Interview mit William Fitzsimmons

Pressebild_William_FitzsimmonsWilliam Fitzsimmons zu begegnen ist für mich wie einen alten Freund zu treffen. William und seine Musik kenne ich seit 2009 – damals habe ich einen Song auf seiner Myspaceseite gehört und recht kurzfristig beschlossen, dass ich diese gefühlvolle Musik auch live erleben muss. Kaum ein anderer Musik berührt mich emotional so sehr, dass ich es mitunter nicht wage die Musik in der Öffentlichkeit zu hören. Damals konnte man noch Karten an der Abendkasse des Frannz Clubs kaufen, mittlerweile sind seine Berlin Konzerte immer im Vorfeld ausverkauft. Vergangene Woche spielte er im ausverkaufen Columbia Theater ein wunderschönes Konzert. Im Gepäck hatte er dabei seine beiden aktuellen EPs „Pittsburgh“ und „Charleroi: Pittsburgh Volume 2“, die sich beide mit seinen Großmüttern beschäftigen.

In den zwanzig Minuten zwischen der Ankunft von Williams Tourtross und dem Start des Soundchecks haben wir uns zusammengesetzt und über den Unterschied zwischen den EPs, dem Verhältnis zu den Großmüttern, Tod und den Aufnahmen zu den beiden EPs unterhalten. Welche Inspiration der Folkmusiker aus der Fernsehserie „The Walking Dead“ zieht, könnt ihr selber in unserem Interview nachlesen. Viel Spaß!

Ich mag deine aktuelle EP „Charleroi“ sehr, weil anders als beim Vorgänger „Pittsburgh“ musste ich weinen als ich sie gehört habe. Es hat mich emotional sehr berührt, auch wenn ich nicht so genau weiß wieso. Ich bin mit dem Thema emotional nicht verbunden.

Das musst du auch nicht sein. Vielen Dank, dass du das sagst. Es ist für mich auch ein emotionales Album. Ich weiß nicht wieso. Das erste, Pittsburgh, fühlt sich anders an, obwohl ich sie ziemlich dicht hintereinander gemacht habe…

Sie hören sich sehr verschieden an.

Und ich weiß nicht wieso. Es war das gleiche Studio, und viele der Instrumente waren die gleichen. Ich denke, es liegt am Thema. Das eine ist über die Person, das andere über eine andere. Die Geschichten waren sehr, sehr verschieden.

Natürlich. Pittsburgh hört sich auch nicht so deprimierend an, obwohl es auch vom Tod handelt.

Irgendwie war ich in einer feierlichen Stimmung als ich das gemacht habe. Es tat weh als meine Großmutter gestorben ist, aber es war auch… Ich stehe meiner Mutter sehr nah und meine Mutter stand ihrer Mutter sehr nah und ich war meiner Großmutter auch sehr nah. Diese Seite der Familie steht sich sehr nah, sie sind sehr eng verbunden, das ist bei der Seite meines Vaters nicht so. Es kam dann zu dem Punkt an dem meine Großmutter bereit war zu gehen. Es war nicht gut.

Das kann ich absolut nachvollziehen. Meine Oma ist vor anderthalb Jahren gestorben. Sie musste auch kämpfen.

Irgendwann dachten alle dass es besser wäre, wenn sie gehen würde. Ich dachte das auf jeden Fall. Meine Mutter und ich haben danach viel miteinander gesprochen. Sie war traurig, aber ein Teil von ihr war auch erleichtert, weil meine Großmutter anfing zu vergessen wer ihre Kinder waren. Das war sehr schmerzhaft für alle. Die neue EP über Thelma, die Großmutter, die ich nie kannte, da gab es keinen Frieden. Es war mehr so: Ich wusste endlich wie mein richtiger Nachname gewesen wäre, was auch immer das heißen mag… naja, eher wie mein genetischer Nachname war.

Man will ja wissen wo seine Wurzeln sind. Wir wurden letztens auch von einem Teil der Familie wiedergefunden, die vor ein paar Generationen in die USA ausgewandert sind. Meine Eltern fliegen jetzt rüber, um sie kennenzulernen.

Mein Onkel hat gerade herausgefunden, dass er eine Tochter hat und sie ist 42. Das ist aber eine längere Geschichte, die erzähle ich ein anderes Mal. Das kam aus dem Nichts. Ein Großteil der Geschichte ist passiert, weil ich einen DNA Test gemacht habe. Meine Kinder sind adoptiert und wir dachten, dass wir für uns alle herausfinden müssten wo unsere Eltern herkommen. Es ist alles sehr verwirrend. Es ist cool. Es ist eine gute Sache, aber sehr verwirrend. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes Familie, aber sie sind Fremde. Man kennt sie nicht.

Und dann gibt es noch die Geschichte, dass sie dachten, dein Vater sei tot. Das muss doch auch heftig gewesen sein zu erfahren, dass er es nicht ist, oder?

Ich glaube, sie waren einfach überrascht. Ich glaube, da gab es nicht so viele Emotionen, sie waren nicht geschockt, weil es nur so eine Geschichte war: ‚Oh, ja, sie hat eines der Kinder im Krankenhaus verloren. Das ist traurig.‘ Aber nein, das hat sie nicht und jetzt gibt es Kinder und Enkel – eine komplette weitere Linie. Das war gut. Ich habe sie noch nicht besucht, aber wir stehen über Facebook in Kontakt und haben Nachrichten ausgetauscht. Sie leben in Pennsylvania. Ich werde es vielleicht tun. Viele der Emotionen auf dem Album kommen nicht so sehr von mir als von meinem Dad.

Das habe ich mir gedacht, es hört sich so an als sei es seine Perspektive, als ob er mit seiner Mutter reden würde.

Das ist es auch. Ich verstehe es nicht. Ich bin nicht wütend, das liegt auch nicht an mir darüber wütend zu sein. Es ist seine Mutter. Ich habe nur Liebe und positive Gedanken für sie. Sie ist jetzt tot. Sie hat meinen Dad verlassen und er ist schon verletzt genug und will nicht wieder drüber reden. Das ist ok. Er ist 65.

Er hat schon so lange damit gelebt, da denke ich dass es schwer ist loszulassen…

Und sich wieder zu öffnen. Er ist glücklich, also warum auch? Auch wenn ich es nicht ganz nachvollziehen kann, kann ich ihn auch nicht dafür verurteilen. Zwischen ihm und mir gibt es diese Lücke.

Alte Menschen können sehr stur sein.

Das ist das perfekte Wort. Das ist mein Dad. Er war allerdings schon in seinen Dreißigern so, aber daran ist auch nichts falsch. Man muss selber entscheiden bei welchen Dingen es gut ist sich zu öffnen oder wann es schlecht ist. Das gibt es diese große Barriere. Ich öffne mich gerne. Ich mag Gefühle.

Ich weiß, das habe ich schon festgestellt.

Und du auch. Es ist nicht meine Geschichte, es ist ihre, aber als du die Songs gehört hast, konntest du sie fühlen.

Einige der Songs handeln auch von Vergebung.

Ja, ich hatte keine andere Wahl.

Das ist manchmal am schwersten.

Es ist einfacher zu hassen, wütend zu bleiben. Ja, zu verzeihen ist… Ich wurde so erzogen. Das verdanke ich meiner Mutter und Großmutter. Sie hat mir beigebracht, dass es der bessere Weg ist. Ich sage nicht, dass es einfach ist. Manchmal habe ich damit selber Probleme. Menschen haben mich schon vorher verletzt, aber ich glaube, ich habe öfters Menschen verletzt als sie mich. Es ist also in meiner Verantwortung wann immer ich kann zu vergeben. Einmal in der Highschool, vielleicht in der 11. Klasse, saß ein Mädchen hinter mir. Das typische amerikanische Highschool Mädchen in 1995 mit Freunden und Feinden und manchmal waren das die gleiche Person. Sie fragte mich: ‚Also, du hasst niemanden? Gibt es wirklich keinen?‘ Und ich meinte dann: ‚Nein, ich denke nicht‘. Sie war davon sehr irritiert und meinte: ‚Ich könnte so nicht leben, ich brauche jemanden zum hassen‘. Ich fühlte mich so merkwürdig und auch besorgt als ich drüber nachdachte.

Ich glaube, die einzigen Personen, die ich hasse, sind Menschen, die ich nicht kenne. Politiker oder so.

Es ist nicht persönlich, aber selbst dann hat dieses Gefühl etwas sehr destruktives. Ich gucke „The Walking Dead“ und da gibt es diesen einen Charakter namens Morgan. Er hat alles verloren und wurde verrückt, tötete ohne Rücksicht und verlor sich selber. Ein anderer Typ holt ihn mit nur vier Worten zurück: ‚Jedes Leben ist kostbar‘. Nur diese vier Worte und er soll alles lebendige schätzen. Man könne nicht einfach sagen, das eine Leben sei wertvoller als das andere. In letzter Zeit hat mich das sehr inspiriert. Es ist eine gute Erinnerung. Deswegen kann ich auch keine wütenden Lieder oder aggressive Rocksongs schreiben. Es ist nicht so, dass ich es nicht versuchen würde. Manchmal versuche ich es, weil es Spaß machen kann auch mal etwas lauter zu spielen, aber ich kann es nicht. Es funktioniert nicht, weil ich es mir nicht abnehme.

William Fitzsimmons, Live Columbia Theater 2, (c) Dörte HeileweltEs muss ja immer noch dir entsprechen. Ich erinnere mich noch an unser letztes Interview, da meintest du dass dich mal zu viele Leute bei den Aufnahmen beeinflusst hätten. Du bist dann mit deinem damaligen Produzenten Walla einen Schritt zurückgegangen. Und diese beiden EPs hast du wieder ganz alleine aufgenommen. Zurück zum Anfang, aber mit besserem Sound.

Genau. Es klingt jetzt besser, aber die Person hat sich nicht verändert. [lacht]

Ich liebe dein erstes Album „Until When We Are Ghosts“ immer noch. Für mich ist eine perfekte Produktion nicht wichtig so lange es die Gefühle vermittelt.

So lange es ehrlich ist. Letztens habe ich „Waiting for Superman“ von Iron & Wine gehört, ein Cover des Flaming Lips Songs. Es ist ein cooler Song. Es ist auf einem seiner ersten beiden Album „The Creek Drank The Cradle” oder „Our Endless Numbered Days”, glaube ich. Ich habe vergessen wie schlecht sich diese Alben anhören, es gab viele Geräusche auf dem Tape und das Mikrofon war schrecklich, aber ich habe es geliebt. Es hat mich so sehr angesprochen. Es ist wirklich schwer eine noch schlechtere Aufnahme zu machen. Sam ist brillant. Einer der Gründe wieso es so gut ist, ist die Art wie er es kommuniziert. Es ist so kraftvoll, dass man keine Produktion benötigt. Das war er gemacht hat, reicht völlig aus. Mehr braucht man nicht.

Es ist nicht schlecht, wenn man einen guten Sound hat, aber manchmal steht es den Emotionen auch im Weg.

Absolut. Ich habe einen Freund, der eine Pro-Audio-Webseite hat und Mikrofone und Prozessoren und so verkauft. Ich schrieb ihm, was er von dem Mikrofon und dem Prozessor halten würde. Ich dachte, ich bräuchte das für die neuen Aufnahmen. Er schrieb mir zurück: ‚Ich kann eigentlich nicht glauben, dass ich dir das jetzt schreibe – schließlich ernähre ich meine Kinder damit, Zeug zu verkaufen – aber mach einfach das Album, man. Ich weiß, was du besitzt und du hast genug Zeug. Mach einfach das Album.‘ Das war sehr cool. Nachdem das Album draußen war, habe ich ihm geschrieben und nochmal ausdrücklich gedankt. Er war derjenige, der mir die Sorgen genommen hat damit ich einfach loslegen und spielen konnte. Man vergisst das sehr leicht, weil man Angst hat. Man fängt an zu denken, dass man noch diesen Kompressor bräuchte, weil er sehr gut ist und der kostet 2000 Dollar, aber der Sound ist dann wirklich gut. Aber ein beschissener Song bleibt ein beschissener Song.

Nicht das beste Equipment der Welt kann einen schlechten Song retten.

Genau. Jemand hat mal gesagt, du kannst einen Scheißhaufen zwar polieren, aber es bleibt ein Scheißhaufen. Man kann ihn nur hübsch und glänzend machen. Das war eine gute Lektion und ich versuche dieser bei allem was ich zuhause mache zu folgen.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für unser Interview genommen hast!

Die beiden Minialben „Pittsburgh“ und „Charleroi: Pittsburgh Volume 2“ sind als „The Pittsburgh Collection“ bereits am am 01. April auf Vinyl erschienen.

William Fitzsimmons, Live Columbia Theater, (c) Dörte Heileweltwilliamfitzsimmons.com

Interview & Konzertfotos: Dörte Heilewelt