„I am a big lyric man.“ – Interview mit Danny Griffiths von Archive

Im zweiten Teil des Interviews reden Danny Griffiths von Archive und ich über ihr Album „Controlling Crowds“, die Wiederkehr von Rapper Rosko John zum Kollektiv und wie sich manchmal einfach alles fügt. Im ersten Teil (https://fastforward-magazine.de/?p=5739) ging es um ihr aktuelles Projekt – eine Live DVD, die sie über Pledge mit ihren Fans zusammen ermöglichen.

Viel Spaß beim lesen.

Archive portrait joinertEine Sache, die ich mich immer gefragt habe ist, ob ihr Einfluss auf das Artwork eurer CDs  und dergleichen habt oder ob ihr einfach eure Musik wegschickt und guckt was zurück kommt?

Wir haben immer Einfluss. Wir mögen es, involviert zu sein und versuchen den Leuten klarzumachen was wir mit unserer Musik sagen wollen. Für „Controlling Crowds“ [Anm.: veröffentlicht 2009, ihr aktuelles Studioalbum] haben wir mit der Britischen Firma Hello Charlie aus Bristol zusammen gearbeitet. Als wir die ersten drei Teile von „Controlling Crowds“ in Paris gemixt haben, sind Hello Charlie nach Paris gekommen um uns zu treffen. Wir haben es ihnen vorgespielt und ihnen das Thema Kontrolle, um das es in diesem Album geht, erklärt und alles andere über das wir zu der Zeit nachgedacht haben. Als sie mit diesen ganzen Ideen zurückgekommen sind, war es phänomenal. Sie haben von Anfang an genau verstanden, worum es uns ging. Es war unglaublich. Letzten Endes ist es doch so: Wir betreiben als Band einen großen Aufwand, dass die Musik auf einem Level ist mit dem wir zufrieden sind. Das ist sehr wichtig. Es ist energiegeladen und emotional und es packt dich. Ich denke, dass das Artwork wichtig ist, das Visuelle, die Ausleuchtung der Show und all das muss auf diesem Level sein.

Man kann nicht ein großartiges Album wie „Controlling Crowds“ machen und dann ist das Artwork wirklich scheiße und alles andere ist auch wirklich Müll. Man kann sowas nicht machen und Menschen enttäuschen. Hello Charlie schienen genau verstanden zu haben worüber wir geredet haben. Sie kamen mit einer exakten visuellen Umsetzung von dem, was wir musikalisch zu sagen versuchten. Es war großartig. Sie haben diese merkwürdige Kreatur für „Controlling Crowds“ kreiert. Wir haben eine eigene Welt kreiert und sie haben das mit ihrem Artwork auch gemacht.

Als ihr angefangen habt die Songs für „Controlling Crowds“ zu schreiben, hattet ihr das schon im Hinterkopf?

Nein, nicht wirklich. Es ist eigenartig mit dem Album, weil es hat damit angefangen, dass Darius und Pollard [Berrier, Mitglied des Kollektivs] sich über das Thema unterhalten haben. Sie haben eines Nachts zusammengesessen und über Kontrolle geredet. Darius hat mir die Idee zu der Musik von „Controlling Crowds“, dem Song, vorgespielt und ich habe es sofort geliebt. Anschließend haben Pollard und ich den Text dazu geschrieben. Das ganze Thema Kontrolle schien mehr als ein Song zu sein. Ich habe darüber nachgedacht und ich hatte zu der Zeit schon viele Texte wie den für „Dangervisit“ ohne die Musik geschrieben. Ich hatte Texte im Kopf und die Idee blieb in meinem Kopf und wuchs richtig. Ich habe mit Dave [Pen, ebenfalls Mitglied] zusammengesessen und dann mit Rosko [John, war früher Mitglied, dann eine Zeit lang nicht mehr und seit „Controlling Crowds „wieder mit dabei]. Er hatte schon ähnliches Zeug geschrieben und es war erstaunlich, wie alles zusammenarbeite. Es war nichts geplant, es passierte einfach. Wenn man über ein Thema wie Kontrolle spricht und nachdenkt, ist es ein verdammt großes Thema. Im allgemeinen mag ich die Idee eines Konzeptalbums nicht. Es ist eins geworden und ich wurde glücklich damit. Am Ende haben wir zuviel geschrieben und noch einen 4. Teil hinzugefügt.

Der 4. Teil gehört Dave. Er hatte eine harte Zeit als Teil 1-3 entstand und hat nicht daran mitgewirkt. Er hat nur ein, zwei Songs darauf. Wir wollten, dass er mehr macht. Archive_02Erst hat Darius mit ihm Zeit verbracht und dann ich. Wir haben dann viel mehr geschrieben und deshalb ist er viel mehr auf Part 4 vertreten. Das ist das Gute daran, ein Kollektiv zu sein. Die Leute können sich einbringen, wenn sie in der Lage sind und wenn nicht, dann halt nicht – so funktioniert das. Darius und ich sind immer da und arbeiten und tun was wir tun.

Hattet ihr geplant, dass Rosko für dieses Album zurück kommt?

Nein, eigentlich habe ich mit Darius zusammengesessen, weil mir nach „Noise“ und „Lights“  das Hip Hop Element von Archive fehlte, weil das meine eigentlich Liebe in der Musik war. Ich liebe Hip Hop, er hat mich dazu geführt Musik zu machen. Ich mochte die Energie von dem was wir am Anfang gemacht haben. Ich liebe diese Alben, aber dieses Element entfernte sich immer weiter von mir. Darius und ich haben dann beschlossen ein Hip Hop Projekt zu machen. Es war wirklich ein merkwürdiger Zufall, weil Rosko lebte nicht bei uns in der Nähe, in einem anderen Teil von Großbritannien. Wenn wir ein Hip Hop Projekt machen wollten, konnte ich an keinen besseren denken als Rosko. Ich und Darius denken, dass er ein erstaunliches Talent ist. Er ist zu der Zeit nach Brixton gezogen – gar nicht weit von unserem Zuhause entfernt. Wir haben alles gemacht für das Projekt, dass nichts mit Archive zu tun hatte, auch Songs aufgenommen. Wir haben dann mit Dave und Pollard gesprochen, weil Rosko über die gleichen Themen sprach wie wir mit Archive und dachten dann, dass wir es mal zusammen versuchen sollten. Und es funktionierte. Rosko ist sehr glücklich darüber. Es passt perfekt. Ich will immer noch ein Projekt mit Rosko machen. Ich bin sehr glücklich.

Es scheint jetzt komplett zu sein…

Ja, es ist merkwürdig. Alles läuft zu Zeit rund. Es gab eine Zeit, in der wir kaum miteinander geredet haben. Es war eine seltsame Phase. Wir waren jung und wir wussten nicht was wir taten. Und jetzt 10, 15 Jahre später sind wir alle erwachsen geworden. Wir sind jetzt alle reifer. Rosko passt perfekt jetzt. Er versteht was wir machen. Es scheint jetzt richtig zu sein, es scheint als hätten wir all die Jahre erleben müssen um zu diesem Punkt zu kommen.

Wieso machst du deine Musik?

Der einzige Grund Geld zu verdienen ist, damit wir zurück ins Studio gehen können und mehr Musik machen können. Wir sind nicht an Geld für uns selber interessiert. Wir sind in der sehr privilegierten Position Musik machen zu können. Ich denke an keine anderen Personen oder Fans während ich Musik mache. Wenn man die Erwartungen anderer Leute erfüllen wollen würde, würde man es nur versauen und man würde nicht mehr das machen, was man eigentlich machen will. Alles was Darius und ich je gemacht haben, war vermutlich sehr egoistisch. Alles was ich machen will ist weiterhin gute Musik zu machen und größer und besser zu werden und eine großartige Band zu werden. Die Bands zu denen ich aufsehe, wie Radiohead, machen die Dinge auch auf ihre eigene Art und Weise. Es mag vielleicht kitschig klingen, aber es ist eine wunderbare Sache. Es ist wirklich nicht die komplizierteste Sache der Welt, es ist Musik. Es ist merkwürdig und es ist das, worum sich alles dreht. Wir können das machen so lange wir wollen. Ich will nicht unbedingt ein 60 jähriger Rocker sein, der nur rumhängt oder so etwas in der Art.  Aber ich habe nie etwas anderes gemacht.

Ich mache jetzt seit 22 Jahren Musik. Es fühlte sich einfach natürlich an. Es hat sich einfach richtig angefühlt und ich hätte nie gedacht da zu sein, wo ich heute bin. Ich hätte es nie gedacht, als ich damals in einem Studio saß und ein Album gemacht habe. Es war so: Darius und ich saßen in einem Studio und wählten aus, was wir zwei Wochen später auf unserem Label veröffentlichen wollten. Und jetzt sind wir in dieser Position Archive_03und spielen für so viele Leute – das ist verdammt großartig.

Es klingt vielleicht scheiße, aber es ist wie seinen Traum zu leben. Es ist schön. Die Band ist phänomenal. Darius und ich sind faul – wir schreiben und produzieren Musik und glücklicherweise sind wir von Musikern umgeben, die es besser klingen lassen können als wir selber. Wir touren mit anderen gleichgesinnten Leuten. Es ist alles sehr positiv und wir bewegen uns alle in die gleiche Richtung.

Wie hast du angefangen Musik zu machen?

Ich mochte Musik schon immer. Ich habe nie gelernt irgendwas zu spielen. In der Schule war ich immer das Kind, das Compilations für andere Kinder gemacht hat, Hip Hop Compilations und solche mit all der neuen Musik in den 80igern. Als ich mit 17 die Schule verlassen habe, habe ich in Plattenläden gearbeitet und habe das Zeug verkauft. Dann habe ich mich dazu entschlossen als DJ zu arbeiten und dann wollte ich die Musik selber machen, die ich auflegte. Ich saß gewöhnlich daheim mit zwei Turntables und einem Mixer, der einen Sampler drin hatte. Er machte Samples von Beats und Rhythmen, und ich habe damit herum gespielt.

1989 habe ich Singles veröffentlicht. Darius habe ich 1990 in einem Studio in Brixton kennengelernt. Er ist ein Verrückter. Er hat damals Schlagzeug gespielt. Ich erinnere mich an das Studio in Brixton und er kam rein, trug seine Brille und eine Seite war mit Tape repariert. Ich dachte, wer ist dieser Typ, er ist wirklich interessant, und als er reinkam, hat er einfach angefangen Schlagzeug zu spielen, weil es ein Schlagzeug im Studio gab. Wir haben eine Weile gequatscht und haben ein paar Songs zusammen aufgenommen. Eine Zeitlang hatten wir ein Plattenlabel und machten House. Dann bin ich für ein Jahr nach Australien gegangen um als DJ zu arbeiten. Ich kam zurück und Darius hat mit Rosko gearbeitet. Ich mochte es. Es war Hip Hop. Das ist der Grund wieso ich glücklich bin, dass wir wieder zusammen sind – ich mag Roskos Style. Damals war es leichter, poppiger Hip Hop. Ich fand den Style nicht so gut und so hat Darius mich gefragt, ob ich mitmachen will und ab da wurde es ein wenig düsterer. Ich habe mich angeschlossen. Ich will sagen, Darius ist mein Bruder und seitdem waren wir immer so.

Es ist wirklich schön zu sehen, dass ihr schon so lange zusammen arbeitet.

Es ist ziemlich großartig. Bei vielen Bands hält es nicht so lang. Die Sache mit Darius ist, dass wir zwar unsere Diskussionen und unsere Streitigkeiten haben, aber wir wissen wo wir her kommen und wir kennen uns sehr gut. Es ist wirklich kraftvoll. Ich denke, wir beide schätzen es und Archive würde ohne den anderen nicht existieren. Wir brauchen uns gegenseitig. Das ist wichtig.

Das ist gut zu hören. Es lässt uns hoffen, dass Archive noch lange existieren wird.

Ich denke, um ehrlich zu sein, das werden wir. Archive fühlt sich immer jung an, fühlt sich neu an, es fühlt sich immer frisch an, weil wir so viel experimentieren und immer neue interessante Ideen aufkommen. Es ist schon eine lange Zeit, aber es fühlt sich nicht so an. Dave, Pollard und Rosko sind involviert, die alle jünger sind als wir und mehr Energie. haben. Wir haben sehr viel Glück in der Beziehung. Wir ändern uns jedes Mal. Wir versuchen uns nicht zu wiederholen. Wenn man das macht wird es irgendwann langweilig.

Ja, manche Fans wollen ja, dass das neue Zeug wie das alte klingt…

Das werden sie niemals bekommen. Im Allgemeinen ist unser Hauptanliegen unsere Fans so wütend zu machen wie möglich. Manchmal möchte ich sie richtig wütend machen mit dem was wir machen. Denn wenn sie nicht verdammt leidenschaftlich sind, dann sehe ich nicht den Sinn darin Fans zu haben.

Macht es dir etwas aus, wenn Leute nur auf das Gefühl eingehen und sich nicht in die Texte vertiefen?

Das ist mir völlig egal. Letzten Endes ist Archive nichts weiter als ein Sound. Ein bestimmter Sound für den Darius und ich uns unsere Ärsche abgearbeitet haben um ihn zu machen. Wirklich Stark. Wenn jemand etwas fühlt, bin ich glücklich darüber. Ich denke, bei uns geht es um den gesamten Sound, das ist sehr wichtig. Ich bin ein großer Texte-Mann. Für mich sind Texte sehr wichtig, aber ich kann verstehen, wieso es für manche nicht so ist. Aber ich mag auch Songs, die nichts sagen, wenn das Gefühl des Songs wirklich kraftvoll ist. Letzten Endes kann man ein Wort wiederholen und wenn die Musik wirklich kraftvoll ist, ist es eine wunderschöne Sache und die Leute werden trotzdem begeistert sein. Um ehrlich zu sein ist das Gefühl ist im allgemeinen wichtiger als alles andere.

Vielen Dank für das Interview, Danny.

In Deutschland sind Archive das nächste Mal beim Highfield Festival am 20. August in  der Nähe von Leipzig. Einen Tag später sind sie beim Frequency Festival in St. Poelten, Österreich.

https://www.archiveofficial.com/

https://www.pledgemusic.com/

https://www.hellocharlie.com/