Cowboy oder Indianer? Natürlich Indianer! Fand ich jedenfalls immer. Indianer sind cooler, können besser reiten, Bogen schießen und sich anschleichen. Und dann noch Marterpfähle, Tipis und Squaws! Indianer waren definitv die coolere Clique!
Der kanadische Film „Dance Me Outside“ von 1995 spielt in einem Indianerreservat in Ontario und handelt von zwei Jugendlichen, die auf einen Ausbildungsplatz an der Mechanikerschule in Toronto warten. Bis dahin schlagen sie gepflegt die Zeit tot. Eine coole Clique sind die beiden und ihre Kumpels schon, aber auch die sozialen Probleme im Reservat sind nicht zu übersehen. Sie sind die Ureinwohner mit den Immigrantenproblemen: man traut Ihnen nicht über den Weg. Beim Bestellen in der Kneipe warnt sie der Barmann schon einmal prophylaktisch mit: „Ich will hier keine Scherereien!“
„Dance Me Outside“ bietet viele Aspekte eines Coming-of-Age Films. Unsere Helden sind Jugendliche, die trotz sozialer Diskriminierung ihren Weg finden wollen und müssen. Dazu gehört die leidige Sache, wie man mit dem anderen Geschlecht umzugehen hat, Zitat: „Glaubst Du, dass Frauen irgendetwas denken?“ Und dann passiert auch noch ein Mord. Der Täter ist bekannt und es stellt sich die Frage nach dem Sinn von Rache und der Fähigkeit, diese auch zu vollstrecken.
Das ist alles sehr liebevoll, spannend und auch humoristisch erzählt. Den ganz besonderen Reiz macht jedoch die Tatsache aus, dass dies alles sich dankenswerter Weise nicht an irgendeiner kalifornischen Highschool abspielt, sondern im filmisch einem breiten Publikum eher unerschlossenen Terrain des Indianerreservats.
Der ganze Mythos, den wir von den Ureinwohnern Amerikas haben, ist sehr fein in die Handlung und die Figuren eingeflochten. So fordert die Mutter unserer Hauptfigur Silas Crow, seine große Schwester völlig selbstverständlich auf, den „großen Geist“ zu beschwören, da sie und ihr Ehemann bisher in ihrer Ehe keinen Nachwuchs produziert haben. Und auch eben jener großartige Charakter des Ehemanns, ein Saab fahrender Anwalt aus Toronto, wünscht sich so sehr der Indianergemeinschaft zugehörig zu sein, dass er sich in einer der lustigsten Szenen des Films einem von unseren Jugendlichen inszenierten, nicht ganz ernst gemeinten Aufnahmeritual unterzieht.
Auch hier geht der Film sehr liebevoll mit seinen Figuren um, denn der Anwalt kommt trotz hohem Peinlichkeitspotential gestärkt aus seiner Initiation zurück. Mit den Worten: „Er war echt cool Mann“ wird er der großen Schwester zurückgebracht. Und so ist es auch nicht peinlich, wenn der Anwalt bei einem Versuch, Silas vor einer mit dem Mord zusammenhängenden Verhaftung zu bewahren, zu einem Angehörigen der „Tribal Police“ sagt: „Er ist mein Bruder!“
Da ist „Dance me Outside“ plötzlich ein echter Indianerfilm, er bietet einen richtigen indianischen Krieger. Einen Krieger wie wir ihn uns als Kinder in unseren wildesten Spielen vorgestellt haben. Michael Greyeyes schreitet so überzeugend gefährlich und integer durch diesen Film, dass es nicht verwundert, dass sich seine Biografie seit dem Erscheinen von „Dance Me Outside“ recht beeindruckend liest. Er hat seitdem in vielen verschiedenen amerikanischen Film und Fernsehproduktionen mitgespielt.
Und bevor ich es vergesse: es gibt in diesem Film noch so eine Clique, zu der jeder irgendwie dazugehören möchte. Aber sogar unseren beiden indianischen Protagonisten ist der Zutritt verwehrt, weil sie die Wege und Geheimnisse dieser Gruppe nicht verstehen. Ohne zu viel verraten zu wollen, es hat was mit Squaws zu tun.
„Dance Me Outside“ ist erhältlich auf (geil) VHS und natürlich auf DVD, leider nur in der deutschen Synchronisation. Unter anderem in Berlin in der Filmgalerie 451.
„Dance Me Outside“, Regie: Bruce McDonald, Kanada 1995, 81 min.