Das mit der Wiederholung ist so eine Sache. Die Ganglians aus Sacramento sind offensichtlich eine Band, die ihrer alten Stücke schnell überdrüssig werden – sofern man bei einer Band, die im letzten Jahr in den USA ihr erstes Album herausgebracht hat, überhaupt von alten Stücken reden kann. Seit kurzem ist „Monster Head Room“ auch in Europa erhältlich, und eigentlich hatten wir uns beim Konzert der Ganglians im Berliner Bang Bang Club darauf gefreut, den psychedelischen Sound mit Beach-Boy-eskem Chorgesang erstmals live zu hören. Aber für die Ganglians ist die Entstehung von „Monster Head Room“ bereits drei Jahre her, und es gibt eine Menge neues Material, das sie offensichtlich lieber spielen. Das Live-Set umfasst ganze vier Stücke vom (bei uns) aktuellen Album.
„Wenn wir uns treffen sagen wir oft, es gibt Stücke die wir unbedingt mal wieder üben müssten, aber dann endet es doch damit, dass wir etwas Neues ausprobieren,“ erzählt uns Alex Sowles vor dem Konzert. Ein wenig schade, denn beim ersten Hören klingen die neuen Stücke nicht so verspielt und originell wie viele der Songs auf „Monster Head Room“. Offensichtlich frönt man zur Zeit einer Leidenschaft für lauten, eher düsteren Garagenrock.
Eigentlich wollte man unmittelbar vor dem Konzert keine Interviews mehr geben. Als wir nach neun Uhr dann doch noch zusammenkommen, sind Frontmann Ryan Grubbs und Kollege Alex Sowles trotzdem freundlich und gesprächig. Sie erzählen ausführlich, wie sie als Band zusammengekommen sind, eine nicht ungewöhnliche Begegnung junger Typen, die ihre allererste Band gründen. Seine ersten Songs hat Ryan im Alleingang in seinem Schlafzimmer aufgenommen, „aber ich wollte nie so eine Solo-Nummer machen.“ Die Jungs, die drei Ecken weiter gemeinsam jammten, kamen ihm dabei sehr gelegen. „Ryan kannte Adrian, der wiederum kannte Kyle und mich,“ sagt Alex. „Kyle und ich machten schon seit einer Weile miteinander Musik, und irgendwann kam Ryan bei mir zu Hause vorbei, und wir haben uns Platten angehört. Dabei haben wir festgestellt dass wir viele gemeinsame Interessen haben.“ „Aber was wir am Anfang an Musik gemacht haben war grauenvoll,“ grinst Ryan.
Zumindest wurde viel experimentiert, allzu viel Erfahrung im Umgang mit Instrumenten gab es nicht. „Ich habe vorher nie Schlagzeug gespielt,“ sagt Alex. „Als Kind habe ich auf allem rumgehauen, was ich in die Finger gekriegt habe. Als wir das Album aufgenommen haben habe ich lauter Sachen ausprobiert, zum Beispiel Bürsten statt Stöcken genommen oder Bettlaken über die Drums gelegt, damit sie leiser klingen.“
In der Vierertruppe übernimmt Ryan die Rolle des Frontmanns. „Ich habe die Ideen für die Stücke im Kopf, aber ich spiele ja nicht wirklich viele Instrumente. Es ist also viel ‚Do-do-do‘-Gesinge und Gesumme am Anfang. Ich habe sozusagen das Skelett, und die anderen kommen dazu und tragen ihren Teil bei. Am Ende klingt es dann oft total anders als ich es gedacht hätte, aber meistens viel besser.“ Kommt es auch vor, dass seine Bandkollegen Ideen ablehnen? „Oh ja, da gab es schon einige Vetos. Das ist zu kitschig, zu langweilig, zu hart… aber eigentlich halte ich an meinen Ideen fest. Ich kann sehr hartnäckig sein, wenn es darum geht, etwas Eckiges in etwas Rundes zu kriegen.“
Ihr Album „Monster Head Room“ haben die Ganglians bereits vor drei Jahren aufgenommen. Dass es jetzt auch in Europa erschienen ist, gibt ihnen Grund zur Freude. „Die Version, die es hier gibt, enthält zwei Songs, die auf unserer ersten Single waren, die in den USA erschienen ist. Es ist also so etwas wie eine Deluxe-Version der ersten Ausgabe.“ In Europa unterwegs zu sein ist toll, dank ihres motivierten Bookers waren sie bereits in Finnland, Polen, Norwegen und Irland, nach Deutschland geht es in die Niederlande. Viel zu sehen bekämen sie allerdings nicht, sagt Ryan. „Wir sind zur Zeit in einem Lieferwagen unterwegs. Sprich, diejenigen, die das Glück haben vorne zu sitzen bekommen Europa zu sehen, die hinten langweilen sich und malen Bilder an die Decke.“ Alex und er lachen. Aber Ryan hat noch mehr abenteuerliche Geschichten auf Lager. Zum Beispiel die, warum er als Kind schon einmal in Europa war. Eine Leidenschaft seiner Mutter für Gewinnspiele kombiniert mit einer Menge Glück („Sie hat schon Computer, Fahrräder, Kühlschränke und alles mögliche gewonnen“) bescherte der Familie eine Europa-Rundreise für sechs Personen. „Das einzige was sie noch nicht gewonnen hat ist Publishers Clearing House, aber sie probiert es jedes Jahr. Sie kommen nach dem Superbowl und klopfen bei Dir an die Tür mit einem Fünf Millionen Dollar Scheck. Es ist immer groß im Fernsehen, wie alle weinen und total durchdrehen. Halb Amerika sitzt deshalb nach dem Superbowl zu Hause vor dem Fernseher und hofft, dass es an der Tür klopft.“
Drücken wir Ryans Mutter also weiterhin die Daumen. Und den Ganglians wünschen wir, dass sie bei aller Lust auf Neues nicht vergessen, was für großartige Songs sie auf „Monster Head Room“ abgeliefert haben. Und dass die zahllosen unvollendeten Stücke, die sie laut eigenen Angaben zu Hause in der Schublade haben, mindestens genauso gut werden.
Interview: Gabi Rudolph & Marcus Reinhardt