Welshly Arms im Interview: „Ein guter Song ist ein guter Song, egal welchem Genre er zuzuordnen ist.“

Es gibt manchmal Interviews, die fühlen sich einfach gut an. So einen Flow gab es auch bei unserem Gespräch mit Welshly Arms Sänger Sam Getz und Drummer Mikey Gould beim diesjährigen SWR3 New Pop Festival. Die Bluesrock Band aus Cleveland, Ohio, die sich gerade erst in Deutschland über eine Goldene Schallplatte für den Hit „Legendary“ freuen darf und sich anschickt, auch in Amerika The Next Big Thing zu werden (sie hatten vor kurzem ihren ersten Late Night Auftritt im US-Fernsehen bei Kult-Talkmaster Jimmy Kimmel), haben mit uns über deutsches Bier und Baywatch geplaudert. Außerdem haben uns die beiden verraten, warum es für die Band ein wahrer Glücksfall war, dass Sam beim Duschen sein Handy dabei hatte.

Lasst uns zurück zu euren Anfängen gehen. Wie habt ihr euch als Band denn zusammengefunden? Wir haben gelesen, dass ihr bei einem BBQ einfach angefangen habt zu jammen…

Sam: Genau so war es. Mikey und ich und auch Brett (Keyboards) und Jimmy (Bass) waren schon seit der High School gut befreundet. Wir waren vielleicht 15 als wir uns kennengelernt haben und haben in den verschiedensten Konstellationen zusammengespielt. Wir waren gute Kumpels, aber als wir dann erwachsen waren, ist jeder seiner Weg gegangen: ein paar von uns sind aufs College gegangen, die anderen haben Straßenmusik gespielt. Vor vier oder fünf Jahren sind wir dann alle wieder in Cleveland, Ohio, unserer Heimatstadt, gelandet und haben wieder Zeit miteinander verbracht. Ich habe die Jungs eines Tages dann zu einem Grillabend in meinem Garten eingeladen. In meinem Keller habe ich viel Musik Equipment, also sind wir runtergegangen und haben angefangen, gemeinsam zu jammen. Das war im Grunde die Geburtsstunde der Band. Es war also nicht geplant, sondern ist einfach so passiert.

Mikey: Ja und seitdem haben wir fast immer ein BBQ organisiert, wenn wir zusammen geprobt haben.

Sam: Das war für lange Zeit echt eine Art Tradition. Wir sollten das unbedingt wieder einführen. (alle lachen)

Euer Sound ist sehr besonders, da er viele verschiedenen Genres mischt. Wie würdet ihr euren Stil selbst beschreiben?

Sam: Unser Stil unterliegt einem ständigen Wandel. Wir versuchen gar nicht erst, ihn nur in einem einzigen Genre zu halten. Aber ich muss zugeben, dass ich mich am meisten darauf gefreut habe, endlich wieder Bluesmusik zu spielen als wir angefangen haben gemeinsam Musik zu machen. Ich hatte das lange Zeit sehr vermisst, da ich zu dieser Zeit viel Popmusik mit einem Singer Songwriter gespielt habe. Auch in Americana Musik hatte ich mich versucht. Aber Blues war schon immer meine große Leidenschaft, Bluesmusik war der Grund, warum ich angefangen habe Gitarre zu spielen. Ich wusste natürlich, dass diese Jungs meine Leidenschaft teilten und das auch musikalisch sehr gut rüberbringen konnten, deswegen habe ich die Band zunächst in diese Stilrichtung gelenkt. Neben Blues mögen wir alle jedoch auch wahnsinnig gerne Souls und R’n’B, also haben wir dies immer stärker mit reingebracht in unsere Musik. Auch unsere Pop Wurzeln kann man in unseren Songs raushören. Denn ein guter Song ist ein guter Song, egal welchem Genre er zuzuordnen ist. Wir lieben Melodien, denn Mitsingparts machen auch einen großen Teil unserer Musik aus; fünf Leute aus der Band singen auf der Bühne. Daher glaube ich, dass unsere Songs immer auch stark Melodie getrieben sein werden.

Mikey: Als wir als reine Bluesband angefangen haben, haben wir uns zu stark eingeschränkt, um diesem Stil treu zu bleiben. Aber dann haben wir uns weiterentwickelt und haben alle musikalischen Grenzen über Bord geworfen: Keine Regeln und Beschränkungen mehr für das was wir tun oder nicht tun können. Und dieser Spirit hat uns zu dem gemacht, was wir jetzt sind. Die einzig wichtige Frage für uns ist nun: Was klingt gut?

Was inspiriert euch beim Schreiben neuer Songs?

Sam: Alles, wirtlich alles. Wir inspirieren uns gegenseitig und manchmal inspiriert mich etwas, das jemand gesagt oder getan hat. Über Politik sprechen wir selten in unseren Songs, aber natürlich beeinflusst die politische Situation unsere Musik, auch wenn es nicht zu 100% offensichtlich ist. Aktuell ist die politische Lage in den USA sehr „up in your face“, sie ist allgegenwärtig, sie beeinflusst die Umwelt, die Bürger und alles andere auch. Eine weitere große Inspirationsquelle sind unsere Reisen. Wir sind in letzter Zeit so viel gereist und das schlägt sich definitiv in unseren Songs nieder.

Mikey: Oder wenn wir einfach mal nur zu Hause sind.

Sam: Ja, genau…Wenn wir an diesem uns nicht mehr vertrauten Ort sind, den wir unser Zuhause nennen. (alle lachen)

Und wie genau können wir uns den Songwriting Prozess konkret vorstellen?

Sam: Das ist auch etwas, das sich in der Tat auch stark verändert. Wir versuchen, uns hier nicht an starren Formeln zu orientieren. Meistens entsteht zuerst der Funke einer Melodie oder ein Akkordwechsel – Es fängt eigentlich immer mit der Musik an und der Text kommt dann ein wenig später dazu. Dieser orientiert sich immer an der vorherrschenden Stimmung im Song. Seltener baut sich der Song auch auf einer bestimmten Formulierung auf. So war es zum Beispiel bei „Legendary“. Als mir die Idee für den Refrain gekommen ist, stand ich gerade unter der Dusche. (alle lachen) Ich habe ihn vor mich hin gesungen und sofort gemerkt: „Oh wow, das singt sich wirklich gut!“ und da wusste ich, dass ich davon unbedingt eine Voice Memo machen musste. Also habe ich mein Handy geschnappt und die Stelle aufgenommen. Den restlichen Song mussten wir dann drum herum schreiben.

Mikey: Ich weiß immer noch nicht genau, was du in dem Moment gemacht hast, als dir „Legendary“ einallen ist…Hast du vielleicht an der Seife gerochen und hast dir gedacht: „Die riecht aber unglaublich gut?“ (alle lachen)

Geht es in „Legendary“ um die Story der Band? Denn auch ihr musstet euch durchkämpfen, bis ihr es geschafft habt.

Sam: Definitiv habe ich an der Stelle wenn die Strophen beginnen und es inhaltlich um Kämpfe geht, die man bestreiten muss, auf persönliche Erlebnisse zurückgegriffen. Du hast die Chance, legendär zu sein, du hast die Chance, der Musikwelt deinen Stempel aufzudrücken. Bis es soweit ist, ist es jedoch ein steiniger Weg. Man muss die Battles bestreiten. Wenn wir auf alle gehört hätten, die einen unserer Songs scheiße finden, dann hätten wir schon vor einer Ewigkeit aufgehört Musik zu machen. Egal was man macht, man muss eine dicke Haut haben um darin, was man macht wirklich top zu sein. So ist das in unserer Welt der Musik, aber ich habe beim Text durchaus auch an einen großen Sportler oder an einen guten Journalisten gedacht. Was auch immer du tust, ich glaube, diese Einstellung gibt es überall, jeder muss auf seinem Weg Hürden überwinden.

Eure Songs wurden oft in Kinofilmen verwendet, wie zum Beispiel in „The Hateful Eight“, in der Netflix Serie „Sense8“ und „Legendary“ ist der Titelsong des neuen „Power Rangers“ Film. Welche Arten von Filmen mögt ihr denn persönlich am liebsten?

Sam: Das ist lustig, da haben wir erst gestern drüber gesprochen, als wir darüber diskutiert haben, welche Filme wir auf dieser Tour gemeinsam schauen wollen.

Mikey: Wir haben in unserem Sprinter einen Fernseher und haben gestern schon ein paar ziemlich schlechte Filme geschaut…

Sam: Ja, wir sollten besser nicht erwähnen, welche Filme das waren…

Mikey: Nein, das sollten wir wirklich nicht…Aber ich glaube, dass wir uns meistens eiegentlich auf einen Film aus dem Comedy Genre einigen können.

Sam: Wir lieben Filme mit einem trockenen Humor. Wir haben gestern einen Wes Anderson Film geschaut und eigentlich mögen wir alle seine Filme sehr gerne. Dasselbe gilt für die Werke der Coen Brüder…Mein persönlicher Favorit ist echt seltsam: Ich liebe „Bubble Boy“ mit Jake Gyllenhaal. Das ist eigentlich kein guter Film, aber ich quäle mich gerne mit Filmen…Jetzt kann ich es ja zugeben: Der extrem schlechte Film, den wir gestern geschaut haben war der neue Baywatch Fim. Alle anderen haben den Film nach zwanzig Minuten aufgegeben…

Mikey: Du hast ihn ausgesessen. (alle lachen)

Sam: Was mich allerdings extrem ärgert: Ich bin 5 Minuten vor Ende eingeschlafen, dabei wollte ich das echt gerne sehen…

Lasst uns über die Live Shows sprechen. Macht es für euch einen Unterschied, ob ihr vor einem deutschen Publikum oder vor einer Home Crowd in den USA auftretet? Reagieren die Fans überall gleich?

Sam: Ich bemerke langsam tatsächlich Unterscheide, was ich aber durchaus positiv finde. Ich habe die deutschen Zuhörer bei unseren bisherigen Konzerten als sehr Musik affin erlebt. Sie freuen sich einfach, dass man als Band in ihrer Stadt spielt und wir bekommen oft Komplimente zu hören wie: „Wow, danke, dass ihr hier seid.“ In den Staaten ist es für die Leute keine Überraschung, dass wir in ihrer Stadt spielen – wahrscheinlich empfinden sie das so, weil wir ja auch aus den USA kommen. In Deutschland genießt das Publikum das Konzert einfach nur. Bei der kommenden Tour spielen wir zum ersten Mal auch in Clubs, bisher haben wir hauptsächlich Sommerfestivals gespielt. Ich freue mich sehr darauf, mit Leuten in einem Raum zu sein, die unsere Musik kennen. Wir spielen zum Beispiel in München, wo gerade das Oktoberfest stattfindet…

Da solltet ihr unbedingt hingehen. Das ist eine ganz besondere Erfahrung…

Sam: Oh my gosh, ja, davon hab ich schon so viel gehört…

Mikey: Wir haben dort einen Offday, also werden wir dort definitiv hingehen.

Sam: Wir lieben alle Bier. Und ich habe mir sagen lassen, dass es auf dem Oktoberfest Bier gibt. (alle lachen)

Das passt zu der Frage, die wir euch noch stellen wollten. An welche drei Dinge denkt ihr, wenn ihr an Deutschland denkt? Wahrscheinlich gehört Bier dazu…

Sam: Ja, das ist die allererste Assoziation. Ich will wirklich nicht wie der typische Amerikaner klingen (alle lachen), aber ja, ich denke an Brezn und an Bier. Und dann natürlich noch an Lederhosen. Und ich glaube, wir werden alles davon in München hautnah miterleben.

Was sind eure Pläne für die Zukunft? Gibt es etwas, das ihr musikalisch auf jeden Fall noch erreichen wollt?

Sam: Natürlich…Aber für den Moment habe ich das Gefühl, dass wir bereits jetzt so vieles erreicht haben, was wir uns niemals erträumt hätten. Wir hätten zum Beispiel niemals daran gedacht irgendwann einmal hier mit euch in einem Zimmer in Baden-Baden zu sitzen und ein Interview zu führen. Es haben sich für uns schon jetzt so viele Türen aufgetan – Es fühlt sich fast so an, als wäre jede Tür zunächst einmal ein großes Geheimnis, man weiß nicht, was dahinter liegt. Ich weiß zum heutigen Zeitpunkt also nicht, was in den nächsten fünf Jahren noch alles passieren wird. Ich hoffe jedoch, dass wir weiterhin Platten veröffentlichen, die künstlerisch wertvoll sind und etwas aussagen und dadurch einen Impact auf andere Musiker haben. Das ist für uns als Musiker das Größte. Wir wurden selbst von zahlreichen Platten inspiriert und es ist wahnsinnig cool, dass wir nun die Chance bekommen, Kids mit Musik zu versorgen, die dadurch vielleicht Lust bekommen Schlagzeug oder Gitarre zu lernen. Ich wünsche mir, dass uns dies weiterhin gelingt und dass wir dabei weiter wachsen und uns frischer Energie gibt.

Arbeitet ihr denn aktuell am neuen Album?

Sam: Ja, das tun wir und es ist sehr aufregend.

Könnt ihr uns schon verraten, wann es released wird?

Sam: Hoffentlich Anfang nächsten Jahres. Das ist eine kleine Challenge. Bevor wir in den Staaten, in Kanada und in UK gesigned wurden, hatten wir schon hier in Deutschland einen Plattenvertrag. Es sind nun also bei allen Entscheidungen vier unterschiedliche Lables involviert. Alles, was wir rausbringen, muss zunächst von allen Seiten genehmigt werden. Das ist manchmal gar nicht so easy. Dieser Prozess hat keinen Einfluss auf unseren Sound, aber es beeinflusst das Timing sehr stark.

Also müssen wir uns einfach noch gedulden…

Sam: Leider ja. (lacht) Also, wir haben in letzter Zeit ja durchaus ein paar neue Songs veröffentlicht, „Legendary“ ist vor einigen Wochen herausgekommen. Das ist schön, denn so konnten wir diese neuen Tracks auch in Deutschland live spielen. Zu Hause haben wir zwei EPs und ein komplettes Album, das in Deutschland noch gar nicht auf dem Markt ist. Das ist eigentlich sehr lustig: Wir spielen Shows, wo der Großteil wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte unserer Songs kennt…

Mikey: Eher sogar 90% der Setlist.

Sam: Natürlich gibt es aber immer auch Leute, bei denen man sieht, dass sieht, dass sie alles auf YouTube aufgeholt haben und die Sachen kennen.

Lasst uns zum Ende noch über Social Media sprechen. Wir haben gesehen, dass ihr für eure Deutschland Shows Helfer für euren Merch Stand gesucht habt. Dieser Ansatz hat uns echt überrascht…

Sam: Hmmm, in den Staaten nehmen einige Künstler diesen Weg. Natürlich bedeutet das für uns aber auch, dass wir jetzt in einer kleineren Gruppe reisen können.

Mikey: Wir sind einfach so viele…

Sam: Ja, und im Endeffekt schlägt sich das in den Kosten nieder. Wir sind sechs Bandmitglieder, danzu haben wir noch unseren Sound Engineer mit dabei, das macht sieben Personen, die nach Europa fliegen mussten, was allein für sich schon teuer genug ist. Dazu kommen dann noch Hotelkosten usw. Da kommt einiges zusammen. Deshalb wollten wir überall dort, wo wir auftreten einem Fan die Chance geben, uns beim Merch zu unterstützen. Das ist ziemlich cool und wir lernen unsere Fans besser kennen.

Mikey: Das stimmt. Wenn wir das in den USA machen sind es ganz oft dieselben Leute, die uns bei mehreren Shows im selben Bundesstaat unterstützen. Das fühlt sich dann fast schon so an, als wären sie Teil der Band. Das ist für alle Beteiligten ein tolles Erlebnis.

Wie wichtig ist es für euch, mit euren Fans über Social Media kommunizieren?

Sam: Das ist ein Punkt, wo wir noch besser werden müssen. Denn ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Es ist der einzige Weg, direkt mit den Fans in Kontakt zu treten und manchmal fällt es uns schwer zu begreifen, dass ihnen diese Interaktion viel bedeutet. Wir kennen nicht ihren Feed, wir wissen also nicht, was sie gefrühstückt haben oder was auch immer. Aber wir glauben, dass es schön ist, wenn wir ab und an etwas teilen, damit die Leute einen besseren Eindruck davon bekommen, was unsere Band ausmacht, auch wenn es mal nichts mit Musik zu tun hat. Ich glaube, das führt dazu, dass sich alles ein wenig echter anfühlt, also finde ich es gut. Mikey kümmert sich da meistens drum, er ist da einfach reingewachsen. Aber es fällt uns manchmal echt schwer uns daran zu erinnern, etwas zu posten. Wir sind vom Typ Mensch her einfach mehr „living in the moment“.

Mikey: Yja, das stimmt. Da muss auch ich dran arbeiten. Denn wenn ich im Urlaub bin, vergesse ich manchmal auch komplett Fotos zu machen.

Vielen Dank für das Interview. Wir freuen uns sehr auf euer Konzert heute Abend.

Die Highlights von Welshly Arms Unplugged beim SWR3 New Pop Festival gibt es hier.

Interview: Marion Weber und Mirjam Baur
Foto: Peter Larson
Livefoto: Mirjam Baur

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