Interview mit Retro Stefson

Retro Stefson sind die isländische Entdeckung dieser Tage. Frisch von Universal unter Vertrag genommen, geht es für die junge Band momentan steil bergauf. Der Umzug nach Berlin erfolgt demnächst, dann beginnt schon die  Tour und die Festival-Saison steht auch bald vor der Tür. Wir sprachen mit Frontmann und Gitarrist Unnsteinn Stefánsson, Haraldur Stefánsson, Backing-Vocals und Percussions sowie Þórður Jörundsson, auch Gitarre, über übergroße Ohren, warum Mads Mikkelsen immer auf der Gästeliste steht und die Finanzkrise.

Wir sitzen verstreut an einem großen Konferenztisch bei Universal im achten Stock, mit hübschem Blick über die Oberbaumbrücke hinweg Richtung Süden. Auf dem immer-frisch-poliert wirkendem Tisch türmen sich verschiedenste Getränke, Gläser, Kannen und Süßigkeiten-Schälchen. Irgendwie scheinen die Isländer etwas überfordert mit der neuen Situation zu sein. Alles sei noch sehr unwirklich und neu erzählen die Skandinavier. Auf einem Festival von einem Agenten entdeckt, absolvieren sie ihren ersten Interview-Marathon.

Unnsteinn: Für uns ist das noch sehr merkwürdig und absurd. Als wir davon gehört hatten, dass Universal uns unter Vertrag nehmen will, sind wir erstmal aus den Schuhen gekippt. Jetzt ist erst einmal Promotion angesagt, dann kommt hoffentlich eine große Tour und dann sind da noch die Festivals. Außerdem ziehen wir jetzt auch nach Berlin.

Alle sieben in eine Wohnung?

Unnsteinn: Ne, wir haben in einem Haus zwei Apartments.

Und könnt ihr schon einen deutschen Satz?

Haraldur: Ja. (Lacht). Chill‘ deein Läben, du Opfa. Und meine Großmutter hat mir noch einen coole Satz beigebracht: So ischt das Läben, kurtz und schmutzisch.

Wenn euer Album ein Filmsoundtrack wäre, welcher Film würde das sein?

Unnsteinn: Einer der schon existiert?

Sagen wir einen der existiert und den anderen müsst ihr euch ausdenken.

Unnsteinn: Das ist eine schwere, aber gute Frage. Es gibt da einen Film, den ich vor kurzem gesehen habe. Da geht es darum wie alle Erwachsenen sterben und die älteren Kinder sich dann um die jüngeren kümmern. Die leben dann in Kaufhäuser und so. Ich hoffe wir klingen ein wenig danach. (Grinst)

Þórður: Den fiktionalen Film…Hmm das wäre ein Independent-Movie. Eine Mischung aus Wes Anderson und Quentin Tarantino.

Also dann würde Bill Murray mit ein paar Knarren durch die Gegend ziehen?

Þórður: Genau Bill Murray und Samuel L. Jackson. (Lacht)

Und wer ist der Bösewicht?

Þórður: Mads Mikelsen, ein klasse Schauspieler, mit dem ich auch gerne mal zusammen arbeiten würde. Egal ob musikalischer oder filmischer Natur. Für uns ist das komisch. Wir kennen ihn aus den skandinavischen Produktionen und dann geht er plötzlich nach Hollywood und spielt diese Monster und psychopathischen Typen. Ich setzte ihn immer auf unsere Gästeliste, aber er ist bisher noch nicht gekommen. Wahrscheinlich kennt er uns gar nicht.

Eure Texte sind in vier Sprachen. Wer beherrscht die alle?

Unnsteinn: Ich spreche Portugiesisch. Wir betrachten unsere Texte aber nicht als Botschaften, deshalb arbeiten wir frei von sprachlichen Einschränkungen. Uns geht es darum, dass Melodie und Text eine harmonische Einheit bilden. Das ist die Hauptsache.

Þórður: Da kommt es wirklich nicht so darauf an was sie aussagen, vielmehr geht es darum, dass sie gut klingen.

Unnsteinn: Auf unserem ersten Album hatten wir ein Lied, da war der Text in Spanisch. Das sollte ein Liebeslied werden und Spanisch war für uns einfach die erste Wahl.

Wenn ihr für euren Sound ein Genre erfinden dürftet, wie würde der Name lauten?

Unnsteinn: Afro-House. So würden wir unsere Musik nennen. Musik bedeutet für uns ganz viel. Manche Musik ist inspirierend, andere ist Spaß und Unterhaltung, dann gibt es wieder Musik, die eine gewisse Lebensart verkörpert. Musik bedeutet alles.

Was für Musik hört ihr, wenn ihr zum Strand fahrt?

Unnsteinn: Wenn wir zum Stand fahren – was in Island nicht so oft der Fall ist, weil es doch recht kühl dort ist – hören wir Musik wie zum Beispiel unser Lied „Karamba“, das mit einem Techno-Beat endet.

Þórður: Oder Hip-Hop „Still D.R.E.“ zum Beispiel. Aber wir mögen auch elektronische Musik.

Euer liebster Elctro-Act aus Deutschland?

Unnsteinn: Booka Shade sind super. Die haben mal an unsere Schule in der Mittagspause aufgelegt….

Ernsthaft? Mitten am Tag?

Unnsteinn: Ja. Eigentlich sollten sie am Abend davor spielen, aber der Flieger von denen hatte Verspätung. Also haben sie es am Tag darauf in der Mittagspause gemacht. Das war noch vor der Finanzkrise, als in Island jeder mit Geld um sich geschmissen hat, auch unsere Schule.

Okay, ihr hattet viel Geld. Wie ist es jetzt? Was hat sich geändert?

Unnsteinn: Die Leute haben nicht viel darüber nachgedacht, obwohl sie es nicht einmal hatten. Es war elektronisches Geld, nur geliehen. Sie haben aber trotzdem Wodka mit Goldstückchen drin getrunken, jeder hatte einen großen Jeep mit Allradantrieb. Manche haben sogar Porsche-Partys veranstaltet. Solche Sachen, das war denen egal. Ziemlich eklig.

Þórður: Die Löhne gingen auf einmal nach oben, daraus ist es dann entstanden. Ein Boom, der keiner war.

Achtung, letzte Frage: Hättet ihr lieber ein riesengroßes Ohr, in dem eine Kondor-Familie lebt oder eine extrem lange Nase, auf deren Spitze jeden morgen ein alter Mann sitzt, der Zeitung liest?

(Lachen)

Unnsteinn: Den alten Mann…

Þórður: Jeden Morgen? Dann müsst ich immer Zeitung lesen, das ist ok.

Haraldur: Bloß keine Vögel…

Unnsteinn: Er hasst Vögel. Er ist ein richtiges „Vögel-Opfaa“. (Lacht)

Þórður: Das ist die beste Frage heute gewesen.

Dann lassen wir es mal dabei bewenden. Vielen Dank und Erfolg euch!

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