Big Deal im Interview

Alice Costelloe und Kacey Underwood sind übersättigt. Im Verlaufe des Interviewtages haben sie sich nur von Süßigkeiten ernährt. Von Katzenzungen über Gummibärchen war alles dabei. Nun ist dem Duo übel und sie wollen nicht mehr an dieses Gelage erinnert werden. Viel lieber möchten sie über Musik sprechen. Denn das neue Album von Big Deal steht in den Startlöchern. „June Gloom“ heißt das Werk und der darauf eingeschlagene Weg ist ein deutlich lauterer. Denn sie sind zu einer Band herangewachsen und erschufen mithilfe des „Veronica Falls“-Produzenten Rory Atwell ein echtes Rockalbum.

Was war der erste Punkt auf der Tagesordnung nach der Beendigung der Tour zu „Lights Out“?

Alice: Wir wollten sofort das nächste Album schreiben.

Kacey: Diesmal wollten wir es noch besser machen. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir Urlaub verdienen.

Alice: Unser Label hat uns dabei zu nichts gedrängt. Allein wir setzten uns das Ziel, bis Ende 2012 ein neues Album geschrieben und fertig aufgenommen zu haben. Wir sind auch wirklich im November fertig gewesen und danach haben wir uns total gelangweilt.

Ruhe könnt ihr nicht genießen?

Alice: Um Ruhe genießen zu können, müssten wir mehr Erfolg haben.

Kacey: Arbeit ist eh besser als Urlaub.

Ihr klingt wie zukünftige Burnout-Patienten.

Alice: (lacht) Dafür arbeiten wir nicht hart genug. Wir schreiben immer ein bisschen, schauen dann einen Cartoon, holen uns etwas zu Essen,…

Kacey: …gehen raus und spielen Frisbee. Es gibt also definitiv Leute, die härter arbeiten und dadurch aber sicher auch etwas von ihrer Energie einbüßen müssen.

Mit wie viel Konzept geht ihr an die Arbeit?

Alice: Es sollte nicht wie das erste Album klingen und trotzdem wollten wir unsere Art und Weise der Zusammenarbeit beibehalten. Es anders klingen zu lassen, war also das Konzept. Ansonsten haben wir ein sehr breites Spektrum an Themen auf diesem Album. In den Songs geht es um unterschiedlichste Dinge. Zum Beispiel um das Universum, Menschen… Ich bin nicht sehr gut darin solche Dinge zu beschreiben.

Kacey: (lacht) Ernsthaft?

Alice: Hm, manchmal kann man schon das Gefühl bekommen, dass wir die Texte gar nicht selbst schreiben.

Kacey: Ich kann mich nie daran erinnern wie ich einen Song schreibe. Das ist so eine komische Sache. Ich erinnere mich höchstens daran wie ich irgendwo hingehe, um zu schreiben. Aber der Akt des Schreibens gerät in Vergessenheit.

Wohin habt ihr euch begeben, um kreativ zu werden? 

Alice: Als wir noch ungefähr fünf Songs entfernt von der Fertigstellung des Albums waren, sind wir auf’s Land gefahren. Das war so verrückt! Drum herum war rein gar nichts, nur Stille. Wir glaubten sogar, dass dort ein Serienkiller sein Unwesen treibt und uns umbringen will. Kacey hörte nämlich Geräusche in den Büschen vor dem Haus und rief daraufhin draußen, ob da jemand sei. Niemand antwortete, doch Kacey konnte jemanden atmen hören. Das hat mir total Angst gemacht. Kacey versicherte mir zwar, dass alles in Ordnung sei, aber er suchte sich währenddessen ein Messer… Ich war völlig fertig. Wir besaßen nicht einmal ein Auto, weil man uns dort nur rausgelassen hatte. Als wir dann versuchten zu schlafen, flogen auch noch Helikopter über’s Haus. Da konnten wir natürlich nicht schlafen. Wir haben uns also zusammengekauert und ganz viel an den Songs gearbeitet. In der Zeit haben wir das Album fertig gestellt.

Kacey: Nur für den Fall fertigten wir auch Demos von den Songs an.

Alice: Ja, falls wir es da nicht lebend rausschaffen. (lacht)

Apropos Angst: als das erste Konzert in diesem Jahr vor der Tür stand, hatte Alice plötzlich keine Stimme mehr. Wie seid ihr damit umgegangen?

Alice: Wir haben im Internet nach Heilungsmöglichkeiten geschaut, die innerhalb von 24 Stunden ihre Wirkung zeigen. Also habe ich ungefähr 10 Löffel Honig zu mir genommen, viel Knoblauch gegessen, habe mit Salzwasser gegurgelt und Essig und Hustenmedizin getrunken. Aber am Ende half am besten der Whiskey, den mir meine Mutter mitbrachte. Kurz bevor wir auf die Bühne gegangen sind, trank ich den Whiskey und dann ging alles gut. Es war großartig wieder auf der Bühne zu stehen.

Kacey: Du warst so betrunken! (lacht) Es war wie in einer Reality TV Show als ich mit ansehen musste wie du all diese ekligen Sachen gegessen und getrunken hast. Es haben nur noch Grillen gefehlt.

Alice: Ich hatte solche Panik, dass ich beim Konzert möglicherweise nicht singen könnte. Ich habe aber auch ständig davor Angst, dass meine Gitarre auf der Bühne zerbricht. Da bin ich sehr paranoid.

Ist der Sound wichtiger als der Gesang?

Alice: Beides ist ziemlich wichtig.

Kacey: Für mich kommt die Musik zuerst. Wenn ich ein neues Lied höre, horche ich nicht auf die Worte. Mir ist das Gefühl wichtig, welches mir der Song vermittelt.

Alice: Kacey achtet auch auf interessante Akkordfolgen. Ich bin da leichter zufrieden zu stellen, weil ich bei einem guten Text nicht so viel über den Rest nachdenke.

Zu Beginn eurer Musikerkarriere hattet ihr Angst vor den Konzerten aufgrund eurer persönlichen Texte. Hat sich dieses Gefühl mit der Zeit verändert?

Alice: Wir haben uns daran gewöhnt. Aber natürlich ist es immer schwer Texte zu singen, die man selbst geschrieben hat.

Kacey: Zu zweit in einer Band zu sein, ist hart. Auf einer Bühne nimmt man eine sehr exponierte Stellung ein. In einer größeren Band gäbe es dagegen mehr, wo hinter man sich verstecken könnte. Der Druck, den man als Duo auf der Bühne zu spüren bekommt, ist massiv. Aber wir haben mit der Zeit gelernt, dass die Nervosität vergeht. Egal, ob die Leute unsere Musik mögen oder nicht. Egal, ob man uns anschreit oder beschimpft. Wir werden es überleben.

Alice: Dadurch, dass wir jetzt genau das Album gemacht haben, das wir selbst haben wollten, müssen wir nicht mehr ängstlich in Bezug darauf sein, was die Leute davon halten.

Kacey: Wir sind um einiges besser im Musik machen als in dem hier… Das ist immer noch schwer.

Alice: Was? Sprechen? Worte?

Kacey: Ja genau. Mit dem Arbeiten an Musik verbringt man so viel Zeit, das es das Normalste auf der Welt wird. Interviews geben ist dagegen wie Jonglieren.

Alice: Ich bin sehr gut im Jonglieren.

Kacey: Du bist auch in Interviews sehr gut.

Es geht doch eigentlich nur darum einen Eindruck von dem zu bekommen, was in euren Köpfen vorgeht. Daraus sollte kein Druck entstehen.

Kacey: Das ist ein schöner Ansatz. Ich mache mir oft Gedanken darüber wie es bei Musikern zu diesem und jenem Song gekommen sein mag. Auch wenn ich selbst in einer Band bin, erscheint es mir wie pure Magie. Unsere Songs entwickelten sich jedenfalls aus einer Freundschaft heraus. Aus der Möglichkeit mit einander reden zu können.

Alice: Und wir werden immer besser darin.

Kacey: Als wir an unserem ersten Album gearbeitet haben, schrieb noch jeder für sich an seinem Teil. Jetzt erzählen wir einander von unseren Gedanken, die uns nicht mehr los lassen, und versuchen daraus gemeinsam etwas zu entwickeln. Durch unsere Musik können wir uns besser fühlen. Deshalb wollen wir auch unbedingt weiter machen. Musik hilft uns über etwas hinwegzukommen, was uns zuvor unzufrieden oder unglücklich zurück gelassen hat. „Golden Light“ und „Dream Machine“ sind dafür gute Beispiele.

Alice: Ja, „Golden Light“. Kacey und ich hatten immer wieder diese Gespräche über das Universum und fanden es sehr beängstigend allein darüber nachzudenken. Das Universum ist so unglaublich groß und wir sind darin nur so klein. Ich weiß, das klingt kitschig. Aber es hat uns ganz verrückt gemacht.

Kacey: Wir würden am liebsten einen Schritt aus der modernen Welt heraus machen und wie Eremiten leben. Dieser Wunsch ist mehrmals auf unserem Album zu finden.

Alice: Als Kind hat mir auch der Tod wahnsinnige Angst gemacht. Aber das ist das Gute mit diesem Album: man kann zwar nichts an der Situation ändern, ich verstehe das Universum und unseren Platz darin nicht, aber es wenigstens aussprechen zu können, hilft.

Seid ihr religiös?

Kacey: Nicht wirklich. Ich bin super religiös aufgewachsen, was ich nicht sehr hilfreich fand.

Alice: Es hat dich nicht weniger das Universum fürchten lassen, sondern dir nur Angst eingeflößt in einem Höllenfeuer zu sterben. Keine wirkliche Beruhigung, oder?

Kacey: Die meisten Religionen arbeiten doch mit Angst. Sie ängstigen die Menschen in den Glauben hinein. Meiner Meinung ein sehr dunkler, destruktiver Weg um etwas zu erreichen, was eigentlich eine ziemlich schöne Art von Geist, Hoffnung und Vertrauen sein sollte.

Ihr habt optimistischere Ansätze zum Leben?

Alice: Zumindest versuchen wir es. Wir sagen uns immer wieder: positiv sein! Aber es ist schwer, wenn der Beruf, den man ausübt ins Wanken gerät, weil die Musikindustrie auseinanderfällt und deshalb alles weniger Sinn macht. Es gibt eine Menge Probleme, doch wir versuchen den positiv nach vorne gerichteten Blick beizubehalten. Denn es ist so wie mit dem Universum – wenn man über die Musikindustrie zu viel nachdenkt, wird man verrückt. Zum Glück sind wir bei einem Label, welches uns alle möglichen Freiheiten gibt, um kreativ zu sein.

Kacey: Ich würde mich nie über unsere derzeitige Situation beschweren wollen. Ich fühle mich eher ein bisschen schuldig, weil dafür bezahlt wird, dass wir hier sein dürfen. Und wir sind glücklich darüber und wollen auch etwas zurückgeben. Wir wollen andere von unserer Musik überzeugen. Was schwierig ist, denn oftmals mögen wir Musik, welche die meisten Menschen nicht gut finden. Das war schon früher so. Wenn es dann doch mal der Fall ist, dass man nicht allein mit seiner Meinung da steht, kann man sich für einen Moment weniger einsam fühlen. Wir sind nämlich nicht so sozial, sondern eher introvertiert.

Auf eurem Facebook-Profil seid ihr recht kommunikativ.

Kacey: Ja, das mag ich auch. Früher konnte man sich nur auf Konzerten mit den Fans unterhalten. Bevor ich selbst in Bands tätig wurde, habe ich das auch gemacht. Ich liebe das! Und nun kriegt man auch durch das Internet ein bisschen von solch einer Dynamik zustande.

Alice: Stimmt. Wenn wir Sachen posten und die Leute darauf reagieren, ist es toll zu merken, dass sie alle so intelligent und lieb sind.

Kacey: Vor kurzem bekamen wir sogar einen total schönen Brief von einem Mädchen zugeschickt. Woraufhin wir eine dreiseitige Antwort verfassten. Aber leider hat sie den nie bekommen, weil er unterwegs verloren ging…

Alice: Das war wirklich traurig. Denn sie fragte uns darin auch um Rat in Bezug auf einen Jungen, in den sie sich verliebt hat. Ihrer Meinung nach wäre er der Richtige für sie, da er auch Big Deal mag. Die Vorstellung, das wir einen Anteil an ihrer ersten Beziehung haben könnten, war so schön!

Wen habt ihr früher in solchen Angelegenheiten um Rat gefragt?

Alice: Ich habe zwei ältere Schwestern. Die mussten mir immer erklären wie man cool ist und was ich tragen und sagen sollte. Selbst heute trage ich die Kleidung meiner Schwestern.

Kacey: Ich habe einen älteren Bruder. Jeder liebte ihn. Aber ich konnte nicht über solche Sachen mit ihm sprechen. Das funktionierte einfach nicht. Aber ich habe viel von seinem Musikgeschmack übernommen.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg