Verliebt in Berlin: Interview mit Wouter Hamel

Auf Twitter ließ Popstar MIKA einst verlauten, er sei Fan von Wouter Hamel. Das machte uns natürlich Lust, den sympathischen Jazzsänger, der in seiner Heimat, den Niederlanden, bereits in aller Munde ist, näher kennen zu lernen und Euch vorzustellen. Seit Mai steht sein Album „Nobody’s Tune“ in den Läden (sein zweites in den Niederlanden, seine erste offizielle Veröffentlichung in Deutschland), im Herbst wird er wieder für einige Live-Shows in Deutschland sein. Wir haben dies zum Anlass genommen, ein wenig mit Wouter Hamel zu plaudern. Viel Vergnügen!

Hamel 1_sw - CMS SourceWir werden uns auf Englisch unterhalten? Ich habe gehört, dass Du ziemlich gut Deutsch sprichst.

Ja? Na ja, ich spreche ein bisschen Deutsch. Aber mein Deutsch ist sehr, wie sagt man…  (auf Deutsch) „oberflächlich“. Englisch ist entspannter für mich, also wenn es okay ist…

Natürlich. In Deiner Heimat, den Niederlanden, bist Du ja bereits ein richtiger Star…

Bin ich das? Nicht wirklich. Aber wenn Du das sagst… Du kannst das denken, lassen wir es so stehen. (lacht) Aber es stimmt schon, wir standen hier zuweilen sehr in der Öffentlichkeit. Dieses Jahr ist es eher ruhig hier, aber das haben wir absichtlich so gewählt. Aber Entschuldigung, ich habe Dich unterbrochen.

Kein Problem. Ich habe mich gefragt wie es jetzt für Dich ist, hier in Deutschland präsent zu sein. Dein zweites Album „Nobody’s Tune“ ist dieses Jahr hier erschienen, es ist  Dein erstes auf dem hiesigen Markt. Ist das ein wenig so als würdest Du noch einmal von vorne anfangen?

In manchen Ländern hat es sich so angefühlt, ja. Eigentlich in allen Ländern außer in Deutschland (lacht). In Belgien haben wir ein paar Shows gespielt. Wir haben dort auch Promo gemacht… das ist eine lustige Geschichte. Es war so eine Art „Morning Show“, bei der nur ältere Leute da waren, die Croissants gegessen haben. Das war fürs Belgische Radio. Danach haben wir gedacht, okay, jetzt haben wir hier was gemacht, mal sehen was passiert. Aber es ist nicht wirklich etwas passiert. Das Tolle in Deutschland ist, dass alles, was wir hier an Promo gemacht haben, sehr schnell sehr gut aufgenommen wurde.  Magazine und Blogs haben über uns berichtet und die Leute haben uns gefragt, wann kommt ihr wieder?  Es fühlt sich also wie ein Anfang an, aber wie ein sehr vielversprechender. Anders als in Belgien. Hier haben wir Festivals gespielt, eine Frühjahrs- und jetzt eine Herbsttour. Es ist ein gutes Gefühl. Das Publikum hier ist sehr wohlwollend.

Du bist ja bekannt für Deine großartigen Live-Shows. Sie sollen regelrecht süchtig machen, Leute kommen von überall aus Deutschland, um Dich spielen zu sehen.

Ja, wir waren zuletzt in Braunschweig. Da sind Leute aus Hamburg und sogar aus dem Hamel 2_sw - CMS SourceRuhrgebiet gekommen. Das ist immer ein tolles Kompliment, ja. Ich denke, meine Band und ich, wir lieben es live zu spielen und, noch wichtiger, wir sind alle gelernte Musiker. Manche Leute werden Popstars, Popkünstler, die kümmern sich mehr um, wie sagt man… den Party-Aspekt der Sache. Bei uns ist es genau andersrum. Wir sind ein bisschen eine langweilige Band. Manchmal gehen wir einen trinken, manchmal sind wir auch betrunken. Aber unser Fokus ist darauf live zu spielen. Wir kümmern uns alle gut um unsere Instrumente, du solltest unseren Schlagzeuger sehen wie er vor der Show Streching macht. Das, was man uns sechs Jahre in der Schule beigebracht hat, weißt Du. Es ist keine Garantie für eine gute Show, eine Ausbildung auf dem Konservatorium gemacht zu haben, aber ich denke, wir machen das Beste daraus. Wir lieben es einfach zu spielen.

In Holland bist Du unter Deinem vollen Namen Wouter Hamel bekannt. Für den internationalen Markt bist Du aber Hamel. Ist das nicht seltsam, plötzlich auf den Nachnamen reduziert zu werden?

Es sollte eigentlich so sein: Auf Postern oder irgendwelchen anderen graphischen Präsentationen steht nur der Name Hamel. Das sieht gut aus, groß und klar. Aber auch in Deutschland, wenn jemand Fan wird, dann weiß er, dass mein Name Wouter ist. Nach den Shows, wenn ich eine (auf Deutsch) „Autogrammstunde“ gebe, sagen sie zu mir „Hey Wouter, kannst Du mir das signieren? “ Also mein Name ist immer noch Wouter. Als ich in Holland angefangen habe, habe ich einen großen Jazz Gesangswettbewerb gewonnen. Ich hatte noch nicht über einen Künstlernamen nachgedacht, und dann kam mein Vorname ins Spiel, was ich eigentlich gar nicht gewollt habe. Als ich meine erste CD aufgenommen habe habe ich gesagt, ich möchte das lieber unter dem Namen Hamel machen, das sieht besser aus. Dadurch wird auch klar das ist mein Musikprojekt, und die Person Wouter Hamel, das bin immer noch ich. Dann haben aber alle gesagt, hm, die Leute kennen Dich jetzt unter Deinem vollen Namen, vielleicht solltest Du es dabei belassen. Es war also voll und ganz meine Entscheidung als es um den internationalen Markt ging, es unter dem Namen Hamel zu machen. Das fühlt sich nicht seltsam an, nur manchmal, in Korea zum Beispiel, wenn die Menschen mich bei meinem Nachnamen rufen. Viele kommen auch mit der Reihenfolge durcheinander und verdrehen es. Oder wenn jemand ruft „Hey, Hamel!“, das ist dann ein bisschen wie in der Armee, wenn jemand ruft „Hey, Schneider!“ (lacht). Aber ich denke, es war eine gute Entscheidung.

Du bist ja jemand, der sehr stark die Kontrolle behält über seine Musik, sein Auftreten, das ganze Projekt. Was würdest Du sagen, wie ist es für Leute, mit Dir zusammen zu arbeiten?

Hamel 3_sw - CMS SourceEs hat sich ein wenig geändert. Bevor es international wurde war ich sehr, wie sagt man… kontrollierend, perfektionistisch, all diese Sachen. Aber sobald ich den Vertrag in London hatte, habe ich ein wenig los gelassen. Mir wurde klar okay, das werden jetzt viele Länder, viele verschiedene Alben, Entscheidungen… die liegen dann einfach nicht mehr bei mir. Ich musste irgendwie los lassen, denn worauf ich mich konzentrieren muss, ist Songs zu schreiben, gute Auftritte zu machen. Aber ja, generell würde ich sagen bin ich sehr kontrollierend. Aber ich denke, es wird weniger. Grundsätzlich macht mich das aber nicht zu einem Menschen, mit dem man schwer arbeiten kann. Ich denke, ich bin mir sehr dessen bewusst, dass man auch ein netter Mensch sein muss, mit dem man gut arbeiten kann. Manchmal funktioniert das nicht, dann bin ich super nervig und gestresst. Sagen wir, ich bin ich eher… egalitär. Ist das das richtiges Wort? Ich denke, ja. Ich frage meine Band um ihre Meinung und all solche Sachen. Ich versuche immer wieder mir klar zu machen, dass es nicht gut ist, immer nur alles zu kontrollieren. Beim Dreh zu meinem neuen Video „See You Once Again“ zum Beispiel, habe ich diesmal komplett die Kontrolle abgegeben. Ich habe die Produzenten des Videos ihr eigenes Ding machen und mich einfach überraschen lassen. Ich bin da morgens hingegangen und habe gesagt „Okay, was habt ihr mit mir vor? Was soll ich tragen?“ Das war der neue Wouter. Früher hätte ich tagelang vorher Stress gemacht, Meetings abgehalten – „Was ist eure Vision?“ Blablabla. Diesmal habe ich ihnen einfach vertraut und es ist sehr schön geworden.

Als Musiker hat man ja heutzutage auch so schon eine Menge zu leisten. Live Konzerte, Aufnahmen, Promo, Du schreibst Deine Songs selbst… Kannst Du sagen, welcher Teil Deiner Arbeit Dir am leichtesten fällt und welcher am schwersten?

Oh… ich überlege… also wenn ich ganz ehrlich bin, ist nichts davon wirklich leicht. Ich weiß dass viele Leute denken okay, du hast dein Hobby zum Beruf gemacht. So fühlt es sich ehrlich gesagt nicht an. Natürlich spiele ich gerne Live-Shows. Es gibt Wissenschaftler, die herausgefunden haben, dass es gut für deinen Körper und deinen Kopf ist, aufzutreten, deine Emotionen herauszulassen. Aber es ist auch immer Streß. Ich bin schon ziemlich entspannt auf der Bühne, ich muss nicht Yoga machen bevor ich da raus Hamel 4_sw - CMS Sourcegehe. Ich habe Spaß mit meinen Jungs, aber ich bin mir auch bewusst, dass jede Show gut werden muss. Und die Maßstäbe, die ich mir selbst setze, sind sehr hoch. Also auftreten ist nicht leicht. Songs schreiben ist ein Kampf. Da kommt man immer wieder an den Punkt an dem man denkt oh mann, ich bin grauenvoll! Ich werde nie einen guten Song schreiben. Das hatte ich jetzt bei beiden Alben. Aber all diese Dinge geben dir das Gefühl, etwas zustande gebracht zu haben. Wenn du einen Song geschrieben hast ist bist du hinterher stolz, es ist greifbar. Von daher würde ich vielleicht sagen, der härteste Teil ist Interviews zu geben und Promo zu machen. Also, nicht dass ich jetzt denke, das hier ist ein schwieriges Gespräch (lacht).  Aber wenn man manchmal vier oder fünf Tage am Stück Promo macht fragt man sich schon, was mache ich hier eigentlich? Natürlich weiß man, dass es einem hilft. Aber wenn man so viel über das redet, was man macht, kann es sich ein wenig so anfühlen als würde man die Magie des Ganzen zerstören. Also würde ich sagen nicht unbedingt Interviews, aber Promo generell, das kann manchmal hart sein.

Und was kommt als Nächstes?

Im Moment bin ich dort, wo ich immer meine Songs schreibe. Zwischen Pferden und Schafen irgendwo in Holland. Als nächstes geht es nach Tokio, dann kommt ja schon das Reeperbahn Festival. Ich war noch nie in Hamburg bevor ich dort gespielt habe, aber jetzt bin ich ein bisschen verliebt in die Stadt. Fast so sehr wie in Berlin. Dann wieder ein paar Auftritte in Holland… aber ich kann Dir sagen, alle Zeit dazwischen werde ich meinem nächsten Album widmen. Ich würde das gerne nächstes Jahr im Frühling veröffentlichen, deshalb arbeite ich hart daran.

Dann wünschen wir Dir ganz viel Glück für alles. Und vielen Dank für das tolle Gespräch!

Interview: Gabi Rudolph

Fotos: (c) Kai Z Feng