Da stand sie gefühlt für einen Moment still, die Pandemie. Im zwar auf Abstand gesetzten, aber doch üppig gefüllten Admiralspalast präsentiert Depeche Mode Frontmann Dave Gahan in Berlin sein neues Soloalbum „Imposter“, gemeinsam mit seiner Band Soulsavers, den treuen Begleiter*innen seiner Solopfade. Vielleicht liegt es auch an der Energie des Publikums, dass die Stimmung im Saal sich trotz Masken und fest zugewiesenem Sitzplatz mit Abstand zwischen den einzelnen Gruppen überhaupt nicht nach einer Pandemie gerechten Show anfühlt. Die Fans, die die Tickets für dieses besondere, exklusive Deutschlandkonzert nur gewinnen konnten, feiern Dave Gahan von dem Moment an, als er im schwarz glänzenden Ensemble die Bühne betritt. Im Rahmen der Telekom Street Gigs präsentiert er das Album chronologisch und in voller Länge, vom erstmals 1967 von James Carr aufgenommenen Soul-Klassiker“ Dark End Of The Street“ bis hin zu „Always On My Mind“, dem Elvis Presley einst zu Weltruhm verhalft. Dazwischen folgt ein musikalischer Ritt durch die verschiedensten Genre, Gahan covert Bob Dylan, Cat Power, Neil Young und PJ Harvey und fügt seine Versionen bereits vielfach interpretierter Klassiker wie das aus der Feder von Charlie Chaplin stammende „Smile“ hinzu. Letzteres ist an diesem Abend ein wahrer Höhepunkt, Gahans Freude an dem Stück ist bin in die hintersten Reihen greifbar. Durch seine Stimme und die Arrangements der Soulsavers bekommen alle Songs etwas ganz Eigenständiges, sodass es kaum mehr eine Rolle spielt, von dem sie ursprünglich stammen. Dave Gahan hat sie sich voll und ganz zueigen gemacht
Und auch sonst gibt er auf der Bühne alles. Vor einem schlichten, aber effektvollen roten Vorhang legt Gahan sowohl stimmlich als auch körperlich all sein Herzblut in die Performance. „Imposter“ ist ein Projekt der Leidenschaft für ihn, das spürt man, und das überträgt sich mühelos aufs Publikum. Trotz des durchweg eher getragenen Tempos, reißt es die meisten schon bei den ersten Tönen von den Sitzen – wieder hin setzen mag sich danach kaum mehr jemand. Die unglaubliche Stimmung ist zum einen der Verehrung zu verdanken, die Gahan spürbar zuteil wird, zum anderen dem durch die Pandemie verursachten Hunger nach Momenten wie diesen. Zusammen mit der fast schon sakralen Wirkung, die Gahan, Soulsavers und „Impostor“ miteinander erzeugen, entsteht eine nahezu magische Atmosphäre.
Als ganz zum Schluss der rote Vorhang fällt, einem gleißend weißen weicht und Gahan und Band die beiden Depeche Mode Stücke „Personal Jesus“ und „John The Revelator“ anstimmen, kocht die Stimmung erwartungsgemäß über. Der Balkon des Admiralspalast wackelt buchstäblich, man sorgt sich fast, ob er der Wucht dieser tobenden Menge standhalten wird. Und trotzdem bleibt am Ende das schöne Gefühl zurück, dass hier im gleichen Maße der Teil seiner Karriere, mit dem Dave Gahan es in den 1980er Jahren zu Weltruhm brachte, als auch seine aktuelle musikalische Leidenschaft gewürdigt wurde. In höchsten Maße fit wirkt der 59-jährige, ganz nebenbei bemerkt. Jeder Ton sitzt, und auch den Hüftschwung muss ihm erst einmal jemand nachmachen. Und glücklich – nicht nur die Fans beenden diesen Abend mit einem seligen Lächeln.