Mit „Light, Dark, Light Again“ hat Angie McMahon ein hochemotionales Album herausgebracht. An diesem Tag führen wir ein hochemotionales Gespräch darüber: ich zu Hause in Berlin, krank auf meiner Couch, Angie McMahon in ihrem Haus in Melbourne, Australien. Zwischen uns liegen zehn Stunden Zeitunterschied und ein völlig gegensätzlicher Jahreszeitenzyklus. Und doch sind wir verbunden. Das ist es, worum es geht, da sind wir uns einig.
Wie ist das Leben auf der anderen Seite der Welt?
In Melbourne ist es im Moment wirklich schön. Es wird langsam Frühling. Wir hatten gerade einen ziemlich kalten Winter. Ich meine, nicht nach euren Maßstäben. Es gab keinen Schnee. Mein Haus ist sehr dunkel und kalt. Aber wir haben einen großen Garten und jetzt ist alles grün und die Sonne scheint. Ich bin wirklich dankbar. Kennst du das Gefühl beim Jahreszeitenwechsel, wenn man spürt, dass die Depression nachlässt? So ist es im Moment. Es ist schön.
Verrückt, dass es bei euch genau andersherum ist. Hier ist Herbst, wir stehen kurz vor dem Wintereinbruch und es ist so dunkel. Die Welt ist verrückt, oder?
Ja, das ist sie. Sie ist seltsam. Ich finde es verwirrend. Ich meine, ich war in letzter Zeit nicht so oft auf Tour, aber es ist so verwirrend, wenn man auf Tour ist. Selbst wenn man nur nach L.A. ist, wo es keine Jahreszeiten gibt, oder wenn man zwei Wochen in Europa war und dann zurückkommt und alle sagen: „Oh, es war so heiß“ oder „Es war so kalt…“ und man denkt: „Was? Ich kann das nicht nachvollziehen.“ So seltsam. Ich glaube auch, wir alle erleben Extreme. Das verbindet uns.
Ich sage immer, ich könnte nicht an einem Ort leben, wo es keine Jahreszeiten gibt.
Ja, genau. Und Berlin hat wunderschöne Jahreszeiten.
Der Winter kann allerdings ganz schön hart sein.
Ja, er dauert immer ein bisschen zu lange.
Ich finde ja, wo du lebst, ob es dort Jahreszeiten gibt oder nicht, all das beeinflusst deine Kreativität und deine Kunst. Ich habe das Gefühl, dass die Natur in deinem Album sehr reichhaltig und sehr präsent ist.
Oh, ich bin froh, dass das so rüberkommt. Es war mir ein großes Anliegen. Ich glaube, ich hatte in letzter Zeit einige große Erleuchtungsmomente darüber, wie wichtig das ist. Wie du es sagst, mit den Jahreszeiten zu leben und sie zu beobachten. Ich habe einfach angefangen, die Natur als meine Lehrerin zu sehen. Vorher hatte ich diese Einstellung überhaupt nicht, und jetzt ist Mutter Natur für mich wie Gott. Ich finde darin viele Antworten und Wege. Es ist eine große Erleichterung. Man muss nicht versuchen, etwas zu sehr zu kontrollieren oder zu verstehen, denn man kann darauf vertrauen, dass es die Jahreszeiten sind, dass sie vorübergehen und sich verändern, und das spiegelt sich in der Welt um einen herum wider. Ich habe festgestellt, dass das eine wirklich beruhigende Einstellung ist. Ich denke auch oft über Samen nach, über das Pflanzen von Samen und das Vertrauen darauf, dass es eine bestimmte Zeit gibt, in der man etwas pflanzen soll, und dann muss man es in Ruhe lassen. Man kann den Boden nähren, aber was später kommt, darauf kann man nur vertrauen. Ich habe dieses ganze Festhalten und Kontrollieren und Wissenmüssen verlernen müssen. Die Natur ist der ewige Beweis dafür, dass alles gut wird. Alles wird sich ändern, alles wird vergehen, alles ist vorübergehend. Alles wird wachsen. Es gibt immer noch mehr Raum, es gibt immer noch mehr Himmel. Ich glaube, meine ganze Denkweise beruht auf der Schönheit und der Widerstandsfähigkeit und den Zyklen der Natur.
Ich liebe es, dass du sagst, die Natur ist deine Göttin. Ich glaube, die Welt wäre ein viel friedlicherer Ort, wenn wir alle daran glauben würden. Stattdessen beuten wir die Erde aus und bringen uns gegenseitig im Namen von Religion um.
Das ist eine Art von Spiritualität, die ich als sehr offen und großzügig empfinde. Ich wurde katholisch erzogen und mit all den dazugehörigen Einschränkungen, wer man sein kann. Lange Zeit hatte ich wirklich Angst vor dem Wort Gott, weil ich beschlossen hatte, nicht mehr katholisch sein zu wollen; ich gehöre nicht zu dieser Religion. Aber ich möchte immer noch etwas haben, zu dem ich beten kann, einfach um den Zustand des Betens zu haben und Dinge laut auszusprechen. Vor ein paar Jahren habe ich mit einer Freundin darüber gesprochen. In ihrer Morgenmeditation/ihrem Dankgebet sagt sie immer: „Hallo Mutter, ich danke dir für diesen Tag“, und spricht damit zu Mutter Natur. Das ist mir hängen geblieben, weil es etwas Weiblicheres ist, aber auch eine geerdete Vorstellung von Gott. Ich glaube, ich habe einfach angefangen, alles anders zu sehen, als ich erzogen wurde. Und das war eine große Erleichterung. Ich kann tatsächlich eine spirituelle Praxis ausüben, ohne mich und meinen Körper zu hassen (lacht). Ich habe nicht das Gefühl, dass ich damit Schaden anrichte. Aber ja, ich weiß, was du meinst. Wir machen es so oft falsch. Wir sind nur lebendig wegen der Luft, die wir atmen, und dem Wasser, das wir trinken. Es ist überall um uns herum, der Beweis, dass wir nichts ohne die Natur sind.
Es macht so viel Sinn, wie du sagst, dass du dich in einer Phase deines Lebens befindest, in der du dich von Beschränkungen löst und Frieden mit dir selbst, der Natur und deinem Körper gefunden hast. Denn genau so hört sich dein Album an. Ich freue mich sehr für dich, dass du einen Weg gefunden hast, das auszudrücken. Mit so viel Ehrlichkeit.
Danke, dass du das sagst, das ist so schön. Es bedeutet mir sehr viel, das zurückgespiegelt zu bekommen. Denn der Versuch, mich auszudrücken, fühlt sich manchmal egoistisch an. Ich versuche nur zu verstehen, was in meinem Leben vor sich geht, was meine Instinkte sind, was ich verstehen muss, was ich wissen will. Es bedeutet mir wirklich viel, dass du mir das sagst. Es ist ein echtes Privileg, ein Album darüber zu machen und mit Leuten in Interviews darüber zu sprechen, ein Gespräch darüber zu führen und eine Verbindung darüber herzustellen. Das ist ein echter Bonus (lacht). In dem Moment, in dem es aus mir herauskommt, bin ich einfach nur verletzt und verwirrt und weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Ich glaube, ich muss eine Tür finden, durch die ich gehen kann, und das war für mich immer die Musik. Auf diese Weise mit Menschen in Kontakt zu kommen, ist etwas ganz Besonderes.
Es verbindet einen auch. Letztendlich haben wir alle die gleichen Probleme.
Ja, genau! Ich denke, es ist regelrecht, sich ab und zu daran zu erinnern. Es ist so ein erholsamer Gedanke. Ich denke an die vielen Momente, wenn ein Song halbwegs fertig war und ich mir wirklich den Kopf darüber zerbrochen und mich gefragt habe, ob es das wert ist. Ich bin dann ganz tief drin und habe Zugang zu den Gefühlen und der Verletzlichkeit und versuche herauszufinden, wie ich es sagen kann. Dann komme ich wieder zurück in meinen Körper und denke mir: „Das ist so selbstverliebt!“ Ich vergrabe mich in die Vorstellung von diesem Gefühl und versuche, es auszudrücken. Ich habe Momente des Zweifels, von denen ich denke, dass sie gesund sind, aber sie können auch ungesund werden. Wenn man ständig das Selbstüchtige daran in Frage stellt. Manchmal schreibe ich einen Song, in dem das Wort „ich“ siebzehn Mal vorkommt und denke mir nur: „Gott, halt einfach die Klappe!“ (lacht). Ich glaube, ich habe das Gefühl, wel ich schon einmal eine Platte gemacht habe, die sehr persönlich war, und die Leute haben zu mir gesagt: „Ich liebe diesen Song, weil ich mich mit ihm verbunden fühle.“ Als das zum ersten Mal passierte, dachte ich: „Wow, das ist erstaunlich.“ Denn es ist etwas, das einfach aus meinem Leben heraus entstanden ist. Es gibt da diesen „Sweet Spot“, wenn man die Ehrlichkeit findet, etwas auf die authentischste Art und Weise zu sagen, und es dann genau dort landet, wo jemand anderes es gerade braucht. Für mich ist das magisch. Das bedeutet Einssein. Es ist eine kollektive, harmonische Sache. Manchmal vergesse ich das. Aber ich glaube, wenn man bei einem Song und beim Schreiben seinem Instinkt vertraut und einfach daran glaubt, dass man gut darin ist und dass es einen Grund gibt, warum man das tun will, und wenn man mutig genug ist, es gut zu machen, dann bedeutet es wirklich etwas. Und ist nicht nur egoistisch. Hoffentlich (lacht).
Weil du gerade dein erstes Album erwähnt hast – als du mit der Arbeit an diesem Album begonnen hast, wusstest du da sofort, dass der Sound dieses Mal so groß sein würde, oder hat dich das selbst überrascht?
Ich denke, ich wollte immer, dass es vielschichtiger und reichhaltiger wird als das erste Album. Das hatte ich mir wirklich erhofft. Und ich glaube, dass ich das bei der nächsten Platte, oder was auch immer, wieder so fühlen werde. Es fühlt sich für mich wie eine wirklich wichtige Entwicklung an, mehr experimentieren zu können und den Sound in verschiedene Richtungen zu erweitern. Bei der ersten Platte war ich mir sehr unsicher, wer ich bin und was mein Sound ist, also habe ich einige Türen verschlossen oder irgendwie halb geschlossen gehalten. Ich bin froh, dass ich das getan habe, denn so konnte ich mich selbst schützen, während ich mich selbst besser kennenlernen konnte. Bei diesem Album war ich zu Beginn ziemlich heiß darauf, etwas zu machen, das genau wie eine War on Drugs-Platte klingt (lacht). Es ist gut, dass es nicht genau wie eine War on Drugs-Platte klingt, aber so habe ich angefangen, weil ich die Band so viel gehört habe, sie so eine starke Struktur haben und so unglaublich viel auf ihren Platten passiert. Ich wusste also, dass ich mich erweitern musste. Und ich hatte einen Fokuspunkt: Ich wusste, dass es das war, was ich wollte. Ich war bereit, mehr Lärm zu machen und habe angefangen, mehr Türen zu öffnen. Es war beängstigend. Ich musste immer und immer wieder akzeptieren, dass ich perfektionistisch bin, und ich musste aufhören, perfektionistisch zu sein. Ich bin in all diese Bereiche vorgedrungen, für die ich nicht unbedingt die Fähigkeiten besaß, oder ich wusste nicht, was sich hinter den Türen befinden würde. Aber ich wollte es einfach unbedingt tun. Ich möchte weiterhin Platten machen, und ich möchte, dass sie sich weiterentwickeln und interessant sind. Dieses Album war ziemlich beängstigend, weil es das erste Mal war, dass ich es so gemacht habe. Aber, wer weiß, vielleicht wird es beim nächsten Mal genauso beängstigend sein. Es war mir einfach wichtig, mich zu erweitern und mehr Farben zu verwenden. Ich habe immer noch dieses automatische Feedback in mir, das mir sagt: „Ah nein, das ist zu viel, das ist nicht gut genug, schnell, geh zurück zu dem, was du kennst.“ Als ich mit dem Album fertig war, habe ich mich ehrlich gesagt zuerst nicht gut damit gefühlt. Das Gleiche ist mir beim ersten Album passiert, weil ich irgendwann entscheidungsmüde war. Ich muss mich selbst in den Songs definieren und sie fertigstellen. Aber sie sind nicht perfekt (lacht). Sie müssen nicht perfekt sein, aber ich möchte, dass sie reich an Vielem sind. Ich möchte, dass sie neu und groß sind.
Unsere Zeit ist leider schon fast vorbei. Aber eine Sache noch, bevor wir zum Schluss kommen. Ich habe vor kurzem Fred again… live gesehen. Und ich wollte dir sagen, dass man dich, wenn er der Song, den du mit ihm gemacht hast, spielt, so präsent im Raum fühlt, auch wenn es nur deine Stimme und dein Gesicht auf dem Bildschirm ist. Die Emotionen in der Musik und deiner Stimme gehen so tief auf das Publikum über. Warst du selbst schon einmal dabei?
Nein… Ich bekomme aber immer wieder Videos davon geschickt und es ist ziemlich erstaunlich. Es ist witzig, ich habe Videos davon geschickt bekommen, während ich mit der Arbeit an all diesen Sachen beschäftigt war und mich selbst nicht promotet habe. Aber er ist da draußen, bringt den Song und mein Gesicht unter die Leute, und die Leute singen mit, und ich bin irgendwie dankbar, dass ich es nicht selbst machen muss (lacht). Ich hatte nicht die Kapazitäten, ich war nicht auf Tour, aber er hat dem Song neues Leben gegeben und mir neue Verbindungen zu Leuten verschafft. Es ist super seltsam. Es ist wild. Es ist wundervoll! Und außerdem hätte ich daraus nie einen Dance-Song machen können, ich hätte das nie getan. Und dann zeigen mir die Videos, dass sich so viele Leute damit identifizieren, und das ist so schön. Und es öffnet meinen Geist. Es ist so unerwartet.
Verrückt, oder? Ich habe dich in dieser riesigen Arena gesehen, mit 17.000 Menschen, die mit dir gesungen haben und von denen mindestens die Hälfte geweint hat, und du warst nicht einmal anwesend. Und trotzdem gab es diese starke, emotionale Verbindung. Es war so unglaublich persönlich.
Das freut mich so sehr, dass du mir das erzählt hast. Ich fürchte, selbst wenn ich dort wäre, wäre ich nicht in der Lage, das so für mich selbst zu empfinden, ich würde die ganze Zeit nur denken: „Scheiße, das bin ich.“ (lacht) Das ist wirklich etwas Besonderes. Ich bin so froh! Was er macht, ist glaube ich sehr besonders. Da ist dieser wirklich große Raum voller Menschen, die Verbundenheit und Freude spüren. Ich denke, das ist für mich Erfolg, darum geht es. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich dafür belohnt wurde, dass ich mich damit auf etwas Unbekanntes eingelassen habe. Ich hatte keine Ahnung, wer er war, alles war fremd für mich. Sich darauf einzulassen, war am Ende einfach nur positiv. So sehe ich das auch bei all den vielen schlimmen Dingen, die im Moment passieren. Wir wissen nicht, was passieren wird. Aber ich hoffe, alles wird gut werden.
Foto © Bridgette Winten