Die Young Fathers gibt es schon seit einer halben Ewigkeit. Begonnen als Hip-Hop Projekt, ist die Band aus Edinburgh auf immer experimentellere Pfade geraten. Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole und ‚G‘ Hastings wollen mit ihrer Musik das Gefühl und die Atmosphäre einfangen, unter denen die Aufnahme stattgefunden hat. Im Interview haben wir darüber gesprochen, wie sie das hinkriegen und wieso das neue Album „Cocoa Sugar“ die Band unverkennbar wiederspiegelt.
Ihr wart 14 als ihr die Young Fathers gegründet habt. Habt ihr euch davor auch schon musikalisch verwirklicht?
G: Ja, wir haben schon lange allein in unseren Schlafzimmern Texte ausgebrütet. Als wir uns dann kennen gelernt haben, haben wir eine Karaokeanlage für unsere ersten Aufnahmen genutzt. Da gab’s kein Multitracking oder sowas, man hat den Start-Knopf gedrückt und musste dann den kompletten Song in einem Rutsch aufnehmen. Dieses Prinzip hat uns bis heute begleitet. Zwar nehmen wir meistens nicht mehr in einem Take auf, es hat aber unsere Songarrangements geprägt. Wir wollen keine Unterbrechungen in unserer Musik, versuchen nicht lange zu fackeln und ziemlich schnell zur Sache zu kommen. Das Momentum soll bis zum Schluss aufrecht-erhalten werden. Wir nennen das no fluff, keine oberflächlichen Umschweife. Das liegt daran, dass wir uns ziemlich schnell langweilen.
Alloysious: Wenn man noch nicht genug hat, drückt man einfach auf Repeat.
Wie kann ich mir eure Anfänge vorstellen? Wie sahen eure ersten Bandproben aus?
G: Wir haben uns in meinem Schlafzimmer getroffen, das ich mit meinem Bruder geteilt habe. Da war nicht viel Platz. Für mich war das ein starker Einschnitt in mein Leben wie ich aufgewachsen bin. Davor war sich selbst auszudrücken genau das Gegenteil von dem, was von dir erwartet wurde. Dafür wurde man von anderen auf die Schippe genommen und gehänselt. Dann haben wir uns in diesem Club kennen gelernt und bei mir verabredet. Das war purer Spaß, zusammen Musik zu machen und uns auszumalen, dass unsere Songs im Radio laufen. Wenn man so jung ist träumt man ganz naiv herum ohne überhaupt zu wissen, wie schwer es ist, so weit zu kommen.
Das hat euch doch bestimmt auch zusammen geschweißt.
A: Oh ja, zu hundert Prozent. Wenn man das Erschaffene zusammen hört, kommt ungebremste Freude auf, die einen verbindet. Am Ende jeder Recording-Session sind wir immer zu einer Bushaltestelle gegangen, um unsere Gedanken über das Geschehene auszutauschen. Das haben wir uns auch behalten, immer über Songs zu sprechen, das Potenzial gemeinsam abzuwägen und zu diskutieren, was noch passieren könnte und sollte.
Wie hat sich seitdem eure Herangehensweise ans Musik machen geändert?
G: Die ist bei uns bewusst in ständigem Wandel. Die Umstände der Aufnahme, zum Beispiel die Größe des Raums, sind ausschlaggebend für den Vibe, der transportiert wird. Der Raum, den wir mittlerweile nutzen, ist immer noch klein und gibt Geräusche von sich. Alles ist eingeschaltet. Wir wählen auch nur wenig Equipment aus, das sich dann mit uns im Raum befindet. Den Augenblick einzufangen, ist eine unserer zentralen Absichten – ohne Scham spontan zu sein und uns selbst dieses Selbstbewusstsein zu erlauben. Klar haben sich die Orte und Gegebenheiten unserer Studios über die Jahre geändert, trotzdem sind wir uns immer dessen bewusst, was für uns mit das Wichtigste ist. Den Sound des Raumes mit wiederzugeben.
A: In der Entstehung des Albums hatten wir das Problem bei ein paar Songs, dass es sich einfach nicht so angehört hat, wie wir es bei der Aufnahme wahrgenommen haben. Dann hat sich heraus gestellt, dass der Raum nicht mit drin war. Aus irgendeinem Grund fühlen wir uns damit wohler.
Kayus: Wir probieren während des Entstehungsprozesses viel aus. Das hilft einem, sich mit Neuem anzuvertrauen, ohne es überhaupt zu merken. Bei „Cocoa Sugar“ haben wir es so gut wie nie zuvor geschafft, unsere verschiedenen Geschmäcker und Präferenzen abzubilden. Manchmal muss man sich zwingen, in neue Gefilde vorzustoßen.
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Das Artwork von „Cocoa Sugar“ zeigt eine Person mit entstelltem Gesicht. Wie lässt sich das in Verbindung mit dem Album setzen?
A: Das Album ist bisher unsere dichteste Annäherung an unser Bestreben, direkt zu sein und die Dinge schwarz/weiß darzulegen. Das Bild ist imperfekt. Es ist in your face, frech, ein Blickfang. Das trägt eine ganz eigene Schönheit in sich, aber es ist eben nicht perfekt. Das hängt insofern mit unserer Musik zusammen, dass es einen Kontrast hervorhebt. Was wir mit unserer Musik ausdrücken wollen, ist kontrastreich: hell/dunkel oder bitter/süß. Das hat auch damit zu tun, wie wir die Welt wahrnehmen.
Wie würdet ihr das Konzept der Young Fathers beschreiben? Was versucht ihr, mit eurer Musik zu erreichen?
G: Das zu definieren ist eigentlich das Gegenteil, worum es uns geht. Wenn man so will, versuchen wir schöne Musik zu kreieren, die sich gut für uns anfühlt. Gleichzeitig wollen wir aber auch das bestmögliche Ergebnis abliefern. Die Young Fathers, das sind wir drei, die Spaß daran haben, zusammen Musik zu machen. Wir wollen aber auch im Hinterkopf behalten, dass wir drei verschiedene Persönlichkeiten sind und uns ist wichtig, Meinungsverschiedenheiten zu schätzen. Am Ende kommt es darauf an, gemeinsam etwas zu schaffen. Natürlich entsenden wir auch viele Botschaften, die uns persönlich am Herz liegen, im besten Fall um Dialoge zwischen den Menschen anzuregen.
Am 09. April 2018 spielen die Young Fathers im Columbia Theater in Berlin.
Interview: Finn Hackenberg
Foto: Julia Noni