Endlich wieder ESC! Nachdem letztes Jahr die Durchstarter Måneskin den Musikwettbewerb mit dem Rocktitel „Zitti E Buoni“ für sich entscheiden konnten, steigt die europaweite Musik-Party 2022 in Turin, dem „kleinen Bullen“ im italienischen Piemont. Nachdem im Laufe der Woche alle Teilnehmer bis auf die Big 5* in einer der beiden Halbfinal-Shows antreten mussten, um sich ihren Platz im Finale zu verdienen, geben sich nun am Samstag insgesamt 25 Länder die Ehre und wetteifern um das gläserne Mikrofon.
Nachdem wir in einigen der Vorjahren als Journalistinnen live vor Ort mit dabei waren (Lissabon 2018, Tel Aviv 2019), habe ich mich dieses Jahr fürs virtuelle Pressezentrum akkreditierten lassen (was ich nun aufgrund einer zeitlich sehr ungünstigen Coronaerkrankung noch mehr zu schätzen weiß!) und konnte somit offizielle Proben der Künstler*innen sowie Meet & Greets und Pressekonferenzen online live mitverfolgen und mir somit eine erste Meinung über die diesjährigen Acts bilden.
Dieses Jahr ist für mich aus dreierlei Gründen ein besonderer Eurovision Song Contest: Zum einen vertritt Deutschland mit Malik Harris ein Kandidat, den ich schon lange verfolge und zum anderen tritt die Ukraine mit dem Kalush Orchestra trotz oder gerade wegen der schlimmen Situation in der Heimat dennoch an. Grund drei zur Vorfreude ist, dass Popsänger MIKA gemeinsam mit Altmeisterin Laura Pausini und TV- und Radiomoderator Alessandro Cattelan am Samstagabend durch die Show führen wird. Das Finale des Eurovision Song Contests beginnt am 14. Mai um 21 Uhr deutscher Zeit. Und so viel sei verraten: Es wird eine tolle, bunte Show werden, die uns den Samstagabend so oder so versüßen wird. Und am Ende werden wir schlauer sein: Wer wird Måneskin beerben? Wer gewinnt den Eurovision Song Contest 2022?
Es sei zu beachten: Die nachfolgenden Einschätzungen sind rein subjektiv und basieren auf meinen ganz persönlichen Eindrücken und meinem in der Tat ab und an sehr speziellen Musikgeschmack. 😉
*Was ist die Big 5? Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zahlen am stärksten in den Topf des European Broadcasting Union (und damit des ESC) ein und stellen zahlenmäßig sehr viele Zuschauer, auf welche insbesondere am Finalabend die EBU und Sponsoren nicht verzichten möchten. Daher sind diese 5 Länder automatisch für das Finale gesetzt.
Armenien – Die junge Sängerin Rosa Linn vertritt ihr Heimatland Armenien beim ESC in Turin mit dem schönen Folksong „Snap„. In Lumineer-Manier kann man hier gar nicht anders als im Takt mitzugeben. Ein Song mit einem wahnsinnigen Wohlfühlfaktor. Die sehr süße und innovative Inszenierung hebt den Song nochmal auf ein neues Niveau.
Meine Wertung: 4,5 / 5
Australien – Für Down Under tritt in diesem Jahr der 22-jährige Castingstar Sheldon Riley an. Der Sänger, welcher am Asperger-Syndrom leidet, erzählt in seinem Song „Not The Same“ seine persönliche Geschichte. Markenzeichen ist neben seiner wahnsinnig guten Stimme eine Maske, die er gerne trägt, um leichter aus sich herauszukommen.
Meine Wertung: 4 / 5
Aserbaidschan – Wenn es eine Regel gibt, auf die man beim ESC vertrauen kann, dann darauf, dass sich Aserbaidschan immer fürs Finale qualifiziert, so auch in diesem Jahr. „The Voice of Azerbaijan“ Nadir Rustamli vertritt das Land des Feuers mit seiner Ballade „Fade To Black“.
Meine Wertung: 1,5 / 5
Belgien – Der belgische „The Voice“ Gewinner und Fußballprofi Jérémie Makiese vertritt sein Land beim ESC 2022. Sein souliger R’n’B Song „Miss You“ erinnert stark an die Musik der 90er Jahre, getragen von Jérémies markanter Stimme und untermalt von einer ausdrucksstarken Choreographie.
Meine Wertung: 4 / 5
Deutschland – Der deutsche Vertreter Malik Harris ist Vollblutmusiker durch und durch. Ein gemusterter Teppich, ein Piano, ein Drumpad, eine Gitarre – so steht der Sänger auf der großen ESC-Bühne und bringt so ein bisschen heimelige Studioatmosphäre auf die große ESC-Bühne. In seinem Song „Rockstars“ geht es um Nostalgie und um die Suche nach dieser verloren geglaubten Leichtigkeit.
Meine Wertung: 3,5 / 5
Estland – Wild, wild west beim ESC? Nach drei missglückten Versuchen hat es Sänger STEFAN geschafft und er vertritt Estland beim ESC 2022. Seine moderne Countrynummer „Hope“ versprüht viel Energie und ist einer meiner absoluten Lieblingssongs dieses Jahrgangs.
Meine Wertung: 4,5 / 5
Finnland – Finnland beamt mich in diesem Jahr direkt in meine Jugend zurück – and I’m loving it. Ich war Anfang der 2000er ein großer Fan der finnischen Rockband The Rasmus und es fühlt sich wahnsinnig vertraut an, die Band in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest zu sehen. Der Titel „Jezebel“, den Sänger Lauri gemeinsam mit dem US-Songwriter Desmond Child geschrieben hat, handelt von starken, unabhängigen Frauen und lädt zum Mittanzen ein.
Meine Wertung: 3,5 / 5
Frankreich – Zum zweiten Mal in der 66-jährigen ESC Geschichte schickt Frankreich einen Beitrag in bretonischer Sprache ins Rennen. Der Elektro-Musiker Alvan hat sich für den Song „Fulenn“ mit dem Frauentrio Ahez zusammengetan und gemeinsam bringen sie eine Mischung aus Folk und Trance auf die Bühne.
Meine Wertung: 2,5 / 5
Griechenland – Im Gegensatz zu Zypern setzt Griechenland in diesem Jahr nicht auf traditionelle Rhythmen, sondern auf große Gefühle. Die norwegisch-griechische Sängerin Amanda Tenfjord besingt in „Die together“ voller Inbrunst eine sterbende Liebe. Toll inszeniert klagt sie sich dabei die Seele aus dem Leib.
Meine Wertung: 1,5 / 5
Großbritannien – Großbritannien landet beim ESC immer sehr weit hinten, richtig? Dieses Jahr dürfte es einen Ausreißer nach oben geben. TikTok Stimmwunder Sam Ryder weckt mit seinem Song „Space Man“ Reminiszenzen an Queen, Elton John und Co und gibt dabei eine wahrlich gute Figur ab. Ein Song mit Hitqualitäten!
Meine Wertung: 4 / 5
Island – Die drei Schwestern Systur stehen in Turin gemeinsam mit ihrem Bruder an den Drums auf der Bühne. Ihr ruhiger, auf Isländisch gesungener Countrysong „Með Hækkandi Sól“ („With The Rising Sun“) ist wunderbar stimmungsvoll inszeniert und überzeugt durch Schlichtheit.
Meine Wertung: 3,5 / 5
Italien – Für Italien startet in diesem Jahr ein Altbekannter: Mahmood, der es 2018 mit seinem Song „Soldi“ bis auf Rang 2 geschafft hat, singt mit dem jungen Sänger Blanco ein Duett, dass buchstäblich unter die Haut geht („Brividi“). Der Song ist aus meiner Sicht völlig zurecht einer der Anwärter auf den Sieg und aus meiner persönlichen Playlist seit ihrem Sieg beim San Remo Musikfestival nicht mehr wegzudenken.
Meine Wertung: 4,5 / 5
Litauen – Mit Monika Lius „Sentimentai“ („Gefühle“) gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal überhaupt einen Song in litauischer Sprache im Finale zu hören. Die Sängerin zählt zu den bekanntesten ihres Landes und präsentiert einen Elektropop-Song im Chanson-Stil.
Meine Wertung: 3 / 5
Moldau – Die Kombo Zdob și Zdub dürfte eingefleischten ESC-Fans ein Begriff sein. Nach 2005 und 2011 tritt die Band in diesem Jahr bereits zum dritten Mal beim ESC an. Der folkige Song „Trenuleţul“ nimmt die Zuhörer auf eine Reise mit dem Zug von Chişinău bis Bukarest und bringt dadurch eine ganze Menge Freude auf die Bühne.
Meine Wertung: 2,5 / 5
Niederlande – Dass Niederländisch auch wunderschön sein kann, zeigt die junge Indie-Künstlerin S10 in ihrem diesjährigen Beitrag „De Diepte“. Die einfühlsame Ode an die Traurigkeit läuft bei mir seit Wochen rauf und runter und ist mein persönlicher Favorit des Jahrgangs. Ein Song, der mich weit über das Finale hinaus begleiten wird und der kein großes Feuerwerk auf der Bühne braucht, um zu überzeugen.
Meine Wertung: 5 / 5
Norwegen – Wer von euch kann sich noch an das durchgeknallte „What Does The Fox Say“ erinnern? Der diesjährige norwegische Beitrag der Kunstband Subwoolfer, die gelbe Wolfsmasken trägt, in Interviews nicht selbst spricht und eigenen Angaben zufolge vom Mond kommt, schlägt in dieselbe Kerbe. „Give That Wolf A Banana“ ist eine Spaßnummer, aber eine gut gemachte, eingängige und perfekt durchchoreographierte.
Meine Wertung: 3 / 5
Polen – Der polnisch-amerikanische Sänger Ochman vertritt Polen beim Eurovision Song Contest 2022 mit der wunderschönen Pianoballade „River“. In dem Song geht es darum, seinen inneren Frieden zu finden. Er bitete eine Performance, die unter die Haut geht und aus meiner Sicht zurecht als einer der diesjährigen Favoriten gilt.
Meine Wertung: 4,5 / 5
Portugal – „Saudade“ ist wohl das bekannteste portugiesische Wort und ein Wort, für das es auch im Deutschen keine wirkliche Entsprechung gibt. Diesen ganz besonderen Weltschmerz besingt Sängerin MARO in ihrem ESC Beitrag „Saudade, Saudade“. Der ruhige Popsong fließt dabei warm vor sich hin.
Meine Wertung: 1,5 / 5
Rumänien – Für gute Laune im Finale sorgt Sänger WRS (gesprochen: “Urs”) mit seinem Sommer-Partysong “Llámame”, in dem er auf Englisch und Spanisch singt. Die Zeile “Hola mi bebébé” dürfte mittlerweile in ESC-Kreisen schon Kultstatus erreicht haben.
Meine Wertung: 2,5 / 5
Schweden – Das Mekka des Pop wird in diesem Jahr von der schwedischen Sängerin Cornelia Jakobs vertreten. In der Ballade „Hold Me Closer“ besingt sie dabei mit rauer Stimme und viel Emotion eine Liebe ohne Happy End und liegt in den Wettquoten sehr weit vorne. Man darf gespannt sein, wofür dies am Ende reicht.
Meine Wertung: 3 / 5
Schweiz – Der schweizer Singer-Songwriter Marius Bear singt in seiner Ballade „Boys Do Cry“ gefühlvoll von der Stärke Gefühle zuzulassen. Der Text mutet teilweise etwas seltsam an („sometimes aeroplanes fall down from the sky…“), ist aber dennoch all in all sehr gefällig.
Meine Wertung: 1,5 / 5
Serbien – „Was ist das Geheimnis von Meghan Markles gesundem Haar?“ – So lautet eine Zeile des wohl auffälligsten ESC-Beitrags in diesem Jahr. Die Künstlerin Konstrakta bringt mit „In Corpore Sano“ eine Performance auf die Bühne, die man so schnell nicht vergessen dürfte. Auf satirisch-fesselnde Art und Weise kritisiert die Sängerin dabei das serbische Gesundheitssystem, welches freischaffende Künstler aus der Krankenversicherung ausschließt. Definitiv einer der Songs, die den Abend prägen werden.
Meine Wertung: 3,5 / 5
Spanien – Die kubanische Schauspielerin Chanel vertritt Spanien in diesem Jahr mit der Latinonummer „Slomo“. Der Titel klingt nicht nur wie eine Nummer von JLo, der Song wurde auch tatsächlich initial für Jennifer Lopez geschrieben. Die sexy Inszenierung der Tanznummer ist dabei bis ins letzte Detail perfekt umgesetzt.
Meine Wertung: 2 / 5
Tschechien – Einer der wenigen Uptempo Nummern kommt in diesem Jahr aus Tschechien von der Elektropop-Band We Are Domi. Ihr moderner, mitreißender EDM-Song „Lights Off“ brennt sich in jeden Gehörgang ein und dürfte für gute Stimmung in den Wohnzimmern dieser Welt sorgen.
Meine Wertung: 3 / 5
Ukraine – Nach dem Rückzug von Alina Pash aufgrund von Unklarheiten bezüglich einer Reise in die Krim, rückte das Kalush Orchestra als Vertreter der Ukraine für den ESC in Turin nach. All dies ereignete sich nur kurz vor Kriegsbeginn und wirkt für mich noch immer wie ein kleines Wunder, dass die Ukraine in diesem Jahr im Kampf um die ESC-Krone mit dabei sind. „Stefania“ ist eine Ode an alle Mütter und der Song hat alles, was ein Song beim ESC haben muss, um erfolgreich zu sein. Der Mix aus Folklore und Rap reißt mit und zieht einen in den Bann.
Meine Wertung: 5 / 5