„Hier“ ist endlich hier. Heute erschien das Debütalbum der nicht nur unglaublich talentierten, sondern auch sehr sympathischen Bruckner Brüder. Über drei Tassen Kaffee und einem Glas Orangensaft unterhielten Jakob, Matti und ich uns im Hinterhof eines Berliner Hotels über den Release, Songwriting, die Indie Pop Szene und politischen Aktivismus.
Am Freitag kommt endlich euer Debutalbum „Hier“ raus. Wie aufgeregt seid ihr?
Jakob: Ja, sehr nervös. Wir fragen uns natürlich wie die restlichen Songs den Leuten gefallen werden, aber die ersten beiden Songs sind ja schon sehr gut angekommen und das beruhigt einen schon ein bisschen.
Matti: Wir haben die Songs schon so vielen Menschen gezeigt und haben viel Feedback auch schon einfangen können. Deswegen haben wir auch schon viele Meinungen zu den Songs gehört und ich glaube die eigene ist ja immer noch die Wichtigste.
Wie merkt man, beziehungsweise wie habt ihr gemerkt, dass das Album wirklich fertig ist?
Jakob: Tatsächlich haben wir gemerkt dass das Album fertig ist als die Zeit im Studio vorbei war. Wir hatten Ende letzten Jahres so zwei Monate im Studio und haben aber als wir raus sind gemerkt, dass wir an ein paar Stellen noch einmal ran müssen. „Für immer hier“ war zum Beispiel so eine Baustelle, die wir bis Ende offen hatten. Der C-Teil war da das große Problem.
Matti: Es gibt immer Sachen, die man an Songs noch ändern kann und wenn man zu lange Pause macht, dann kommen immer mehr dazu.
Jakob: Man muss dann irgendwie ’nen Cut setzen und sagen: „Okay, die sind jetzt so wie sie sind“ und so müssen sie drauf.
Wie habt ihr entschieden welche Songs aufs Album kommen und welche nicht? Live habt ihr ja schon einige Songs gespielt, die jetzt nicht dabei sind.
Jakob: Wir hatten bevor wir ins Studio sind echt ’nen richtig stressigen Sommer. Das war ’ne richtige Ochsentour, die wir da gespielt haben, wo wir uns auch gefragt haben: „Okay ist das das Musikerleben wie wir uns es vorgestellt haben?“ Dann waren wir im Studio und hatten erstmal echt viel kreativ zu verarbeiten. Wir fanden, dass die neuen Songs – „Für immer hier“ und „Lifestyle“ haben wir dort zum Beispiel geschrieben – so was ganz neues waren. Zudem kommt, dass unser Publikumsliebling „Kolumbus“ jetzt nicht unbedingt einen Menschen besingt, aber so heißt wie ein Kolonialist, der einen ganzen Genozid verursacht hat und die Native Americans einfach ermordet und ausgeraubt hat. Wir wollten also nicht dazu beitragen, dass das weiter so verharmlost wird. Deswegen ist der Song auch nicht auf der Platte. Vielleicht werden wir den Song einfach textlich noch umschreiben und jemand anderen besingen, weil die Melodie ist halt schon sehr catchy.
Welcher Song ist euch am wichtigsten und für welchen habt ihr am längsten gebraucht?
Matti: Der Song, der mir mit am wichtigsten ist, ist „Regenmacher“. Das ist einer der ersten Songs, den wir schon vor ein paar Jahren zu zweit geschrieben haben. Der ist ultra schön geworden.
Jakob: Das war das erste Demo, das wir zusammen gemacht haben. Auch hier in Berlin im kleinen Büro von unserem Management.
Matti: Da war es auch Sommer und brüllheiß. Du hast es kaum ausgehalten in dem Studio. Immer irgendetwas aufnehmen, dann Stopp und gleich Fenster auf.
Jakob: Das geile ist, dass wir auch voll viel von dem Demo übernommen haben in der Produktion.
Matti. Der ist sehr roh und hat ’nen guten Vibe.
Jakob: Den Song für den wir dann wohl am längsten gebraucht haben ist „Für immer hier“. Da haben wir den C-Teil immer wieder umgeändert, den Text in der Strophe immer wieder umgeschrieben. Da gab’s echt viele Zwischenversionen. Da mussten wir dann eben nochmal für ne Woche ins Studio, um den ich zu nailen.
Wie kann man sich bei euch beiden denn den Schreibprozess vorstellen?
Jakob: Immer unterschiedlich. Also wir setzen uns voll oft auch zu zweit hin und basteln einfach drauf los. Ich bin glaube ich eher der, der im Alltag darauf besonnen ist Ideen zu sammeln. Mein Handy ist voll mit Sprachmemos, wo irgendwas schnell eingesungenes oder eingespieltes drauf ist. Irgendwelche Lines oder Hooks.
Matti: Wenn wir zu zweit schreiben, dann ist Jakob der, der das Zeug zu Papier bringt und irgendwelche Sachen einspielt und ich versuche dann am Computer das zusammen zu basteln.
Jakob: Da ist Matti dann eher in der Producer Rolle. Dann ist es oft auch so, dass wir über einen längeren Zeitraum intensiv an einem Projekt arbeiten.
Ihr organisiert jetzt schon zum dritten Mal das Social Sofa Festival. Ich habe mich über das Thema neulich schon mit den Jungs von Jeremias unterhalten. Findet ihr, dass man als Musiker seine Reichweite nutzen sollte, so wie ihr es tut?
Matti: Also ich finde, man sollte das auf alle Fälle tun. Für mich ist nur die Frage, ob die Musik an sich politisch sein muss. Man sollte sich auf jeden Fall engagieren. Sollte man ja sowieso tun, aber so ne Reichweite ist dann irgendwie schon ein schöner Multiplikator, um mehr Leute von der richtigen Sache zu überzeugen. Die Musik selbst muss für mich aber nicht politisch sein.
Eure Texte sind aber oft sehr gesellschaftskritisch.
Jakob: Wir kommen immer mehr dahin, wo wir auch hinwollen. Am Anfang ist es voll schwierig das zu machen. Ich finde das größte Problem ist das, was man in der Schule eingetrichtert bekommen hat, dass man nichts zu sagen hat, wenn man vielleicht auch fehlinformiert ist. In der Schule wird man ja immer so zurückgestutzt, wenn man irgendwas sagt, das falsch ist. Ich finde, dass man diese Angst immer noch ein bisschen hat. Einfach irgendwo laut zu sein und dann von anderen Leuten als schlecht informiert dargestellt zu werden. Mit Social Sofa zum Beispiel, das ist halt einfach. Jeder, der da irgendwas Negatives zu zu sagen hat ist einfach völlig fehl am Platz. Dieses Menschenrechtliche ist einfach so ne klare Situation und man muss ja nicht unbedingt wissen, vor welchem Krieg die Menschen jetzt geflohen sind. Sondern was zählt ist, dass sie da sind und dort einfach unmenschliche Zustände herrschen und dafür kann man sich einsetzen. Bei Songs lieben wir es, wie das zum Beispiel auch Die Höchste Eisenbahn macht, dass es eher so aufm zweiten Level kommt. „Josephine“ ist auch eigentlich ne Liebesgeschichte, dann aber eben mit gesellschaftlichem Aspekt mit drin.
Jetzt hast du schon Die Höchste Eisenbahn angesprochen. Eure Musik wird oft als Roadtrip Musik bezeichnet. Was hört ihr denn im Auto, wenn ihr auf Tour seid?
Matti: Wir hören viele Podcasts. Wir sind große Harry Potter Fans.
Jakob: Grad haben wir auch alle Bücher von John Niven gehört.
Matti: Wir haben ne sehr sehr schöne Playlist gemacht auf Spotify. „Brucknastination“ heißt die.
Jakob: Das drückt schon ganz gut unseren Musikgeschmack aus. Viel Indie, bisschen HipHop.
Was vermisst ihr am meisten am Live Spielen?
Matti: Das Live Spielen.
Jakob: Das gratis Bier im Backstage natürlich.
Matti: Ich meine, zusammen Musik machen zu können, wir mit der Band, auch im Proberaum.
Jakob: Ich muss sagen, dass die Pause jetzt gar nicht so mega schlecht für uns war. Ich hatte echt ein bisschen Schiss vor der Tour. Es war einfach mega lang, total die intensive Zeit mit dem Album, immer von A nach B, von einem fetten Block in den nächsten fetten Block. Die Tour wäre super geworden, aber es war für uns nicht schlecht mal ne Pause zu machen. Jetzt war es schön, einfach auch mal wieder von Zuhause aus Musik zu machen. Langsam reicht es aber und es kribbelt schon ein bisschen in den Fingern. Wir bangen um den Herbst.
Was war der Moment an dem ihr dachtet: „okay, das mit der Musikkarriere könnte vielleicht wirklich funktionieren“?
Matti: Die Frage ist mega gut.
Jakob: Den gab es tatsächlich nicht.
Matti: Ich meine, wenn es den nicht gegeben hätte, dann wären wir töricht hier zu sitzen.
Jakob: Es gab schon so Momente. Man hört ja immer, 10 Jahre ist ne gute Zeit für ne Band um aufgebaut zu werden. Die 10 Jahre haben wir jetzt noch nicht, aber es ist schon ein hohes Risiko sich darauf zu verlassen. Wenn du irgendwann 10 Jahre in etwas reingesteckt hast und dann steht du am Ende da. Es gab noch nicht den großen Knall, aber darauf arbeiten wir hin.
Matti: Seit wir angefangen haben das zu machen, ging es immer noch ein bisschen bergauf. Das muss man im Kopf behalten, dass wir keinen riesigen Sprung hatten, sondern uns alles erarbeitet haben.
Jakob: Das schlimme ist, dass wir eben in dieser digitalen Welt leben, in der es so viele Zahlen und Statistiken gibt. Man vergleicht sich nie mit sich selbst vor zwei Jahren, sondern immer mit anderen. Da gibt es immer welche, bei denen es besser läuft. Das muss man irgendwie abstellen.
Was glaubt ihr braucht man, um in der Deutschen Indie Pop Branche Fuß fassen zu können?
Matti: Vielleicht kannst du jemanden fragen, der in der Indie Pop Szene Fuß gefasst hat. (lacht)
Jakob: Ich glaube, was wirklich wichtig ist, dass man von Anfang an Flagge zeigt. Im Sinne von: wir möchten Indie Pop machen und eben nicht so Mainstream Pop.
Matti: Schreibt gute Indie Pop Songs. Wahrscheinlich das gleiche, was für alle Bands zählt, wenn man irgendwie durchstarten will. Sei nett zu den Leuten und fuck keinen ab.
Als letzte Frage, auf welcher Bühne würdet ihr denn gerne in drei Jahren stehen?
Jakob: Drei Jahre wären mir fast zu spät für die Antwort, die ich sonst immer geben würde. Das wäre nämlich die Muffathalle in München. Das ist aber eigentlich nach der Show, die wir in München im Januar spielen das nächste Ziel für uns. Im Bestfall spielen wir dort also schon in anderthalb bis zwei Jahren, das ist halt schon immer mein Traum. Wenn wir da gespielt haben, kann danach meinetwegen alles passieren und ich bin happy.
Matti: Ich würde sehr gerne auf der Hauptbühne des Watt en Schlicks spielen als Closing Act. Das wäre sehr schön.