Kaum ist das neue Album „High Noon“ der Arkells da, sind die fünf Jungs wieder ohne Pause unterwegs und tun, was sie am besten können: live gute Laune vermitteln. Nach dem Dachterrassenkonzert von FluxFM hatte Leadsänger Max Kerman Zeit für uns und erzählte von Rockbarshows, Wollsocken in Birkenstocks und Hamilton in Kanada.
Gerade eben habt ihr noch auf der Dachterrasse von FluxFM gespielt. Heute Abend gibt es ein weiteres Konzert. Du hast vorhin schon erzählt, dass ihr nachts gerne wie verrückte Affen durch die Gegend springt. Eben habt ihr euch ein kleines bisschen zurückgehalten.
Wir spielen total gerne in verschiedenen Venues. Es gibt diesen Ausdruck: „We can play on the back of a horse’s ass.“ Ich finde das passt ganz gut. (lacht) Der Dachterrassen-Gig vom Radio war cool. Die Sonne hat geschienen, es war am Nachmittag, perfekt für eine entspannte Show. Dazu passte dann auch der Cover-Song „My Girl“. Das haben wir uns spontan überlegt. So einen Gig auf dem Dach haben wir noch nie vorher gemacht. Die Shows in den Clubs fallen uns fast ein bisschen leichter. Das machen wir einfach schon so lange: vor verschwitzten, jungen Leuten spielen, die tanzen und Spaß haben wollen. Solche Auftritte fühlen sich „am normalsten“ an. Aber natürlich lieben wir auch alle anderen Gelegenheiten, bei denen wir live spielen dürfen.
Fühlt ihr euch dann bei solchen speziellen Auftritten auch manchmal ein bisschen unwohl?
Es ist halt einfach etwas anderes, also ein bisschen schon. Aber es ist eine super Herausforderung. Das sage ich mir eigentlich bei allem, was wir machen. Alles ist eine Herausforderung. Das einfachste ist halt eben ein Gig in einer Rockbar. Die anderen Dinge weiß man dann immer anders zu schätzen. Die Leute in einem Raum für sich zu gewinnen ist so ein gutes Gefühl.
In Kanada spielt ihr in ausverkauften Läden, ihr seid super bekannt. Hier kennen euch noch nicht so viele Leute. Wie fühlt sich das an?
Wir haben nie das Gefühl gehabt, dass wir berechtigt sind Fans zu haben. Wir sind sehr glücklich und dankbar dafür, dass Leute interessiert sind. Wenn wir an einen unbekannten Ort kommen, ist es wieder eine neue Herausforderung. Als wir letztes Mal in Berlin waren, haben wir im Magnet Club gespielt und es war so cool, dass dort 300 Leute aufgetaucht sind. Sowieso ist bei einer Show die Energie der Leute wichtiger als die Anzahl der Gäste. Wenn wir vor 30 Leuten spielen und die total durchdrehen, dann fühlt sich das super an. Andersrum kann es sein, dass wir vor 500 Leuten spielen und jedem ist es scheißegal, was wir da machen.
Ihr wollt die Leute zum Tanzen und zum Mitsingen anregen, alle sollen Spaß haben. Wie muss eine Show sein, damit ihr selber am meisten Spaß habt?
Die perfekte Show findet statt, wenn die Band und auch die Gäste ihr Bestes geben. Manchmal ist es frustrierend, wenn wir alles geben und das Publikum reagiert nicht wirklich. Ich denke, dass wir immer unser Bestes geben. Allerdings habe ich schon Bands gesehen, die sich nicht mehr wirklich anstrengen, obwohl das Publikum total verrückt ist. Das ist nicht fair! Es muss also ein gleiches Verhältnis geben. Für mich ist das der Spirit vom Rock’n’Roll. Dieses Gemeinschaftsgefühl, durch das ein großartiges Event entsteht.
Eure Verbindung zu Kanada und insbesondere der Stadt Hamilton ist euch sehr wichtig.
Hamilton ist nur eine Stunde von Toronto entfernt. Es ist kein Vorort, sondern eine eigene Stadt. Die Stahlindustrie war dort früher das Hauptgewerbe und vor 30 Jahren waren Hamilton und Toronto fast gleichwertig. Dann ging es aber irgendwie bergab und es wird erst jetzt wieder besser. Es hat eine echt interessante Atmosphäre aufgrund der Geschichte. Ich bin zwar in Toronto geboren, aber in Hamilton zur Uni gegangen. Da habe ich die anderen Jungs kennengelernt… Die Arkells sind entstanden! Wir haben uns nach einer für uns wichtigen Straße in Hamilton genannt.
Wer sind die „Cynical Bastards“?
In dem Song geht es auch wieder um Hamilton. Kennst du den Ausdruck: „Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, sollte man lieber gar nichts sagen…“? So viele Leute veralbern unsere Stadt, weil sie eben nicht so hip ist wie Toronto. Das ärgert mich so sehr. Die Leute, die in Hamilton leben, tun ihr bestes, um die Stadt schön zu machen. Ja, der Ort ist echt ein bisschen verrückt, ein bisschen kantig, aber die Leute dort sind super.
Euer neues Album heißt „High Noon“. Der Titel kommt von dem gleichnamigen 1952er Film, stimmt’s?
Ja, der Film hat uns inspiriert. Wir haben einen Titel gesucht, der die Stimmung vom Album einfängt. Musikalisch hat das Album einige filmische Elemente, zum Beispiel die Streichinstrumente und die Produktion. Es fühlte sich ein bisschen wie ein Film an. Außerdem ist das Album ein bisschen konfrontativ. „High Noon“ ist ja ein Stand-Off zwischen zwei Leuten. So wie wir denken ist es natürlich nicht gewaltsam, aber schon irgendwie eine Abrechnung.
Menschliche Verbundenheit & Empathie vs. Geld & das System. Es geht euch darum, Leute zu erinnern, was wichtiger im Leben ist. Was hilft euch selber, damit ihr nicht in die Falle geratet, dies zu vergessen?
Das kann natürlich schnell passieren, wenn man in seiner eigenen glücklichen Seifenblase vor sich hin lebt. Also muss man sich mit den Geschehen in der Welt auseinandersetzen, um zu verstehen was los ist. Deswegen gefällt mir Hamilton auch so gut, weil dort alle möglichen Menschen aufeinander treffen. Ich bewundere auch viele in meiner Familie oder in meinem Freundeskreis, die etwas wirklich Wichtiges tun, wie zum Beispiel Rechtsanwälte für Soziale Gerechtigkeit, Ärzte… Das erinnert einen daran, sich selber nicht so wichtig zu nehmen.
Es dreht sich bei euch ja auch oft um politische Dinge. Nicht nur um soziale Politik, sondern auch um die Politik der Liebe…
Ja, darum geht es eigentlich immer. Die Themen vermischen sich in unseren Songs.
Ich musste sehr lachen, als ich bei „Never Thought That This Would Happen“ den Text über die Wollsocken in den Birkenstockschuhen gehört habe. So laufen hier tatsächlich die Hipster rum.
(lacht) Im Laufe des Tages sammele ich immer verschieden Ausdrücke, die mir über den Weg kommen oder irgendwas, was mir so einfällt und verarbeite das in den Songs. „Woolly socks in Birkenstocks“ stand schon eine Weile in meinen Notizen. Es scheint ein sehr beliebter kanadischer Stil zu sein. Sogar im Sommer.
Basiert die Lovestory in „11:11“ auf einer wahren Geschichte?
Ja! Die Geschichte spielt in der Bar „Casbah“ in Hamilton und es geht um das Aufgeregtsein, wenn man jemanden zum ersten Mal trifft. Um dieses nervöse Gefühl, das sich aber auch irgendwie gut anfühlt. In dem Song erzähle ich die Geschichte, wie ich meine Freundin kennengelernt habe.
Interview: Christina Heckmann