Interview mit Michael Schulte: „Im Moment habe ich einfach eine gute Zeit.“

Eigentlich besucht Michael Schulte mit seinen Freunden gerade ein Konzert. Trotzdem nimmt er sich die Zeit, mit mir am Telefon über sein am 3. Oktober kommendes zweites Album „The Arising“, seine aktuelle Single „Rock and Scissors“ sowie seine neue musikalische Wahlheimat Mannheim zu plaudern. Und da er eigentlich auch nur wegen der Vorgruppe gekommen war, haben wir uns schnell fest gequatscht.

Bei dir gibt es musikalisch aktuell einige News. Im Herbst veröffentlichst du dein neues Album „The Arising“. Du warst im letzten Jahr viel im Studio, hast Songs geschrieben. Der Albumtitel lässt an einen Neubeginn denken. Was ist das Neue an „The Arising“?

Auf jeden Fall gibt es darauf ganz viele neue, coole Songs. Ich bin sehr glücklich damit. Es ist eine relativ bunte Mischung, würde ich sagen: Es gibt ein paar ruhige Songs, es gibt aber auch welche, die recht groß und episch sind und sicherlich gibt es auch hier und da ein paar Momente, die überraschen. „Take It All Away“ haben wir zum Beispiel noch einmal komplett auseinander genommen und er ist im Ergebnis noch mystischer und melancholischer geworden und geht dann irgendwann in ein episches Durcheinander mit verzerrter E-Gitarre und Chor über. Und zum Titel…Neubeginn…Ja, so fühlt sich das für mich gerade an. Ich bin ja noch nicht so lange in der Musikbranche. Natürlich bin ich auch stolz auf „Wide Awake“, das erste Album, aber es war noch nicht das, was mich persönlich wahnsinnig glücklich gemacht hat. Das war ein erstes Antesten. In den letzten anderthalb Jahren habe ich mich zum ersten Mal so richtig selbst verstanden und habe einen Stil gefunden, der anders und neu ist. Das ist für mich jetzt einfach das, was ich machen möchte, sozusagen der Anfang von dem, was ich machen möchte und es fühlt sich gerade alles so an, als hätte ich einmal auf den Reset-Knopf gedrückt. Ich meine, man kommt aus so einer Show raus und dann ist der Rummel erst einmal wahnsinnig groß. Natürlich ist die Aufmerksamkeit nach ein bis zwei Jahren kleiner als direkt danach. Ich fühle mich jetzt wie ein Newcomer – ein Newcomer mit einer doch recht ansehnlichen Fanbase und kann mich jetzt einfach hochspielen mit der Musik, die ich am liebsten mache, mit neuen Songs und einem unfassbar guten Sound. Deswegen passt dieser Titel einfach sehr, sehr gut. „The Arising“ – der Anfang. Wie ein Phoenix aus der Asche sozusagen, es ist einfach sehr passend gerade.

Ist es dir leicht gefallen, dich im Endeffekt für die Songs zu entscheiden, die final auf dem Album zu hören sein werden?

Eigentlich ist das immer ganz einfach. Ich habe insgesamt ca. 20 Songs fürs Album geschrieben. Im Prinzip merkt man schon direkt nach dem Songwriting, welche Songs in Frage kommen und welche gar nicht in die engere Auswahl kommen. Ehe man sich für die finalen Songs entscheidet, muss man dann noch einmal zwei bis drei aussortieren. Es ist jedoch schnell klar, welche Songs am besten zusammenpassen, welche am stärksten sind und welche auch mir selbst am besten gefallen. Das Label (Anm: VeryUs Records) spricht an dieser Stelle natürlich auch noch ein Wörtchen mit, aber bisher waren wir uns bei der Songauswahl immer einig.

Die Songs, die aussortiert wurden, verschwinden sie dann irgendwo in der Schublade oder kommen sie später noch einmal zum Einsatz?

Ja, sie landen in der Schublade. Es gibt Songs, die behalte ich sozusagen in meiner eigenen Schublade. Es gibt aber auch Songs, die von meinem Verlag in einen Katalog eingestellt werden und die dann frei zugänglich für andere Musiker sind. Ich glaube, in den letzten ein bis zwei Jahren waren es circa vier Songs, die so ausgewählt wurden. Zwei meiner Songs sind zum Beispiel nach Polen gegangen. Ich habe auch die finale Version in polnischer Sprache gehört und das war schon lustig, aber natürlich auch schön, gerade für mich als Songwriter. Zudem ist es auch finanziell förderlich, wenn ich als Songwriter für andere aktiv sein kann. Das ist eine Nische, die ich mir als zweites Standbein so langsam aufgebaut habe und auch jetzt noch weiter verfolgen möchte.

Ok, aber wie ist das für dich, wenn du für andere Künstler schreibst? Gehst du da anders vor, als wenn du Songs für dich selbst schreibst?

Ich finde es auf jeden Fall wesentlich einfacher, weil man sich nicht so groß Gedanken machen muss, was den Text angeht. Alles, was ich für mich selbst schreibe ist sehr persönlich und es dauert daher seine Zeit, bis der Text steht. Wenn ich für jemand anderen schreibe, kann ich einfach drauf los schreiben. Manchmal gibt es für die Musik ein Briefing vom Künstler, aber was das Texten angeht, bin ich wesentlich freier. Ja, es ist einfacher, weil man nicht den Druck hat, dass man den Song irgendwann auch mal live auf der Bühne singen wird. Und von daher ist das eigentlich eine schöne Sache und sehr spannend.

„Rock and Scissors“ ist die erste bereits veröffentlichte Single aus deinem neuen Album. Warum hast du dich für diesen Song entschieden?

Tatsächlich hatten wir zunächst einen anderen Song als Single ausgewählt, doch dann hatte ich noch ein letztes Writing und da ist unter anderem „Rock and Scissors“ entstanden. Den fanden wir dann alle so großartig, ich, mein Label und auch mein Management. Es ist ein starker Song, sowohl inhaltlich als auch vom Arrangement her: balladesk am Anfang und dann wird er irgendwann episch. Wir wollten mit einem Song nach draußen gehen, der anders ist als erwartet. Man hofft natürlich, dass er dazu beitragen wird, dass sich das Image von einem Schmusesänger, der bei YouTube seine Videos hochlädt, wandelt. Ich bin auch sehr glücklich mit dem Video, das wir dafür geshootet haben. Jetzt sind wir schon in den Planungen zur zweiten Single, zu der es auch die EP geben wird im Mai. Es geht also immer weiter, richtig Stillstand gibt es eigentlich nicht.

Werden die Songs auf deiner neuen EP auch inhaltlich zusammen passen?

Ja, sie werden sowohl inhaltlich als auch soundtechnisch gut zusammenpassen. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es eine EP mit sehr, sehr ruhigen Songs sein wird, teilweise mit sehr ausgetüftelten Arrangements, wobei bei einigen Song z.B. statt einem Schlagzeug nur Percussions auf einem Gitarrenkoffer zum Einsatz gekommen sind. Wir haben uns einfach einen Gitarrenkoffer geschnappt und darauf rumgeklopft und so einen Beat erzeugt. Das klingt total spannend. Die zweite Single ist definitiv einer meiner absoluten Lieblingssongs auf der Platte, wenn nicht sogar der Lieblingssong.

Da wir gerade beim Interview sind… Du hast vor kurzem einem englischen Radiosender ein Interview gegeben. Wie reizvoll ist es für dich, im englischsprachigen Ausland erfolgreich zu sein? Ist es vielleicht ein Traum von dir zum Beispiel auch einmal in England oder den Staaten auf Tour zu gehen?

Das auf jeden Fall, wenn sich da irgendwann die Möglichkeit bietet. Und aktuell ist das für mich echt sehr schön, dass die Leute in England irgendwie total auf meine Musik stehen, die Single dort gespielt wird und ich jetzt sogar Interviews geben darf. Mir wird oft gesagt, dass meine Songs sehr international klingen. In Deutschland ist es ja manchmal ein bisschen schwierig, gerade, was englischsprachige Musik aus Deutschland angeht. Da werden oftmals Künstler aus England oder Amerika bevorzugt. Man hat auf jeden Fall kein leichtes Leben mit der Musik, die ich jetzt hier mache in Deutschland. Und wer weiß, vielleicht starten wir irgendwann richtig in England durch und kehren dann nach Deutschland zurück. Ich meine, wer kann das schon von sich behaupten, dass seine Musik auch in England gespielt wird und sogar Interviews führen kann…Das ist schon ziemlich cool. Ich muss schon sagen, dass ich sehr, sehr glücklich drüber war. Das war schon eine große Ehre für mich, weil ich eben nicht Engländer bin, sondern ein Deutscher, der einfach nur englische Musik macht. Und dass Leute in England das gut finden, ist natürlich ziemlich stark.

Im letzten Jahr hast du dein Debüt als Synchronsprecher für die Rolle des Managers in dem Animationsfilm „Jets“ gegeben. Wie war diese Erfahrung für dich und könntest du dir vorstellen, in Zukunft weitere ähnliche Projekte anzunehmen?

Ich mache das total gern. Ich glaube nur, dass es wesentlich talentiertere Sprecher gibt. Ich kenne da einige…was die mit ihren Stimmen machen können, das ist schon unglaublich. Aber scheinbar habe ich auch eine Stimme, die zumindest einigermaßen passend für sowas ist. Und mir macht das Spaß. Diese Erfahrung, im Studio zu sitzen und in einem animierten Film einer Rolle sozusagen eine Seele zu verleihen, das war schon sehr, sehr schön und ich bin jetzt auch nicht abgeneigt in Zukunft weitere Rollen anzunehmen…Wollen wir mal schauen, was da auf mich zukommt. Das kann dann wie das Songwriting ein weiteres Standbein neben der Musik sein. Wenn das jetzt eventuell mit der Musik nicht so wahnsinnig gut klappen sollte, dann ist man sehr dankbar über jegliche andere Projekte, die sich anbieten.

Was ist denn deiner Meinung nach der beste Song, der jemals geschrieben wurde?

Hmmmm…Ich bin ja immer sehr, sehr schlecht im Highlighten…Ich könnte dir jetzt zum Beispiel nicht sagen, was mein Lieblingsfilm ist, was mein Lieblingsbuch ist – obwohl doch, mein Lieblingsbuch kann ich nennen, denn ich habe nur Harry Potter gelesen… Aber was meinen Lieblingsfilm oder Lieblingssong angeht, fällt mir die Antwort schwer. Ich könnte dir jetzt Künstler nennen, die ich gerne mag. Ben Howard ist super. Momentan bin ich auf London Grammar und Alt-J hängen geblieben. Früher habe ich viel Loreena McKennitt gehört – die hör‘ ich jetzt auch noch, und Enya…Da müsste ich jetzt echt lange überlegen, welches mein Lieblingssong ist. Es gibt natürlich ein paar Songs, die mir sehr viel bedeuten. „Book Of Love“ zum Beispiel, das ist so ein Song, der ist schon sehr, sehr weit oben bei mir oder auch von Ben Howard „Depth Over Distance“. Das ist ein sehr schöner Song, den ich übrigens heute aufgenommen habe.

Du wohnst seit Kurzem mit Max Giesinger und Steffen Graef in Mannheim in einer Musiker-WG zusammen. Was gefällt dir an Mannheim besonders gut und was vermisst du im schönen Baden?

Schön ist in Mannheim, dass hier alle meine Musiker-Kollegen sind und wir alle relativ dicht beisammen sind. Das erleichtert natürlich alles rund um die Musik. Wir können zum Beispiel alle immer in der Popakademie proben. Es ist einfach schön, mit den Jungs und meinen ganzen Freunden, die ich jetzt hier mittlerweile kennengelernt habe, abzuhängen. Das ist eine sehr, sehr familiäre Sache. Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich für immer hier in Mannheim bleibe…Ich bin ja auch sowieso immer irgendwo unterwegs. Ich glaube, spätestens nach 5 Jahren werde ich wahrscheinlich nach Hamburg oder Berlin ziehen wollen. Jetzt wollen wir natürlich mal schauen, was in den nächsten Jahren passiert. Aber ich mag die Menschen hier in Mannheim total gerne, das sind herzerwärmende Menschen. Und im hab‘ ich einfach eine gute Zeit.

Mit Max hast du in der Vergangenheit auch schon musikalisch zusammengearbeitet. Neben Covern habt ihr auch schon zwei eigene Songs präsentiert, „Stormy Days“ und „Jimmy“. Habt ihr noch weitere gemeinsame Werke in der Schublade?

Ja, wir haben noch weitere gemeinsame Werke. Wir wollen auch irgendwann mal unser Duo-Projekt angehen – ob das jetzt irgendwann dieses Jahr sein wird oder erst in ein paar Jahren, das kann ich noch nicht sagen. Das hängt auch davon ab, was bei unseren eigenen Projekten passiert. Und ich denke, so etwas würde auch in vier Jahren noch total gut passen. Wir sind ja noch relativ jung, ich bin jetzt 23 und Max 25. Von daher wollen wir uns auch nicht hetzen lassen, sondern wir konzentrieren uns vorerst beide auf unsere Soloprojekte. Wir haben jedoch beide auf jeden Fall große Lust auf das Duo-Projekt.

Wenn man auf Google nach deinem Namen sucht, stößt man sehr schnell auf deine Social Media Profile, wo du sehr aktiv bist…Facebook, Twitter, Instagram. Als Fan ist man eigentlich bei allem, was du erlebst sehr nah dabei. Wie wichtig ist es dir, deine Follower an deinem Leben so teilhaben zu lassen?

Darüber denke ich eigentlich nicht nach. Ich denk nicht: „Hey, ich muss die Leute jetzt ein bisschen füttern“, sondern ich mache das einfach nur, weil mir das Spaß macht und weil ich gerne Sachen aus meinem Leben erzähle. Die ganz persönlichen Sachen, die behalte ich natürlich für mich. Etwas mit meinen Fans zu teilen, hat zudem den schönen Nebeneffekt, dass die Leute, die meine Musik mögen, ein bisschen mehr als nur das Musikalische von mir kennenlernen und vielleicht noch eine bessere Verbindung zu mir aufbauen können. Dies trägt vielleicht auch dazu bei, dass sie meine Songs besser verstehen können. Ich glaube, es kommt einfach gut an. Ich sehe das zum Beispiel an der Fragerunde, die wir vor ein paar Tagen auf Facebook gemacht haben. Das hat mir sehr großen Spaß gemacht, weil ich dadurch auch einiges über mich gelernt habe. Es ist im Grunde ein Geben und Nehmen. Meine Listener geben mir etwas in Form von Feedback zurück…wenn sie schreiben, wie sie meine Musik finden oder mich als Person.

Zu dieser Fragerunde, die du auf Facebook gemacht hast, habe ich auch eine Frage. Und zwar hast du erwähnt, dass du an das Schicksal glaubst und dass sich einem, egal, was passiert, immer neue Wege eröffnen. Würdest du sagen, dass du von Grund auf eher positiv und optimistisch eingestellt bist?

In der Vergangenheit hatte ich nicht immer unbedingt eine positive Einstellung, aber heute versuche ich immer möglichst positiv zu denken. Ich habe natürlich auch meine Momente, in denen es mir nicht so gut geht, wo ich am Verzweifeln bin. Aber dann sage ich mir einfach immer, dass alles gut wird. Und man wächst ja auch mit jedem Tiefschlag. Es macht Sinn, sich selbst zu sagen, dass man jetzt nicht verzweifeln soll, sondern wieder aufstehen und weiter machen. Es gibt immer wieder Dinge, wo ich mich selbst auch frage: Warum ist das jetzt passiert? Und irgendwann, teilweise auch erst nach ein paar Jahren kann man rückschauend sagen: „Wenn das damals nicht so schiefgegangen wäre, dann wäre ich nicht dahin gekommen, wo ich jetzt bin. Und eigentlich ist es total cool, da wo ich jetzt bin.“ Und von daher bin ich da einfach momentan sehr positiv unterwegs, und glaube, wie du schon sagst, auch irgendwie an Schicksal.

Dann kommen wir auch schon zur letzten Frage. Was steht bei dir die nächsten Wochen und Monaten auf dem Programm? Hast du Zeit, auch mal in den Urlaub zu fahren?

Also, Urlaub ist immer ein bisschen schwierig, weil bei mir meistens ein bis zwei Sachen in der Woche anstehen. Jetzt gerade ist es ein bisschen ruhiger. Es sind aber einige Planungen zur EP im Gang, es gilt noch ein paar Akustik-Songs aufzunehmen. Wahrscheinlich nehmen wir auch „Rock and Scissors“ noch einmal akustisch im Studio auf sowie einen weiteren Akustik-Song, der nicht auf dem Album ist. Und dann folgt demnächst auch der Videodreh zur neuen Single. Und dann wird geschaut: Was kann man mit dem Album alles machen? Es gibt immer viele kleine Sachen zu tun. Und nebenbei steht dann auch wieder Songwriting für andere Künstler auf dem Programm. Aber zum Glück habe ich auch ab und zu mal ein paar Tage frei. Das ist ganz gut nach den letzten vier Monaten.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und so ausführlich geantwortet hast und alles Gute für den Album-Release im Herbst sowie für die Tour!

Interview: Marion Weber
Fotos (c) Sven Sindt


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