Erik Sumo, seine Band und die „Trouble Soup“ – mehr Spaß als Ärger

Die Erik Sumo Band. Irgendwo her meinte ich sie zu kennen, und wie so oft war es eine dieser kurzen Autofahrten mit meiner Tochter, bei der sie mich mal ausnahmsweise was andere als ihren Heim- und Hofsender Radio Teddy hören lies, die mir die Lösung brachte…

ErikSumoAnfänglich, also in den ersten Jahren unsere musikalischen Beziehung, die sich bei einer achtjährigen ernstzunehmender Weise natürlich nur auf die letzten 2-3 Jahre beschränkt, war ich noch versucht meiner Tochter die Helden meiner Jugend näher zu bringen. Und da die Jugend ja bekanntlich seit den 80ern bis zu einem Lebensalter von ca 40 als Jetztzustand akzeptiert wird, waren da natürlich auch aktuelle Bands dabei. Die neue Tocotronic oder Radiohead. Auch mal Soul oder Jazz aus den frühen 70ern. Discohits und Indiegeschrammel. Alles dabei. Alles noch auf Kasette vorhanden und so in meinem Auto zu vernehmen.

Ihre Begeisterung hielt sich in Grenzen und so ging ich dazu über, einfach Radio 1 zu hören und mich an der Aussage „Nur für Erwachsene“ zu laben. Mir war es einfach wichtig, dass sie merkte, dass es auch für uns Papas und Mamas Dinge gibt, die sich vielleicht hier und da wie Hannah Montana anhören, aber nicht für Kinder gemacht wurden. Und da gab es in der Hot Rotation der Postdamer Redaktion in letzter Zeit einen Song den ich sehr mochte aber nie wirklich zuordnen konnte.

„You Never Been My Friend“. Ein recht schmissiger Rocksong mit Anleihen aus verschiedensten musikalischen Regionen des alten Europa. Manchmal fast schon mit Swing Qualitäten. Dann wieder wie ein neuer Song der Beatsteaks daherkommend. Mit einer ruppigen Männerstimme, die sich über elektronische Bassbeats und Klaviergeklimper ergeht und klingt, als sei sie mit diesen alten Standmicros der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts aufgenommen. Gut. Anders. Und eine Mischung aus all meinen Kasetten im Grunde.

Nun also weiß ich es. Es handelt sich um den aktuellen Liebling der Radio 1 Redaktion aus dem neuen Album „The Trouble Soup“ der Erik Sumo Band. Und das ganze Album lässt einen tatsächlich ständig überlegen, wo verdammt nochmal diese Verrückten wohl herkommen. Mal klingt es so dermassen skandinavisch, dass man sekündlich auf finnische Textzeilen wartet, dann wieder findet man sich bei den Enkeln der großen France Gall wieder, so dermassen französisch, dass man schon den Arte-Beitrag über die Pariser Subkultur vor Augen hat. Oder doch aus England? Schließlich gibt es ja auch dort diese Discoknaller mit sehr funky Hammondorgel, wie hier in „Show Me The Light“.

Auch wer da nun eigentlich gerade singt, ist manchmal nicht wirklich zu eruieren. Scheinbar zwei Frauen und ein Mann. Oder nur eine Frau? Oder doch nur der Mann mit Backgroundchor? Die nächste Frage tut sich auf, wenn man überlegt aus welchem Jahr wohl diese Platte stammt. Klar. Wir wissen es ja nun. Aber klingen tut sie des öffteren erheblic nach späten 70ern. Dann wieder wie ein Nebenprojekt von albernen 80er Bands wie z.B. Oingo Boingo.

Doch Schluß mit dem Rätselraten.

Dieses kleine Juwel der Kreativität kommt aus Ungarn. Ja, aus Ungarn. Und der Mastermind der Band ist dort kein Unbekannter und versorgt seine Landsleute schon seit einiger Zeit mit musikalischen Projekten, die vor Phantasie und Ideen nur so übersprudeln. Eben Erik Sumo. Mit sechs weiteren Musiker/innen hat er nun die Erik Sumo Band aus dem Gulasch gezogen. Ja, ich weiß. Es gibt bestimmt orginellere Umschreibungen für Musik aus Ungarn. Aber gerade in diesem Fall handelt sich um einen äußerst passenden Vergleich. Denn ähnlich diesem scharfen und wohlschmeckenden Eintopf, kriegt man auch auf dieser Platte eine ganze Ladung verschiedenster Zutaten serviert.

Das Album beginnt mit dem Intro „Loose Parts“. Ein kleines Soundschnipsel, das einen an das tauende Eis dieses ewigen Winters erinnert. Ein kleines Piano, zweistimmiger Gesang und elegische Melancholie. Doch so ruhig geht es nicht weiter. Schon der zweite Song „Secon“ legt mächtig los. Sängerin Erzsi Kiss singt Pseudo-Französisch zu Discobeats. France Gall auf Koks eben. Weiter geht es mit dem erwähnten Funkmonster „Show Me The Light“. Eine neue Frauenstimme, nun auf Englisch. Wah Wah Gitarren rumpeln einen zum nächsten Song, „Dream Machine“. Elektrobeats von 120 bpm und der pfeifende Klang eines Teekesselchens streiten sich mit einem Synthesizer und eher elegischen Gesangspassagen um die Vorherrschaft.

Doch nun wieder Erik selbst am Micro in „Licence Plate Rock“. Sehr 80er. Wären da nicht Bongos und eine Gitarre, die eher aus den 70ern zu stammen scheint. „Little Worm from Hungary“ beginnt wie ein früher Song von Depeche Mode, bricht dann plötzlich ab und verwandelt sich in feinsten Garagenfunk. Springt dann wieder zurück zu den Tönen des Anfangs und bezaubert mit sehr schönem Gesang männlich wie weiblich…wundervoll. Und schon sind wir bei dem besagten Hit hiesiger Sender „You Never Been My Friend“. Könnt ihr euch ja auch im Auto anhören.

„Your Flame“ ist eher eine Hymne und lässt einen unweigerlich an die letzte verkorkste Beziehung denken, dabei aber durchaus optimistisch. Richtiges Gejammer bekommt man auch hier nicht zu hören, dafür wunderschönen Backroundgesang. Nun der Titeltrack „The Trouble Soup“. Schnelle Beats, die einen an Ska erinnern und eine 70er Jahre Orgel wummern sich hin zu einem Punk-Refrain, der live vermutlich kein Bein ruhig stehen lässt.

Jetzt kommt der ungarische Nummer Eins Hit „Disco In my Head“. Und so wie er heißt, klingt er auch. Stellt euch den nächsten Sommer vor (auch wenn’s schwer fällt) und setzt euch ins Cabrio, um mit eurer Clique Richtung Badesee zu fahren, wo schon das Soundsystem auf euch wartet und zu einer Party bis zum nächsten Morgen einlädt. Der Song ist der Soundtrack für die Fahrt dorthin. „Good and Relieved“ ist vermutlich der seltsamste Song in einer ganzen Reihe von seltsamen Songs. Tarrantino-Gitarren. Retroeffekte. Fiepsende Synthis und unheimliche Gesänge. Und wieder diese bezaubernde Frauenstimme.LPM26_PromoCD_Cover02_01

Nun wird’s richtig verückt. „Erzsi Robs A Casino“ könnte auch von Nik Cave stammen und wurzelt tief in den frühen 80ern.

Eine Ballade muss ja auch sein. Verabschieden wir uns also mit „Sleep Well Octopus“. Wunderschön und traurig, fast zeitlos. Erinnert an die besten Momente von Death Cap for Cutie. Eine Idieperle.

Das ist sie nun also, die ganze Platte. Und ich kann nur sagen: Das wird der ganz heiße Scheiß in diesem Jahr. So viel Kreativität und Unberechenbarkeit gab`s lange nicht auf CD, und ich kann diese Mischung aus Rock, Pop, Polka, Disco und Underground nur jedem Retroliebhaber ans Herz legen. Aufgenommen wurde die ganze Platte tatsächlich in einem 70er Jahre Studio mit dazugehörigem Analogequipment. Und das hört man auch. In Ungarn sind die Erik Sumo Band längst Helden und ihre Konzerte wahre Happenings.

Zeit sie auch hierzulande auszupacken und endlich mit Ihnen zusammen den Frühling zu begrüßen!

„The Trouble Soup“ der Erik Sumo Band erscheint am 26. Februar auf Le Pop Music im Vertrieb von Groove Attack.

www.myspace.com/eriksumo