Father John Misty, 14.11.2017, Huxley’s Berlin

Die schwarzen Jeans sind an den Knien schon ganz durchgescheuert. Kein Wunder, denn bei Josh Tillman aka Father John Misty gehört der theatralische Kniefall quasi zum Tagesgeschäft. Allerdings sitzen besagte Jeans auch so eng, dass man sich wundert, wie er das überhaupt schafft: runter auf die Knie, den Kopf nach hinten geworfen, den Rücken zur Brücke gebogen und wieder hoch, zurück in den Stand. Eine fließende Bewegung, wie ein Gummiband, das sich spannt und wieder zurück flitscht. Man hofft jedes Mal, dass nicht gleich der Moment kommt, in dem die entscheidenden Nähte krachen.
An diesem Abend im ausverkauften Berliner Huxley’s scheint dem Father jedoch etwas weniger als sonst der Sinn nach großen Gesten zu stehen. Er wirkt etwas zurück genommen, das Gesamtarrangement seiner Setlist ist ruhiger, er setzt mehr auf die leisen Töne. Aber auch in diesen Momenten steckt bei ihm der Teufel im Detail. Den Kopf einmal kurz in den Nacken geworfen, das Handgelenk neckisch abgeknickt. Father John Misty beherrscht die ruhigen Momente gleichermaßen wie die brachial emotionalen Ausbrüche. Wobei, gut, seien wir mal ehrlich, das ist es schon, worauf man bei ihm besonders lauert. Oder, wie meine Kollegin, eine erfahrene Father John Misty Konzertgängerin, irgendwann konstatiert: „Gitarre weg ist immer gut.“ Besonders wenn er sie mitten im Song energisch von sich wirft und eruptiv zu Tanzen beginnt, die langen Arme und Beine in jede erdenkliche Richtung schleudernd.
Ich erinnere mich noch gut an dem Zustand, in dem jene Kollegin aus ihrer ersten Misty Show heraus taumelte. Selbst an ihren Stakkato-mäßig eintreffenden Nachrichten auf meinem Telefon konnte man herauslesen, dass ihre Augen immer noch quer standen. Ganz so derart sexuell aufgeladen geht es am Dienstag im Huxleys nicht zu. Eher kritisch ernsthaft lässt Tillman seinen Blick über die Menge schweifen, welche, das muss man leider auch sagen, eher wenig zur Ekstase aufgelegt scheint. Vielleicht bedingt sich da auch etwas gegenseitig. Das Pärchen zum Beispiel, das sich mit verschränkten Armen statisch vor uns breit macht, hätte sich ruhig in eine der hinteren Reihen verkrümeln können, dann wäre uns auch mehr Platz zum Ausflippen geblieben.
So kommt es auch nicht zum sonst so gerne von ihm zelebrierten Bad in der Menge. Auch das stellt meine Kollegin schon zu Anfang der Show mit Kennerblick fest: „Der kommt heute nicht mehr runter“. Sie behält recht, leider. Nicht wie beim diesjährigen Glastonbury Festival, wo wir erleben durften, wie Father John Misty sich mehrfach kopfüber über die Bande warf und sich geduldig von Männer und Frauen gleichermaßen Haupt- und Gesichtshaar zauseln ließ. Womit wir beim Bart wären – da leuchtet es doch flammend rot zwischen den Haaren auf den Wangen. Und tatsächlich, als Tillman zum Ende hin gesprächiger wird, klagt er über seine trockene Haut und fragt nach Tipps zur Behandlung. Shea Butter habe nicht den gewünschten Effekt gebracht. Ein kollektiver Seufzer entfährt uns – der arme Kerl! Es heißt nicht umsonst „sich nicht wohl in seiner Haut fühlen“. Man möchte am liebsten auf der Stelle die Kortison-Creme zücken und sie ihm zärtlich zwischen die einzelnen Barthaare massieren.
Zum Glück ist das alles aber doch mehr oder weniger unwesentlich. Denn Father John Misty besticht, egal ob expressiv oder introvertiert, mit seiner Stimme, seinen Songs und seinen pointierten Texten, die er mit einer derartigen Intensität vorträgt, dass man ihm einfach nur zuhören möchte. Und als er die mehr als zweitstündige Show mit dem Kracher „The Ideal Husband“ beendet, da bebt schlichtweg die Hütte. Ein dankbares Lächeln huscht zum Abschied über sein geschundenes Gesicht. Das nächste Mal fallen dann einfach mal wir vor ihm auf die Knie. Ach, we love you, honeybear.

War dabei: Gabi Rudolph
Fotos: Yasmin Parvis

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