Von Zahnbürsten, Kochtöpfen und Megafonen

Patrick Watson & The Wooden Arms machen Musik mit allem, was sie in die Finger kriegen. Manchmal aber lassen sie  auch einfach alles weg. Sogar die Mikrofone.

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Als Patrick Watson sich im Zugabenblock an den vorderen Rand der Bühne stellt, die Hände zu einem Trichter formt und ohne Mikrofon in sein andächtiges Publikum singt, bin ich fassungslos. Erst in diesem Moment wird mir bewusst, dass ich noch nie auf einem Konzert dieser Größenordnung gehört habe, dass jemand sich traut, seine Stimme unverstärkt in den Raum hinauszuschicken. Und wie tief eine Stimme wie die von Patrick Watson einen ins Herz trifft, wenn sie jeglichen technischen Schnickschnacks beraubt ist.

Auch wenn ich damit das Ende direkt vorweg nehme – ich glaube, ich habe noch nie so eine schöne Zugabe erlebt wie die der kanadischen Band rund um Mastermind Patrick Watson gestern abend. Mit einem schwer zu beschreibenden, selbst konstruierten „Megafonanzug“ (ein Gestänge, an dem oben mehrere Megafone, jeweils beleuchtet mit kleinen Lämpchen, angebracht sind) steigt Patrick Watson hinunter in die Menge. Während er durch die Megafone singt, begleitet ihn Schlagzeuger Robbie Kuster auf der singenden Säge, Simon Angell an der Gitarre. Die Lichter erlöschen bis auf die angestrahlte Diskokugel, sodaß wir alle eintauchen in Sternengefunkel und  wunderbare Musik.

Wer die Band kennt, weiß, dass sie gerne experminentiert. Vor Gitarrist Simon Angells Füßen reiht sich eine Batterie seltsamster Instrumente auf: Eine Zahnbürste, Geigenbogen, ein Plastikspielzeug mit verschiedenen Knöpfen, ein Luftballon, ein Knäuel Stahlwolle. Das meiste davon bringt er beim Spielen seines Instrumentes zum Einsatz. Schlagzeuger Robbie Kuster hat sein Drumset um eine Batterie Kochtöpfe und ein Xylophon erweitert, wenn er spielt, tauscht er die Drumsticks auch gerne mal gegen Schneebesen ein. Sänger Patrick Watson, der auch ein fantastischer Pianist ist, nimmt sich selbst beim Singen mit Hilfe eines kleinen Wunderkästchens auf, um auf diese Weise PatrickWatson01allein mehrstimmig zu ertönen.

Bei aller Experimentierfreude wirken die Jungs aber sehr geerdet, und sie haben so wunderbar gute Laune dabei. Patrick Watson selbst flucht gern und viel, amüsiert sich aber im nächsten Moment darüber. Eine Fluchkasse müsse er haben, meint er, in die er jedes mal Geld wirft, wenn er sein Lieblingswort „Shitballs“ benützt. Gut möglich, dass er seinem bezaubernden Dauergrinsen im Vorfeld nachgeholfen hat, denn als ihm zum Abschluß ein Anhänger aus dem Publikum einen ordentlich gedrehten Joint reicht, amüsiert er sich ohne Zurückhaltung. Großartiges Publikum, meint er und nimmt das Geschenk dankbar entgegen.

Am tollsten sind Patrick Watson & The Wooden Arms aber, wenn sie sich auf ein Minimum beschränken. Wenn die Mikrofone weggelassen werden und der Rhythmus mit den Füßen gestampft wird. Diese Mischung aus Kraft und Ruhe überträgt sich auf das gesamte Publikum. Selten habe ich eine schöner mitsingende Menschenmasse erlebt.

Auch die Begeisterung wächst mehr und mehr, weshalb es eine außerplanmäßge Zugabe gibt, die im Vorfeld zwischen Patrick Watson und Bassist Mishka Stein rege diskutiert wird. Das Stück habe man doch noch nie so richtig live gespielt! Egal, beschließt Watson, und die Band legt los. Das Mädchen neben mir schließt beim Hören verzückt die Augen. Was für ein schöner Abend.