Er kam, sah und sorgte für Aufmerksamkeit. Schon in meiner Jugend war ich großer Fan von David Hasselhoff. Ich liebte „Knight Rider“ und seine Songs – Kinder mögen eben leicht zugängliche Musik. Und vermutlich ist das große Poster mit dem halbnackten, nassen David, das an der Wand neben meinem Bett hing, schuld an meinem Hang zu Männern mit Brustbehaarung. Wer weiß das schon? Er war zumindest der erste Mann, den ich anhimmelte. In dem Höhepunkt meines Fanseins waren meine Familie und ich in den USA in den Universal Studios, wo man sich in K.I.T.T. rein setzen konnte, und ich habe es nicht getan. Keiner wollte mit und ich konnte noch kein Englisch. So war das. Das wollte ich nicht nochmal erleben.
Seit dem ist viel Zeit vergangen, viele Witze wurden über The Hoff gemacht, und als er dann besoffen einen Burger vom Fußboden aß, war ich schockiert. Er hat sich wieder aufgerappelt, das schaffen nicht viele. Respekt sollte man ihm dafür zollen. Dieses Wochenende waren tausende Leute bei der Berliner East Side Gallery um sich einen Spaß zu erlauben, und ich war mittendrin. Es gibt ein Credo nach dem ich mittlerweile lebe: “Man bereut nur die Dinge, die man nicht gemacht hat, obwohl man die Chance hatte.“ Oder anders: Einen Marsch mit David entlang der Mauer würde ich mir nicht entgehen lassen. Als Fan, als Kind in der Frau, nicht als Presse.
Ich war etwas zu früh da, rechtzeitig zu Davids Ankunft zur Pressekonferenz. Als er um die Ecke auf das Grundstück vom Yaam bog war es eher eine Vermutung, dass er irgendwo in diesem Pulk von Pressefotographen, Journalisten und Fans sein sollte. Und bevor ich es wusste, bewegte dieser sich auf mich zu. Ich blieb einfach wo ich war. Ein Fels in der Brandung, wenn man so will. Jahrelanges Training auf Konzerten hat mich auf diesen einem Moment vorbereitet: wie man sich in einer Masse von Leuten, in der sich jeder selbst der Nächste ist, vorschiebt, mitläuft und nebenbei Fotos macht. Keine zwei Meter waren zwischen uns. Das Gefühl von damals, als ich aufgeregt vor dem Fernseher saß um Davids Auftritt bei „Wetten Dass??“ zu sehen und meinen großen Bruder zur Ruhe nötigte, war kurzzeitig wieder da. Lächerlich mag das klingen, aber das Kind in sich zu bewahren, ist eine nicht zu unterschätzende Kunst.
Und dann kamen „die Alternativen“, die Leute, für die das alles eher ein Witz ist und spielten „Looking For Freedom“. Sie sind es allerdings auch, die ihn zum Kult erheben. Jahrzehnte langes witzeln darüber, dass er für den Mauerfall in 1989 verantwortlich sei, hat dazu geführt, dass man heute im Lego Discovery Center am Potsdamer Platz einen Knopf drückt, ein Lego David Hasselhoff anfängt „Looking For Freedom“ zu singen und die Mauer fällt. So ist das halt. Und jetzt setzt er sich dafür ein, dass das letzte bisschen bleibt, mit dem was er am besten kann: seiner persönlichen Präsenz vor Ort und dem entsprechenden internationalen Presserummel drumherum. Der Zweck heiligt die Mittel. Ich verstehe, wieso die Clubcommission jemanden einlädt, der sich so sehr für ihren Erhalt einsetzt – schon bevor er mit uns maschierte.
Berlin ist dafür bekannt sich alles kaputt zu machen, was toll und einzigartig ist. Als geborene Berlinerin verliert man da doch die Hoffnung, dass es mal anders sein könnte. Protestieren für den Erhalt der Mauer? Eher nicht, am Ende wird sie trotzdem weiter gelöchert. Wir kennen unsere Pappenheimer bereits. Da ist es gut, dass viele meiner zugezogenen Freunde anders sind. Sie waren schon bei der ersten Zusammenkunft dabei, um den Teilabriss zu verhindern. Das haben sie gut gemacht. Ich sollte mich schämen.
Es gibt ja Leute, die würden das letzte bisschen Mauer gerne fallen sehen. Für manch einen Ostberliner ist es nicht die schönste Erinnerung, aber man muss auch die düsteren Seiten der Geschichte im Gedächtnis behalten – nur allzu schnell vergessen die Leute wie es war. Es würde ja auch keiner auf die Idee kommen, das Haus der Wannseekonferenz in Privatbesitz umzuwandeln, weil es eine so schöne Lage direkt am Wannsee hat. Die East Side Gallery ist dabei wenigstens noch schön bunt, und wenn man sich die Bilder mal genau ansieht: sie regt auf ihre ganz eigene Art zum Nachdenken an.
Zurück zu The Hoff. Ich bin ihm noch einmal begegnet, nach der Pressekonferenz, als er vom Yaam zu seinem Marsch ging. Während die Pressekonferenz lief haben sich Tausende Leute vor dem Gelände des Yaams versammelt. Es war kaum noch ein durchkommen. Die Verantwortlichen wählten einen anderen Weg zur Straße, hinten herum, und zufällig sah ich ihn wieder. Der Pulk von Leuten, diesmal mit weniger Kameramännern, dafür mit mehr Autogrammjägern. Die Typen, die zehnmal das gleiche Foto in der Hand halten, um es dann zu verkaufen – ein durchaus egoistischer Verein. Und wieder ich der Fels in der Brandung, verheddern in Kabel von Leuten die weiter weg geschoben wurden und mit wandern. Polizei, die einem sagt man solle weitergehen, rückwärts in Richtung Straße und man selber nicht weiß wie. Man ist nur ein Teil des Ganzen, wo der Pulk sich hin schiebt, werde ich auch hin geschoben. Irgendwann standen wir uns gegenüber, David und ich, ohne jemand zwischen uns zu haben, er lächelte mich an und ich guckte schüchtern weg. Das kleine Mädchen in der Frau. Er stimmte kurz „Looking For Freedom“ an, ich sang mit. Wir haben im Chor gesungen. Ich habe schon viel schlechtere Sänger gehört. Dann ging es weiter in Richtung Mauer, die falsche Mauer, aber eine Mauer. Ein Mädchen neben mir bekam Panik wegen der Kombination aus wenig Luft und vielen Leuten. Sie wurde raus geschoben. Ich stand gefühlte 10 Minuten neben David, während er mit dem Rücken gepresst an die Mauer das Spektakel um seine Person mit dem Handy filmte. Ich beobachtete ihn und sein breites Lächeln. Wer schafft es schon, so viele Menschen zu mobilisieren und dabei noch so Volksnah zu wirken? Mittendrin statt nur dabei, mehr als leere Phrasen in irgendeinem Interview. Nein, er ist gekommen und hat geholfen.
Irgendwann war ich dann auch kurz vor der Panik. Tausend Leute von allen Seiten, kaum Platz um die Brust zum Atmen anzuheben, die Angst man könnte stolpern, rückwärts hinfallen und alle auf einen drauf – ist mir schon passiert und es war nicht schön. Ich gab den Pulk wieder auf, gepresst an die Mauer ließ ich sie vorbeiziehen, meine Hände zitterten vor Panik und nicht vor Aufregung. An der Mauer lehnend verfolgte ich wie er in den gelben Bus stieg, sich feiern ließ und immer wieder die gleichen Sätze sagte. Aber was will man da auch stundenlang erzählen? Die Masse sang jedenfalls mit, wenn er zu einem Liedchen anstimmte. Irgendwie war es schon toll.
Am Ende ist es wohl wie bei einer Geburt: Das Schlimme vergisst man und erinnert sich nur noch an das Gute. David hat mich angelächelt. Das war es wert. Und die eigentliche Thema wurde wieder belebt. Das freut mich auch. In einer so schnelllebigen Zeit, nimmt man wen man kriegen kann um sich die Aufmerksamkeit zu sichern und mit David schließt sich wenigstens der Kreis mit der Mauer. Es wirkt ehrlich, wenn er sich dafür einsetzt. Bleibt nur noch zu sagen: David, ick find dir knorke. Danke, dass du das machst, wozu ich nicht in der Lage war.
War dabei und hat fotografiert: Dörte Heilewelt
https://www.davidhasselhoff.com/