Eloise im Interview: „Wenn ich von eins keine Ahnung habe, dann von Liebe“

Ein richtiger Plausch im wörtlichen Sinne war das mit Eloise. Gut, die Kaffeemaschine war kaputt, weshalb es nur Wasser gab, aber der Gemütlichkeit hat das keinen Abbruch getan. Die Britin ist zu Besuch bei ihrem Label, um ein kleines Showcase zu spielen und über ihr neues Album „Drunk On A Flight“ zu sprechen, aber erst einmal müssen wir so wichtige Dinge erledigen wie die besten Webseiten zum Online-Klamotten-Shoppen austauschen. Und dann müssen wir noch über Tattoos, Pizzateig und das britische Lockdown-Trauma sprechen. Aber für einen kleinen Ausflug in Richtung Musik reicht es dann doch auch noch. 

Eloise widerspricht mir auch nicht, als ich sie, gerade einmal 23 Jahre alt, als musikalische „Old Soul“ bezeichne. Wer noch nicht weiß wie das klingt, dem sei „Drunk On A Flight“ ans Herz gelegt. Vom Soul inspirierte Songs voller Humor und cleverer Beobachtungsgabe, so warm und schmeichelnd wie, nun ja, der perfekte Pizzateig, zum Beispiel. 

Ich mag deine Tattoos.

Danke! Ich konnte es kaum erwarten, endlich 18 zu sein, damit ich mich tätowieren lassen konnte. Und dann habe ich es richtig krachen lassen (lacht). Ich glaube, ich habe mir fünf Tattoos innerhalb eines Jahres stechen lassen. Ich war wie besessen. Ich mag einfache Tattoos, kleine Motive, sparsame Linien. Oh Gott, aber ich liebe es so sehr, mich tätowieren zu lassen (lacht). Ich kann es mir nur nicht ständig leisten. Am Anfang bin ich einfach in irgendwelche Studios gegangen, aber wenn du dich länger damit beschäftigst, dann findest du bestimmte Künstler*innen, die einfach besser sind als andere und von denen du unbedingt etwas haben möchtest. Und das kostet dann. Ich habe mir während des Lockdowns ein Stick and Poke Kit besorgt. Damit habe ich mir das hier selbst gemacht.

Das hast du selbst gemacht? Das ist ehrlich gesagt ziemlich gut!

Oder? Ich finde es auch nicht so schlecht. Ehrlich gesagt war ich sogar betrunken, als ich es gemacht habe (lacht). Und habe es kopfüber spiegelverkehrt gestochen. Als wir aus dem Lockdown raus kamen habe ich allen erzählt, dass ich tätowiere. Jetzt sind all meine Freunde voll mit meinen hässlichen Tattoos! (lacht)

Wir haben während Corona die verrücktesten Sachen neu entdeckt, oder?

Pizzateig. Ich habe den ganzen Lockdown damit zugebracht, den perfekten Pizzateig zu entdecken und dabei sehr viel zugenommen (lacht). 

Und, hast du ihn gefunden?

Das habe ich! Er war so gut. Aber soll ich dir etwas Tragisches erzählen? Ich habe das Rezept wieder vergessen. Ich habe meinem Freund sogar einen Pizzaofen geschenkt… sowas Doofes. Aber so bin ich (lacht).Ich habe aber auch sehr viel Sport gemacht. Die ganze Zeit. Wenn man so feststeckt wie im Lockdown ist das Beste, so lang laufen zu gehen, bis man an gar nichts mehr denkt. Das ist wie Meditation. Weißt du was interessant ist? In London habe ich das Gefühl, dass niemand mehr über die Pandemie redet. Überhaut nicht. Während hier in Europa die Leute immer noch drüber sprechen. Vielleicht liegt es daran, dass die Einschränkungen hier länger galten als bei uns und es deshalb gefühlt noch nicht so lange her ist. Aber in London haben wir ein derartiges Trauma durchgemacht, dass heute niemand mehr drüber sprechen will. Wenn du nur „Lockdown“ oder „Pandemie“ sagst, wechseln alle das Thema. Vor allem für die Leute in meinem Alter war es so frustrierend. Ich bin während des Lockdowns 20, 21 und beinah 22 geworden. Das war ziemlich verrückt.

Ich verstehe was du meinst. Ich fand es schon nicht lustig, aber ich habe eine Tochter, die ist jetzt 17. Während der Pandemie war es noch okay, aber heute fragt sie sich ein bisschen, wo dieser Teil ihrer Jugend hin ist.

Genau das ist es. In dem Alter will man auf Reisen sein. Ich hätte eigentlich Musik rausbringen und auf Tour gehen sollen. Dann hat alles gestoppt. Der erste Lockdown war noch genau die Auszeit, die ich gebraucht habe, weil ich davor so lang auf Tour war. Aber der zweite… ich erinnere mich, als die Regeln langsam gelockert wurden. Ich wohnte damals mit Freunden zusammen und wir saßen am Fenster und konnten es nicht glauben, dass plötzlich das Café unten auf war und Leute auf der Straße standen. Wir sind los gerannt und haben uns richtig schick gemacht, bevor wir raus gegangen sind. Einfach nur, um neben anderen Menschen auf der Straße zu stehen und Kaffee zu trinken. Total verrückt. Ernsthaft, ich glaube der Grund, dass wir in England vergleichsweise schnell wieder aus dem Lockdown raus gekommen sind war, dass die Leute um ihre Pubs gekämpft haben (lacht). Ich weiß noch, es war Frühling und hat die ganze Zeit geregnet, und alle standen mit Regenschirm und Pint im Pub-Garten. 

Sam Fender hat einmal gesagt, dass er früher die meiste Inspiration für seine Songs dadurch bekommen hat, im Pub zu sitzen und den Leuten zuzuhören. Während des Lockdowns ging das nicht, also war man plötzlich gezwungen, in sich selbst hinein zu schauen.

Das ist so wahr. Zum Glück bin ich sehr introspektiv und schöpfe daraus die meiste Inspiration. Ich habe sehr viele Songs im Lockdown geschrieben. 

Das bist du. Ich mag es, wie du zwischenmenschliche Beziehungen untersuchst, wie clever und lustig du dabei bist. Und, ich hoffe du verstehst das nicht falsch, sowohl inhaltlich als musikalisch bist du ja eher eine „Old Soul“. 

Oh ja. Das bekomme ich oft gesagt. Ich bin mit sehr alter Musik aufgewachsen. Als Kind habe ich wahnsinnig gerne die alten Schwarzweiß-Musical-Filme geguckt. Gershwin, Stephen Sondheim und so waren meine Inspiration. Meine Texte beeinflusst das definitiv auch, die Künstler*innen, die mich heute inspirieren, haben ihre Texte damals ganz anders geschrieben. Weniger erzählend und faktenorientiert. Aber so bin ich einfach. Selbst in meiner Freundesgruppe bin ich immer die „Mum“ (lacht). Sie kommen zu mir und fragen mich um Rat. Dabei denke ich immer: hast du meine Musik gehört? Wenn ich von eins keine Ahnung habe, dann von Liebe (lacht). 

Wie bist du denn mit dieser Art von Musik in Berührung gekommen? Durch deine Eltern?

Ja. Meine Eltern sind beide Schauspieler. Aber meine Mutter ist auch Sängerin. Sie hat früher ständig Klavier gespielt, Billy Joel und Barry Manilow. Sie hat sich am Klavier die Seele aus dem Leib gesungen, sie hat eine unglaubliche Stimme und spielt wahnsinnig toll Klavier. Ich war einfach ständig um sie herum und habe sie nachgemacht. Ihr Vater war Jazztrompeter – ich komme insgesamt aus einer sehr musikalischen Familie. Es war schon immer klar, dass ich irgendwann ein Album machen werden. 

Ja? Wusstest du das für dich schon als Kind?

Ich glaube, ja. Ich meine, als kleines Kind wollte ich immer in Musicals sein. Ich wollte singen und schauspielern. Ehrlich gesagt hatte ich lange Zeit eine wirklich schreckliche Stimme. Es war so ein Mischmasch. Als ich drei Jahre alt war, sind wir nach Frankreich gezogen, als ich elf war zurück nach England. Ich hatte einen seltsamen Akzent und eine komische, nasale Stimme. Es klang wirklich schlimm. Ich habe meine Stimme erst gefunden, als ich zehn war. Niemand in meiner Familie hätte gedacht, dass ich einmal Sängerin werde. Alle dachten nur: Oh Gott, nein, sie kann überhaupt nicht singen. 

Entschuldige, ich musste gerade ein bisschen lachen. Zehn ist immer noch so jung!

(lacht) Ja, ja, ich weiß. Aber du kennst doch bestimmt diese kleinen Kinder, die mit sechs schon so unglaublich singen können. Ariana Grande zum Beispiel war schon immer großartig. Ich habe dagegen geklungen wie ein Blecheimer (lacht). Ernsthaft, es war wirklich, wirklich schlimm. Also habe ich Klavierunterricht genommen und dachte, das könnte ich später mal machen. Dann habe ich angefangen Songs zu schreiben und war nicht mehr zu stoppen. Es ist meine Leidenschaft. 

Das ist aber schon eine spezielle Leidenschaft als Kind, sich hinzusetzen und Songs zu schreiben. 

Ich meine, ich habe mich nie wirklich hingesetzt und Songs geschrieben. Ich bin raus gegangen, habe mir meine schicksten Kleider angezogen und die Ohrclips meiner Mutter und bin über die Felder gelaufen. Ich war die meiste Zeit in meiner eigenen Welt und habe mir meine Songs ständig nebenher ausgedacht. Ich habe mich nie hingesetzt um sie aufzuschreiben. Sie sind auf diese seltsame, altmodische Art aus mir raus gekommen. Als ich älter wurde dachte ich, ein paar von diesen Texten sind irgendwie ganz in Ordnung, vielleicht lohnt es sich, ihnen ein bisschen mehr Zeit zu widmen. Ich war schon immer sehr expressiv. 

Und ist das heute immer noch so, wenn du mit einem Song anfängst?

Irgendwie ja, tatsächlich. Manchmal höre ich, wie jemand etwas sagt und denke spontan, das ist eine tolle Zeile oder ein super Titel für einen Song. Auf meinem Album gibt es einen Song, der heißt „Friends Who Kiss“. Eine Freundin hat mir von jemandem erzählt, den sie mochte, mit dem sie aber nicht in einer Beziehung sein wollte. Sie hat zu ihm gesagt: „Let’s just be friends who kiss.“ Das habe ich gehört und fand es brilliant. Weil man es von beiden Seiten sehen kann: es ist entweder etwas Schönes, oder es ist traurig, weil man eigentlich richtig verliebt sein möchte. So fange ich manchmal an und füge nach und nach die Teile zusammen, die Akkorde, die Melodie… aber oft ist es immer noch so, dass mir etwas durch den Kopf schießt, wenn ich zum Park laufe… 

…oder zum Pub… 

Oder zum Pub! (lacht) Das stimmt tatsächlich. Ich habe so viele Sprachnotizen mit Ideen auf meinem Telefon, bei denen du im Hintergrund die Gläser klirren hörst. Ich schreibe nie etwas auf, ich mache mir immer nur Sprachnotizen. Ich habe dabei zwei Richtlinien: Wenn ich mich schnell und dauerhaft an einen Text erinnern kann, dann ist er richtig. Und wenn ich einen Tag einen Song schreibe und am nächsten Morgen direkt nach dem Aufwachen noch weiß wie er ging, dann lohnt es sich, daran weiterzuarbeiten. Das sind meine Regeln (lacht).

Okay, jetzt kriege ich ein Bild davon, wie der Pizzateig gestorben ist…

Richtig! (lacht) Ich habe das Rezept nicht aufgeschrieben. Das unterbricht einfach meinen Flow! Verdammt, du hast Recht… 

Eloise live:

04.06.2023 Berlin, Hole 44

Foto © Charlotte Patmore