Festivals jedes Jahr, nur um Geld zu verdienen? Oder versuche ich einfach mal was ganz Neues. Das war dann der Plan. Zu versuchen sich aus seiner Komfortzone herauszuwagen. Allein dadurch kann man belohnt werden. Die letzten Jahre waren wirklich sehr zufriedenstellend. Ich habe herausgefunden, dass ich alleine etwas machen kann, mit dem ich zufrieden bin.

Heißt es nicht auch: Get out of you comfort zone, that’s where the magic happens? Solche Herausforderungen bringen einem doch die wichtigsten Sachen im Leben bei.

Auf jeden Fall. Ich weiß noch nicht mal, ob ich musikalisch alles geregelt habe, alles unter Kontrolle habe, man entwickelt sich ja immer weiter. Aber auf „Matador“ ist alles sehr gut verbunden, damit bin ich sehr zufrieden.

Kann man denn alles geregelt haben? Ist es nicht wie im Leben, wenn man gefragt wird, ob man alle seine Sachen „sorted out“ hat? Es kommt doch immer wieder etwas neues dazu. Nicht still stehen, sondern sich nach vorne bewegen, darum geht’s.

Eben. Und wenn man an den Punkt kommt, an dem man alle seine Sachen unter Kontrolle hat, dann wird einem eh langweilig und man will Veränderung. Es ist doch auch immer so ein Kampf zwischen Selbstzweifeln und Selbstbewusstsein. Es gibt letztendlich nie einen Gewinner. Aber das ist das, was das Leben interessant macht. Oder nicht?

Da stimme ich dir zu. Wie war es für dich bei der Produktion von „Matador“ die alleinige Kontrolle zu übernehmen? Du hast die Macht, aber auch die Verantwortung. Bei einer Produktion mit anderen Produzenten gibt es viele Diskussionen. Wie war es diese Diskussionen mit sich selber zu führen?

Oh ja, das ist schwierig. Deswegen muss das meiste instinktiv passieren. Natürlich kenne ich mich nach all den Jahren im Studio gut aus und habe gelernt, was man alles machen kann, um ein bestimmtes Resultat zu erzielen. Ich habe mir einfach nicht so viele Gedanken dabei gemacht. Die Idee hinter den Songs und die Performances waren mir wichtiger als die Produktion. Das Fehlen von prädisponierten Produktionsplänen gibt dem Ganzen seinen eigenen Sound. Meine Einstellung war eher so: „Let’s see what happens.“ Jeder Song hat so seinen eigenen Stil bekommen. Es war ein bisschen wie die Aufnahme von Demos, sehr spontan.

Du hast dein eigenes Studio in deinem Haus. Aber wenn dir dort die Decke auf den Kopf fällt, dann probierst du auch mal ein fremdes Studio aus. Wo wir wieder bei dem Entstehen von spannenden Dingen nach dem Ausbrechen aus seiner Komfortzone wären…

Ja, das ist so wichtig. Keep the sessions fresh! Man bekommt in jedem Studio eine neue Perspektive. Oft war ich im Courtyard Recording Studio, wo ich mal entspannen konnte, wenn Ian Devonport sich dort um die technischen Sachen kümmern konnte.

Du hast viele neue Arrangements ausprobiert, aber dein Plan war die Dinge simpel zu halten. Ein schwieriger Kompromiss?

Ja, ein bisschen schon. Ich hatte so viele Ideen und man muss aufpassen, dass man nicht abschweift. Ich wollte lieber direkt sein und letztendlich ist es wichtig, dass das Album insgesamt stimmig ist. Gut ist es mit vielen Ideen anzufangen und im Laufe der Zeit die unwichtigen Dinge wieder abzubauen und mit dem inneren Kern weiterzuarbeiten. Wie man aber auf der Platte hören kann, gibt es viele große Momente, so dass es nicht wirklich immer simpel geblieben ist. Aber ein Teil von mir mag eben genau diese großen Momente, voll von Orchester und voller Energie.

„Buffalo“ ist der erste Song der Platte und auch das erste Lied, was du für das Album geschrieben hattest. Ein großer Auftakt!

„Buffalo“ war der erste Track, der fertig war und somit habe ich ihn auf einer 7-inch für die Fans veröffentlich. Damit die Leute sehen konnten, woran ich arbeitete. Ein bisschen in der Hoffnung, dass es ihnen gefällt und dass es in die Richtung weitergehen kann. „Buffalo“ war quasi der Grundstein des Albums. Deswegen wollte ich den Song auch unbedingt als ersten Track der Platte haben. Es war der Anfang von allem.

Was hast du gemacht, als du „Matador“ das erste Mal komplett fertig gehört hast?

Was für ein perfekter Moment. Letztens habe ich die Vinylplatte geliefert bekommen und ich habe sie zusammen mit meiner Frau gehört, während wir in der Küche abgewaschen haben. Das Album ist perfekt, um gedanklich abzuschalten und die Songs eindringen zu lassen.
So höre ich mir die Platte natürlich nicht oft an. Die Songs höre ich ja jeden Abend bei den Live-Konzerten, wenn wir sie spielen. Es kommt mir fast so vor, als ob die Lieder jedes mal neu erfunden werden durch neue Interpretationen von mir und den Jungs in der Band. Es macht riesigen Spaß.

Wie ist die Reaktion der Leute bisher?

Unglaublich gut! Das haut mich völlig um. Es ist ungewohnt neue Lieder zu spielen und damit Begeisterung und die Neugierde der Leute zu wecken. Bei Supergrass war es so, dass das Publikum doch eh meistens nur die Hits hören wollte.
Deswegen freue ich mich gerade sehr über die Live-Shows. Auch um die Reaktionen der Leute zu sehen. Das Schlimmste ist, wenn es zwischen den Songs sehr still ist. Ich höre gerne irgendwelche Zwischenrufe. Natürlich bevorzugt positive Dinge. Einmal hat ein Fan gerufen „Hey Gaz, you’re doing a great job!“ Das war ein bisschen so wie ein Vater, der seinem Sohn Mut zuruft. Das war toll. (lacht)

Interview: Christina Heckmann

Fotos © Markus Werner

www.gazcoombes.com