Berlinale 2019: „Ich fühle mich selber manchmal wie ein Zombie“

Regisseur Makoto Nagahisa und Hauptdarsteller Keita Ninomiya im Interview zum Generation-Beitrag „We Are Little Zombies“.

Vier Jugendliche verlieren auf einen Schlag ihre Eltern. Sie lernen sich im Krematorium kennen und beobachten gemeinsam, wie ihre Eltern als Rauch in den Himmel aufsteigen. Schließlich stellen Hikari, Ikuko, Ishi und Takemura fest dass sie, verglichen mit ihrem bisherigen Leben, ohne Eltern auch nicht schlechter dran sind und beschließen, sich ab sofort zusammen zu tun. Alles was sie dazu brauchen ist eine Handheld-Konsole, ein alter E-Bass und ein verkohlter Wok. Denn statt zur Schule zu gehen, kann man ja auch einfach eine Band gründen und Japans nächste große Popsensation werden. Makoto Nagahisas Langfilmdebüt „We Are Litte Zombies“ ist auf der Berlinale in der Sektion Generation 14plus zu sehen. Er ist absurd, witzig, rührend, voller verrückten Ideen, schrägen Bildern, popkulturellen Referenzen und toller Musik.
Regisseur Makoto Nagahisa und Hauptdarsteller Keita Ninomiya sind zur Berlinale angereist um den Film zu präsentieren. Ich hatte die Gelegenheit, mich mit beiden zu unterhalten und am Rande damit anzugeben, dass ich weiß wie man auf japanisch nach der nächsten Toilette fragt. Beim Rest der Konversation hat uns zum Glück eine Übersetzerin geholfen.

Wie gefällt es euch beiden in Berlin?

Keita: Ich finde es vor allem sehr kalt hier (lacht).

Seid ihr beide zum ersten Mal hier?

Makoto: Ja, sind wir. Letzte Woche waren wie beim Sundance Festival, da war es aber noch viel kälter.

Ich habe „We Are Little Zombies“ natürlich gesehen und muss sagen, ich bin großer Fan davon. Dann habe ich auch deinen ersten Kurzfilm gesehen, Makoto, „And Then We Put Goldfish In The Pool“ und mir ist aufgefallen, dass auch dort bereits das Thema, sich wie ein Zombie zu fühlen, vorkommt. Hattest du zum damaligen Zeitpunkt schon die Idee zum Film?

Makoto: Nein, als ich den „Goldfish“ Film gedreht habe, war die Idee noch nicht in meinem Kopf. Sie ist mir vor ungefähr zwei Jahren gekommen, als ich in einem Park spazieren gegangen bin. Ich fühle mich selber oft wie ein Zombie, ich denke deshalb kommt es in beiden Filmen vor.

Und wie ist Keita dazu gekommen, die Hauptrolle zu spielen? Wie habt ihr euch kennengelernt?

Makoto: Ich habe Keita bereits auf der Leinwand gesehen und mir hat seine Art zu spielen sehr gefallen. Als wir mit den Castings für „We Are Little Zombies“ angefangen haben, haben wir uns getroffen und ich fand sofort, dass er perfekt auf die Rolle des Hikari passt. Er hat genau die Naivität und die sanften Augen die ich mir vorgestellt habe und seine Art zu sprechen war auch genau richtig.

Keita, was hast du gedacht als du gehört hast worum es in dem Film geht? Vier Kinder, die gleichzeitig ihre Eltern verlieren, das klingt ja ganz schön verrückt.

Keita: Ich habe das Drehbuch gelesen und dachte sofort, dass ich mich mit der Figur des Hikari sehr gut identifizieren kann. Während wir an dem Film gearbeitet haben, habe ich immer wieder Neues in der Geschichte entdeckt. Ich glaube, meine Generation kann sich gut mit dem Film identifizieren und sollte ihn unbedingt sehen.

Ich finde auch, dass der Film nicht nur etwas über die japanische Jugend erzählt. Ich selber zum Beispiel bin in einer Kleinstadt in Bayern aufgewachsen und wenn ich an meine Jugend zurück denke gibt es vieles, womit ich mich in dem Film identifizieren kann. War euch das bewusst, dass ihr da bei aller Verrücktheit eine sehr universelle Geschichte erzählt?

Makoto: Ich habe in letzter Zeit viel mit jungen Leuten über den Film geredet und es ist mir aufgefallen, dass sie den Film sehr gut verstehen und sich mit den Charakteren identifizieren, stärker als die ältere Generation. Sie sagen, dass der Film genau das anspricht, was viele Erwachsene über junge Menschen nicht verstehen. Und ja, es ist mir inzwischen auch aufgefallen, dass es im Prinzip egal ist wo sie herkommen. Es war war überhaupt nicht meine Absicht, eine derart universelle Geschichte zu erzählen, soweit habe ich damals noch gar nicht gedacht. Dass du als Erwachsene es auch so siehst und den Film verstehst, das bedeutet mir sehr viel.

Ich mag es wirklich sehr, dass der Film einen emotional so berührt. Gleichzeitig hat er eine wirklich ungewöhnliche, künstlerische Bildsprache. Welche Einflüsse hast du im Bezug auf deine visuelle Arbeit?

Ich habe am College Surrealismus studiert. Die meisten meiner visuellen Ideen gehen noch darauf zurück. Die Nahaufnahmen, die seltsamen Kamerawinkel, das hat alles dort seinen Ursprung. Animationsfilme sind für mich auch eine große Inspiration, was das Tempo und eine gewisse Aggressivität angeht.

Keita, Hikari ist ja nicht deine erste Filmrolle. Wie alt bist du jetzt und wann hast du mit der Schauspielerei angefangen?

Keita: Ich bin jetzt 12. Mit der Schauspielerei habe ich angefangen als ich vier war.

Oh Wow! Und was war für dich besonders an der Zusammenarbeit mit Makoto?

Keita: Ich fand vor allem die Kostüme besonders. Ein bisschen gruselig sind sie manchmal und so schön verrückt (lacht). Außerdem durfte ich zum ersten Mal in einem Film singen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Du singst wirklich sehr toll!

Makoto: Wir haben tatsächlich extra einen schlechten Take von Keitas Gesang genommen. Er singt in Wirklichkeit noch viel, viel besser (lacht).

Die Musik hast du auch selbst geschrieben, Makoto, richtig?

Makoto: Ich habe mir einen Teil der Musik ausgedacht, aber ich kann überhaupt keine Noten lesen, deshalb konnte ich sie nicht aufschreiben. Ich musste die Lieder Musikern vorsummen, damit sie sie für mich umsetzen. Ich habe sie also nicht wirklich alleine geschrieben, sondern mit Leuten zusammen gearbeitet.

Du machst ja auch viele Musikvideos, unter anderem für die großartige japanische Band CHAI. Wie hat dich deine Arbeit an Musikvideos für deinen ersten Langspielfilm beeinflusst?

Makoto: Das Tempo und der Schnitt, das kommt auf jeden Fall von meiner Arbeit an Musikvideos. Ein gewisses Tempo ist sehr wichtig, so bekommt der Film den richtigen Groove. Die Dialoge behandle ich dabei, wie ich auch die Musik behandle. Im Prinzip ist „We Are Zombies“ ein zwei Stunden langer Videoclip. Toll, dass du den Zusammenhang gesehen hast.

Die Kinder gründen ja auch eine Band im Film. Gibt es ein konkretes Vorbild für den Look dieser Band, für ihre Bühnenkostüme? Für mich sahen sie ein wenig aus wie die Kinder der Flaming Lips.

Makoto: Ich liebe die Flaming Lips sehr! Aber meine größte Inspiration war eine Band aus Japan, die jetzt in New York lebt. Sie heißen Love Spread. Wenn du sie noch nicht kennst musst du sie dir unbedingt anhören, sie werden dir sehr gefallen. Ich habe ihnen auf Twitter geschrieben, als ich mit der Arbeit an dem Film angefangen habe. Sie haben ein paar Songs zum Film beigesteuert.

Was war denn die erste Idee, als du mit der Arbeit zu „We Are Little Zombies“ angefangen hast? Wusstest du, dass er von Musik handeln würde oder stand die Geschichte der Kinder im Vordergrund?

Makoto: Ich fange meistens mit Dialogen an. Wenn sie mir in den Kopf kommen schreibe ich sie auf, egal wo ich gerade bin. Eines Tages habe ich eine Meldung über eine russische Social Network Seite gelesen, die mehrere junge Leute dazu gebracht hat, sich umzubringen. Das hat mich so sehr schockiert dass ich etwas schaffen wollte, das der jungen Generation ein wenig Hoffnung gibt. Daraus ist die Idee für die Geschichte entstanden.

Keita, wolltest du schon immer Schauspieler werden? Und willst du es jetzt immer noch?

Keita: Ich bin von einem Talentscout entdeckt worden als ich so klein war und dadurch mehr zufällig zur Schauspielerei gekommen. Aber ich möchte auf jeden Fall damit weiter machen. Ich mag aber auch Musik sehr, deshalb lerne ich gerade Gitarre spielen. Vielleicht möchte ich auch Musiker werden.

Und ist es nicht wahnsinnig langweilig zur Schule zu gehen, wenn man so tolle Sachen macht?

Keita: (lacht) Ein bisschen. Aber wir haben „We Are Little Zombies“ auch nicht am Stück gedreht, ich musste zwischendrin immer wieder zur Schule gehen. Dadurch war der Übergang nicht so schwer.

Und wann wusstest du, Makoto, dass du Regisseur werden wolltest?

Makoto: Als ich zwanzig Jahre alt war, habe ich meinen Traum aufgegeben Musiker zu werden. Dann habe ich mich entschieden, in die Welt des Films einzutauchen. Als ich am College Surrealismus studiert habe dachte ich, dass es heutzutage davon nicht mehr genug in der Kunst gibt. Ich wollte, dass man wieder mehr davon sieht. Das hat mich motiviert, Filme zu machen.

Du solltest das Musik machen nicht aufgeben. Dein Songwriting ist so gut! Vielleicht solltet ihr zusammen eine Band gründen.

Makoto: Super Idee! (Makoto und Keita klatschen ab)

Keita, was ist deine Lieblingsband?

Keita: Ganz klar, die Beatles.