Interview mit Sunset Sons

sunset-sons-very-rarely-say-die-8717Bei manchen Alben muss das Setting stimmen, damit sie wie ein Komet einschlagen. Bei Sunset Sons‘ „Very Rarely Say Die“ war es zum Beispiel der erste sonnige Nachmittag bei 20°C, als ich auf meinem Balkon saß und als das Album laut aus meinen Boxen hallte. Zwar mochte ich das Album vorher schon gut, aber in dem Moment ist alles zusammengekommen und es war perfekt. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Band aus vier Surferjungs besteht, die sich im französischen Küstendorf Hossegor getroffen haben. Ihr erstes Album haben sie dort und in Peterborough, England, zusammen mit James Lewis (Arctic Monkeys) sowie in Nashville mit Jacquire King (Kings of Leon) aufgenommen. Es ruft einem förmlich Sommer entgegen, wenn es sich auch mit ernsten Themen wie dem Tod beschäftigt.
Vor einem Monat spielten Rob und Rory ein kleines Akustikset im Berliner Ramones Museum. Ich hatte das große Vergnügen mich vorher noch eine Runde mit Rory und Rob hinzusetzen und über die Aufnahmen zum neuen Album zu reden. Viel Spaß beim Lesen!

Die ersten Male als ich euer Album gehört habe war ich etwas verwirrt, weil es mit so viel Energie startet und den Hörer in ein Hoch versetzt und dann endet ihr mit einem Downer. Wieso habt ihr das gemacht?

Rory: Ich verstehe dass es ein Downer sein kann. Ich denke, das liegt daran, dass nur ich spiele. Unser Schlagzeuger Jet hat es sehr gut beschrieben: Wenn du es auf Vinyl kaufst, dann ist die erste Hälfte dafür da, wenn man sich für eine Party fertig macht. Die zweite Hälfte ist etwas sanfter, für den Morgen danach, wenn man gechillter ist, was ich mag. Man hat einen Mix. Es schien zu passen, dass man mal etwas Anderes macht. Du hast ja jetzt auch danach gefragt. Es funktioniert also. Und wenn man dann seinen Downer hatte, kann man wieder von vorne Anfangen und die Aufregung zurückbringen.

Gemacht um öfter gehört zu werden…

Rory: Definitiv. Ich denke, deswegen packt man ja nicht zu viele Songs auf das Album. Wenn es ein gutes Album ist, will man es ja immer wieder hören. Es gibt immer Unterhaltungen darüber, wie viele Songs auf einem Album sein sollen. Alben, die wir mögen, haben genug. [lächelt]

Wie schwer ist es Songs rauszulassen?

Rob: Es ist sehr schwer, weil wir so viele Songs haben…

Schreibt ihr schnell?

Rob: Ja, wir können schnell sein. Einige Songs haben wir in 20 Minuten geschrieben. Das hat sich einfach so ergeben und wir haben es geschafft sie schnell aufzuschreiben, aber dann gibt es auch andere bei denen es langsamer vorangeht. Man lässt sie dann liegen und kommt später zu den Songs zurück.

Rory: Das zweite Lied, das wir je geschrieben haben, war „She Wants“ und hat 20 Minuten gedauert. Wir meinten dann, wir könnten ein Album an einem Tag fertig haben. Wenn es ein oder zwei Stunden dauert wird es schon frustrierend. Das liegt daran, dass wir ungeduldig sind. Wir kriegen Sachen gerne fertig, aber manchmal ist es auch nett dem Prozess beim Wachsen zuzusehen.

Aber nur weil ihr schnell schreibt, heißt das nicht, dass es auch immer gute Songs sind, oder? Ein Musiker, ich glaube Costello, hat mal gesagt, man kann 100 Songs schreiben und mit Glück ist ein guter dabei.

Rory: Es gibt ja vier Meinungen in dieser Band und wenn da einer etwas nicht mag, dann fangen wir auch nicht an daran zu arbeiten. Manchmal versuchen wir es trotzdem und kommen zu dem Punkt an dem man an einen Text schreibt und alle so: „der ist nicht so gut, oder?“ Es entwickelt sich dann in der Regel nicht weiter. Wir nehmen nur Songs auf, die wir auch alle mögen.

Wenn ihr dabei so ungeduldig seid, seit ihr es im Aufnahmeprozess auch?

Rory: Ich bin es. Ich liebe es den anderen zuzuhören und auch zu hören wie alles zusammen kommt. Wenn Rob seine Sachen macht, sitze ich auf dem Sofa im Mischraum – ich liebe das. Wenn ich dann meine Sachen mache, ist es so: Wenn ich es beim ersten oder zweiten Take nicht hinkriege, fange ich an genervt zu sein. Wieso kriege ich es nicht direkt hin? Auf dem Album haben wir einen Song, ‚Gold‘, bei dem wir am Ende das Demo für das Album genommen haben. Es hat einfach funktioniert. Das war ein Take. Es ist für mich wirklich frustrierend, wenn ich es nicht in einem Take hinkriege, weil ich diesen Moment einfangen will. Wir sind nicht perfekt, aber wir versuchen Perfektionisten zu sein.

Rob: Man nimmt so viele Takes auf und am Ende geht man wieder zu Take zwei oder drei zurück. Aber man muss das einfach so machen um feststellen zu können was funktioniert und was nicht. Das ist eine der frustrierenden Seiten beim Aufnehmen.

Sunset Sons, Ramones Museum Berlin, (c) Dörte HeileweltWie war es mit Jacquire King als Produzenten arbeiten?

Rory: Es war eine absolute Ehre gefragt zu werden zu ihm zu fahren. Er wollte mit uns arbeiten und das war großartig! Wir waren so: „würdest du bitte mit uns arbeiten?“ Und er gleich so: „Ich mag was ihr Typen macht, lass es uns probieren“. Als wir das erste Mal nach Nashville rausgefahren sind, haben wir ein paar Songs zusammen aufgenommen und es hat wirklich gut funktioniert. Der erste Song, an dem wir zusammen gearbeitet haben, war „Know My Name“, der ist ja auch der erste Song auf dem Album.

Rob: Er ist mit uns total ausgeflippt. Es ging so schnell, dass wir in Nashville waren um das Album aufzunehmen. Ich weiß nicht, ob er darauf vorbereitet war, dass er noch so viel machen musste wie er es am Ende getan hat. Es war recht beängstigend, aber die Chemie stimmte. Die eine Hälfte vom Album stammt von diesem Trip, die andere haben wir anschließend in Frankreich aufgenommen. Wir hatten neue Songs geschrieben und es nicht alles ist so zurückgekommen wie wir es gerne gehabt hätten. Die ganze Erfahrung war einfach eine große Lernkurve, der wir gefolgt sind und durch die wir uns durchgearbeitet haben. Deswegen hat es auch ein Jahr gedauert.

Ihr habt ja auch an zwei verschiedenen Orten aufgenommen.

Rory: Eigentlich haben wir an einigen Orten aufgenommen. Wir waren in Nashville, Peterborough und Frankreich. Jacquire und sein Team sind gute Kumpels geworden. Wir waren einfach ein paar Freunde, die in einem großartigen Studio zusammen Musik gemacht haben. Das war ein Glücksfall.

Rob: Sie kennen sich wirklich mit ihren Sachen aus und für uns war es neu mit echten Profis zusammenzuarbeiten.

Wie schwer war es einen Weg zu finden mit den Profis zu kommunizieren?

Rory: Ich denke, es war sehr schwer. Wir hatten viel Glück. Das passierte aber ein paar Mal. Der Typ mit dem wir die erste EP aufgenommen haben, James Lewis, hat auch die andere Hälfte vom Album aufgenommen. Wir haben mit ein paar Produzenten gesprochen, aber er hatte irgendwas. Er hatte diesen Antrieb. Ich erinnere mich wie ich gedacht habe, dass er ein bisschen gemein sei. Er meinte: „So, ich werde folgendes tun, ich verschaffe euch eine Nummer eins, usw…“ Und ich dachte nur oha. Er meinte auch, er würde es schaffen, dass wir auf Radio 1 gespielt werden würden und er hatte nicht gelogen. Wir wurden auf Radio 1 gespielt. Er hat gute Connections und mag was wir machen. Wir arbeiten eigentlich nur mit Leuten, die wirklich eine Leidenschaft für unsere Sachen haben. Wenn jemand meint, dass du erfolgreich wirst und er allein deshalb ein Album mit dir machen will, dann ist das Bullshit. Man kriegt nicht die gleichen Emotionen und Gefühle hin, weil alles worüber sie sich Gedanken machen ist das Geld und welche Credibility sie erhalten, wenn sie ein Album mit uns machen würden. Aber wenn man als kleine Familie arbeitet, dann funktioniert es gut.

Haben die Orte, an denen ihr aufgenommen habt, auch die Musik beeinflusst oder waren die Songs schon komplett fertig?

Rob: Die Songs waren schon geschrieben, aber sie waren noch nicht so fertig wie wir es dachten als wir zur Vorproduktion zu Jacquire gefahren sind. Der Sound zwischen dem was in Nashville aufgenommen wurde und dem Material aus Frankreich unterscheidet sich definitiv. Ein Grund dafür war, dass wir den Sound unserer ersten EP zurückbringen wollten. Was wir dort eingefangen hatten, wollten wir auch auf unserem Album wiederfinden. Wir mussten dann herausfinden was von dem Material aus Nashville funktionierte, was zu poliert war, zu fortgeschritten klang und sich zu schnell weiterentwickelt hatte, wenn man bedenkt, dass wir eine neue Band sind.

Es ist gut, dass ihr das schon im Vorfeld festgestellt habt, viele zweifeln das ja nicht an.

Rob: Genau. Hätten wir es einfach so genommen, wäre es nicht das geworden, was es jetzt ist.

Rory: Wir haben Glück. Ich sage das immer wieder in Interviews: Wir sind keine dieser Bands, wo einer alles sagt. Wir sind vier starke Charaktere und wir haben alle eine Meinung.

Das sieht man ja auch auf der CD, da wird keiner als der Hauptsongschreiber hervorgehoben.

Rory: Man hätte weder das Album noch den Sound so hingekriegt, wenn es nur einer wäre. Es gibt so viele Einflüsse. Pete liebt Metal und auch wenn wir absolut keine Metalband sind, zeigt sich das schon. Vielleicht kannst du es nicht direkt hören, aber er spielt manchmal Metal, wenn auch keine Riffs. Das kann einen Song schon ändern. Ich mag Metal auch, aber ich höre es nicht sehr regelmäßig. Ich habe meine eigenen Einflüsse, Britpop der 90iger. Eben das Zeug, das ich gehört habe, als ich mich für Musik zum ersten Mal begeisterte.

Man hört die verschiedenen Einflüsse schon. Ich denke, die Songs unterscheiden sich ziemlich stark voneinander. Die erste paar Hördurchgänge waren etwas schwierig, weil jeder einzelne Song so viel Energie besitzt. Es ist ein Ohrwurm nach dem anderen, es ist mir fast zuviel. Ich fand es wirklich schwer mir einen einzelnen Song zu merken, weil sie alle sehr stark sind. Eigentlich ja was Gutes.

Rory: Ich hab mal drüber nachgedacht, was wir mit unserer Musik erreichen wollen. Wenn wir live spielen, ist es eine Wand aus Lärm. Ich spiele Keys und Menschen die Piano spielen tendieren dazu zu denken, dass sie nicht genug Power haben. Man empfindet es als wäre es ein wenig zu viel, nicht wie beim Heavy Metal, aber es gibt live diese Lärmwand die dich trifft. Im Moment genießen wir was wir machen.

Das solltet ihr auch! Es kann ja auch langweilig sein, wenn man etwas beim ersten Hören sofort mag.

Rory: Ganz ehrlich: Wenn du unsere Musik nicht magst, dann mag sie nicht, aber Tunes können auch wachsen, sie wachsen mir an Herz. Wir hören unsere Songs ja immer wieder. Es gibt diesen Song „September“, bei dem ich mir nicht sicher war, ob ich ihn mag als wir angefangen haben ihn zu spielen. Er kam aufs Album und hatte irgendwas an sich. Je öfter ich ihn dann gehört habe, desto mehr bin ich zum Fan des Songs geworden. Jetzt liebe ich es ihn live zu spielen.

Wir fangt ihr an einen Song zu schreiben?

Rory: Das ist ganz verschieden. Rob hat einen anderen Style als ich beim Schreiben. Er spielt Gitarre und singt auch. Bei mir fängt es mit einer Autofahrt an. Wenn ich alleine im Auto bin und mich keiner hören kann und ich rumfahre, dann summe ich eine Melodie. Für mich ist es immer erst die Melodie. Ich stelle dann das Telefon an und nehme eine Voicememo auf und fange an so laut wie möglich zu singen. Und dann gehe ich zu den anderen und sage: „Jungs! Ich habe einen Song!“

Rob: Wir gucken uns stundenlang an, dann kommt was raus und wir jammen es dann aus, machen zusammen Musik, packen noch ein paar Schichten drauf. Dann hat jemand einen coolen Verse, dann der Chorus… Wir arbeiten uns da einfach durch und machen ein Stück Musik.

Rory: Wir haben da sehr viel Glück. Das merkt man erst, wenn man mal mit jemand anderem jammt. Da will dann jeder mal die Führung übernehmen oder will, dass seine verschiedenen Ideen gehört werden und so weiter. Ja, natürlich wollen wir das auch, aber… Wenn ich anfange etwas zu spielen, setzt Rob was oben drauf, dass es komplimentiert und Pete komplimentiert Rob und das Schlagzeug hält am Ende alles zusammen. Es ist schräg. Es funktioniert. Manchmal funktioniert es auch nicht, aber wenn es funktioniert ist es ein besonderer Moment für mich. Du bist in einem Zimmer und da springt ein neuer Song von den Wänden.

Vielen Dank für das Interview, Rob und Rory!

Das Debütalbum „Very Rarely Say Die“ ist bereits am 1. April bei uns erschienen und Ende des Monats sind sie in Deutschland unterwegs:

20.04. Stuttgart – LKA Longhorn
27.04. Hamburg – Übel und Gefährlich
28.04. Berlin – PBHF Club
29.04. Köln – Die Kantine
30.04. München – Technikum


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Interview & Livefoto: Dörte Heilewelt