Betterov im Interview: „…dass alles gut so ist, wie es ist.“

Betterov und seine Musik zu beschreiben, ist gar nicht mal so einfach. Eher das Gegenteil. Er und alles, was er produziert wirken wie ein großer Komplex. Jedoch ein Komplex, auf den man sich definitiv einlassen sollte. Betterovs Musik ist keine leichte Kost. Es geht um Themen wie Mental Health, Leistungsdruck und Erwachsenwerden. So auch in seinem Debütalbum, welches heute, am 14.10.22, erschienen ist. 

„Olympia“ heißt es und beweist mal wieder, welch ein kreatives Genie sich hinter dem Künstlernamen Betterov versteckt. Über zwei Jahre lang hat er an diesem Album während der Pandemie gearbeitet. Er erzählt darauf Geschichten, mit denen sich wahrscheinlich viele von uns identifizieren können. Geschichten, bei denen wir alle mitfühlen können.

Ich habe mich einen Tag vor Release über Zoom mit dem 28 Jährigen Musiker getroffen, um mit ihm über „Olympia“, seinen Songwriting Prozess, Berlin, das Tourleben und die großen Probleme unserer Generation zu sprechen.

Schön, dass du dir heute an diesem wahrscheinlich ziemlich stressigen Tag nochmal die Zeit genommen hast. Morgen kommt nämlich dein Debüt Album „Olympia“ raus. Wie fühlst du dich, bzw. wie aufgeregt bist du?

Ja, ich bin sehr aufgeregt. Also schon wirklich sehr aufgeregt.

Du veröffentlichst jetzt seit circa drei Jahren unter dem Namen Betterov Musik. Warum war ausgerechnet jetzt der Zeitpunkt für dein Debüt gekommen?

Wirklich sehr gute Frage. Die hab‘ ich mir auch noch nicht gestellt. Ich hatte einfach das Gefühl, ich hab‘ jetzt alles beisammen, was ich gerne sagen möchte. Das ist es glaub’ ich. Ich fand, der Zeitpunkt war reif, um das alles herauszulassen in die Welt.

Du hast ja bereits eine EP veröffentlicht und mehrere Singles, aber so ein Album ist nochmal ein größerer Schritt. Gab es irgendwelche Dinge, die du anders erwartet hättest, oder wo du vielleicht auch noch etwas Neues gelernt hast?

Ich hab‘ total viel gelernt. Das ist aber alles noch ganz nah. Wenn wir das Gespräch in zwei Jahren führen, kann ich dir bestimmte einige Lehren aufzeichnen. Eigentlich ist alles exakt so geworden, wie ich mir das vorgestellt habe. Deswegen bin ich auch so glücklich, weil natürlich nicht nur die Musik zu dem Album zählt. Zumindest bei mir nicht. Sondern auch das ganze Visuelle, also die Fotos, das Artwork, das Inlay, was auf dem Cover drauf ist, bis hin zu den Videos. Das ist mir auch immer super wichtig, das alles mitzugestalten und über die visuelle Welt meine Musik noch ein Stückchen weiter erzählen zu können. Das ist alles exakt so geworden, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich freue mich einfach total und könnte jetzt keine großen Lehren ziehen, was ich beim nächsten Mal anders machen würde. 

Aber das ist doch auch schön. Wenn einmal alles einfach läuft. 

Das ist total schön. Das ist der Optimalzustand.

Was immer wieder bei dir gelobt wird ist, zu Recht, dein Songwriting. Wie kann ich mir deinen Songwriting Prozess allgemein, aber vor allem auch in Bezug auf dieses Album vorstellen?

Da gibt es gar nicht so ein Schema F, wo ich einfach sagen kann: So geht das. Prinzipiell ist es so, dass ich sehr viel beobachte, viel schaue und mir viel erzählen lasse. Manchmal passiert es auch, dass ich aus so kleinen Dingen, die so rechts und links vom Wegesrand liegen, Songs schreibe. Manchmal sagt auch jemand was Doofes und dann denke ich, dass das irgendwie spannend wäre, darüber ’nen Song zu schreiben. Ich schreibe ganz viel Unterwegs auf. Ganz, ganz viel davon hebe ich auch nie wieder auf, von dem, was ich da aufschreibe, aber manchmal sind Sachen dabei, die irgendwie kleben bleiben und die dann irgendwann zu Songs werden. Das ist so die textliche Ebene und sonst hab‘ ich Zuhause hier so ein ganz kleines… „Home-Studio“ will ich’s eigentlich schon fast gar nicht nennen. Es ist wirklich ganz, ganz minimalistisch. Es gibt ein paar Gitarren, es gibt ’nen Bass, es gibt ein Klavier, also ein digitales Klavier, ein Gesangsmikro und das war’s auch schon. Das reicht eigentlich schon, um alles so zu schreiben, wie ich das gerne hätte. Ich setze total drauf, wenn ich Zuhause irgendwas mache, dass ich wirklich ’nen ganz kleinen Werkzeugkoffer benutze, weil ich das Gefühl habe, wenn man zu viele Möglichkeiten hat, dann wird man oft ein bisschen unkreativ.

Das Album heißt „Olympia“ und ist nicht bloß eine Aneinanderreihung von Songs, sondern da steckt etwas dahinter. Es gibt ein Intro und ein Outro und allgemein ein Konzept. Woher kommt die Idee, dein Debütalbum um eines der wichtigsten Sportereignisse der Welt aufzubauen?

Das Thema „Olympia“ leitete sich erstmal von dem Song ab, der „Olympia“ heißt und auch auf dem Album ist. Der Song beschreibt eine sehr schwere Phase, wo man wirklich lethargisch Zuhause rumliegt, nichts mehr tun kann und in so ’ner YouTube Bubble festhängt, wo man dann im Autoplay sich einfach Videos anschaut und die Zeit verstreichen lässt. Irgendwann hängt man dann in einer Bubble mit alten Sportvideos, wo Menschen einfach in 47 Sekunden 100 Meter schwimmen und ihr ganzes Leben verändern, ’nen Rekord aufstellen, also eigentlich die Welt verändern. Man selbst liegt aber seit fünf Stunden nur herum und die Diskrepanz zwischen dem, was auf dem Bildschirm passiert und dem, was vor dem Bildschirm passiert: Darum geht’s in dem Song. An dem Thema bin ich irgendwie kleben geblieben, dass ich irgendwann dachte: Es steckt so viel drin. Da geht es um Druck, um Leistungsdruck, aber auch, wenn man das in ’nem gesunden Maße hat, dann kann das auch zu ganz großen Glück, Ausgewogenheit und Gesundheit führen. Das kann auch große Glücksmomente hervorrufen und das steckt alles in diesem einen Begriff drin. Deswegen dachte ich irgendwann einfach: Das ist der Albumtitel. 

Was mir beim Hören des Albums aufgefallen ist, ist, dass es inhaltlich sehr viel um Schnelllebigkeit und Rastlosigkeit geht. Das passt natürlich auch zum Thema Olympia. Ich finde, damit hast du ziemlich den Nerv unserer Generation getroffen. War das beabsichtigt?

Ich hab‘ einfach versucht, Dinge zu beschreiben. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Leute sich dazu was vorstellen könnten und ähnliches beobachtet haben und deswegen vielleicht ’ne Beziehung zu den Songs haben. So kann ich’s mir erklären.

Ich habe ein wenig recherchiert und habe herausgefunden, dass du eigentlich vom Theater kommst und auch Schauspiel studiert hast. Hat das immer noch einen Einfluss auf dich als Musiker?

Ja, würde ich schon sagen. Ich habe in dem Studium wahnsinnig viel gelernt über Texte, über den Umgang mit Texten, wie man Texte spielt, aber auch wie Spannung entsteht, in welchem Medium auch immer, sei es Text oder Schauspiel. Ich habe einen wahnsinnig gesunden Überblick über Kunst bekommen, wie Kunst funktionieren könnte, was Spannung erzeugt und was nicht und dafür bin ich wahnsinnig dankbar. Das fließt alles noch wirklich oft in ganz viele Bereiche ein. Gerade beim Schauspiel ist es auch so, da kann man nichts umsonst gemacht haben. Also alles, was man irgendwann mal gemacht hat, sei es der Kassiererjob oder das Praktikum in der Landwirtschaft. Was auch immer es ist, man kann alles ab nem gewissen Zeitpunkt, irgendwann mal gebrauchen. Ich hab‘ noch nie in meinem Leben, in dieser Kunst, irgendwas nicht gebraucht. Das ist total schön, weil alles irgendwie geht. Das genieß’ ich total, dass ich in so ’nem Zustand bin, wenn ich Musik schreibe. Das fließt also wirklich noch sehr viel ein. Bei den Videos natürlich auch. 

Du bist damals dafür ja auch nach Berlin gegangen, oder?

Genau, ich bin deshalb hierhergekommen. Ich hätte das auch in Salzburg studieren können und bin dann aber doch nach Berlin gegangen. 

Was war da der ausschlaggebende Punkt für dich?

Dass es in Berlin einfach so viele Häuser gibt, wo man täglich sich Theater anschauen kann, wo so viele unfassbar talentierte Schauspieler und Schauspielerinnen sind, die man sich anschauen kann. Das war damals der Grund für mich. 

Wir hatten’s jetzt schon sehr viel von Schnelllebigkeit. Berlin ist ja auch einfach eine sehr schnelllebige Stadt. Was tust du, wenn du mal auf den Pause Knopf drücken musst?

Was tue ich dann? Das ist wirklich eine sehr gute Frage. Berlin ist Gott sei Dank ja ziemlich vielfältig. Man kann dem Trubel auch gut mal entfliehen. Es gibt hier sehr viele Wälder und Brandenburg drumherum. Da kann man gut hingehen, wenn man mal zu viel Mensch gesehen hat und man gerne mal allein sein möchte oder irgendwie in der Natur sein möchte. Das ist so ein bisschen mein Reset-Knopf. 

Du hast vorhin, als wir über den Song „Olympia“ gesprochen haben, von einer Abwärtsspirale erzählt. Das ganze Album wirkt unglaublich persönlich. Mit welchen Gedanken gehst du da in den Release rein? Was macht das mit dir, dass du dich jetzt vor so vielen Menschen öffnest?

Ja, das ist total richtig, was du sagst. Das ist ein sehr persönliches Album, umso spannender schaue ich irgendwie auch auf morgen. Ich muss sagen, nicht, dass ich in irgendeiner Form abgebrüht wäre, aber ich hab das natürlich im Schauspielstudium schon viel gemacht, also sich öffnen und seine Wunden zeigen. Deswegen kenn‘ ich diesen Zustand schon. Ich mach’ das nicht zum ersten Mal durch, aber das macht mich nicht unaufgeregter. Das ist einfach spannend. Ich bin wahnsinnig aufgeregt. 

Machst du etwas schönes um den Release zu feiern?

Ja, ich feier‘ (lacht)… mit ein bisschen Essen, Trinken und mach‘ ein kleines Get-Together, wie man sagt. 

Wenn die Leute eine Sache mitnehmen sollen, wenn sie Olympia hören, was wäre das?

Dass alles gut so ist, wie es ist. Das kann ich gut und bündig beantworten. 

Du gehst ja bald auf eine wirklich große Tour. Bist du ein Fan vom Tourleben? Diesen Sommer hast du ja schon etwas geübt.

Total, ich mag das total gerne. Mich hat eigentlich eher die Zeit genervt, in der ich Zuhause war. Ich hab das total Lust drauf und ich genieße das. Das ist ein sehr angenehmer Ausnahmezustand. Man hat irgendwie einen komplett anderen Tagesablauf als der Rest der Welt. Man ist komplett abgekapselt. Man fährt in irgendeine Stadt, in der man ein Konzert spielt. Man isst jeden Tag dasselbe. Beim Hotelfrühstück gibt es immer einen Käse mit Loch und einen Käse ohne Loch. Das sind die zwei Auswahlmöglichkeiten, die man hat. Man erlebt einfach total lustige Sachen. Man lernt tausend Leute kennen. Es ist wirklich absolut absurd, wie viele Menschen man kennenlernt, wenn man auf Tour geht. Man sieht andere Städte. Man kommt mit super vielen Leuten in Kontakt. Seien das irgendwie die Techniker:innen vor Ort, oder die Menschen am Merch dann später oder nach dem Konzert. Das ist alles total schön. 

Wie würdest du denn deine Konzerte beschreiben, womit muss/darf man rechnen?

Ich will noch gar nicht zu viel verraten, aber ich komme jetzt auch gerade von den Tourproben. Ich finde, wir haben ein sehr spannendes Set erarbeitet, wo man sich natürlich auf Songs vom Album freuen darf, es ist ja nun mal die Tour zum Album, aber auch viele „alte“ Songs. 

Du hast in einem Interview mal erzählt, dass im Auto deines Vaters als du Kind warst, die Bruce Springsteen Greatest Hits Kassette stecken geblieben ist und ihr dann nur noch die hören konntet. Wenn dir das jetzt im Tourbus nochmal passieren würde, welches Album würdest du dir da wünschen?

Boah, das wäre wahrscheinlich… „Frantic“ von Metallica. Wir hören immer viel Metallica auf Tour. 

Das hört sich nach ’ner guten Zeit im Tourbus an. Ich wünsche dir viel Spaß auf Tour und natürlich einen wundervollen Release morgen.

Danke dir. 

Foto © Rebecca Kraemer