Es ist wie der Alptraum, der einen immer als Kind eingeholt hat: man steht vor einer großen Menschenmenge und ist entweder nackt, bekommt kein Wort heraus oder ähnlich Beschämendes folgt. Im Fall von Albert, dem Duke of York (Colin Firth) ist sein persönlicher Alptraum das Wembley Stadion. Die stille Aufmerksamkeit ist ihm ausnahmslos zuteil, er beginnt jede einzelne Silbe eines Wortes hervorzupressen, Anfangsbuchstaben zu stottern und verstummt schließlich. Das Publikum schaut betreten zu Boden. Kein Traum jedoch in seinem Fall, sondern ein ganz realer Zustand.
Der Historienfilm des Briten Tom Hooper ist, wie es sich für einen guten Hollywoodfilm gehört, ausgeschmückt, aber längst nicht nur erdacht. Queen Elizabeth II zeigte sich äußerst bewegt über die Darstellung ihres Vaters in „The King’s Speech“. Und David Seidler, der Schreiber des Werkes, stotterte selbst in seiner Kindheit massiv. Sein größtes Vorbild war der Vater von Queen Elizabeth II, König George VI. Seidler sagt, dass seine Eltern immer zu ihm meinten: „Siehst du, wenn er damit umgehen kann, kannst du das auch!“ Ein Leidensgenosse war somit gefunden. „The King’s Speech“ handelt weniger von der exakt wahrhaftigen, historischen Darstellung der Zeit in den 30er Jahren, als von einer heranwachsenden Männerfreundschaft.
Denn als unzählige, erniedrigende Arztbesuche hinter Albert liegen, lässt er sich nur schwerlich von seiner Frau (Helena Bonham Carter) zu einem weiteren Besuch überreden. Doch der Australier Lionel Logue (Geoffrey Rush) ist da etwas anders als die herkömmlichen Ärzte – er hat keinen Doktortitel, wollte eigentlich Schauspieler werden und duzt zudem seine Patienten. Was mit unproduktiven Wutanfällen beginnt, wird im Verlauf der fast täglich stattfindenden therapeutischen Sitzungen mit trockenen Witzen angereichert und gipfelt schließlich in produktivem Fluchen. Der Gebrauch von Kraftausdrücken hat noch nie so viel Spaß gemacht! Allein durch Frau und Logue scheint Alberts Rücken so gestärkt, dass er sich nach einigen Hürden sogar zu König George VI ernennen lässt. Mit vollster Unterstützung und neuer Macht kann er alten, angstmachenden Schatten trotzen und sich politischen Herausforderungen stellen.
The King’s Speech ist ein ehrlicher Film, der im Besonderen auch durch den feinen Sinn für Humor nie seine Glaubwürdigkeit verliert. Man schaut nicht auf die historische Genauigkeit, aber auf die eindringliche Darstellung. Colin Firth, obwohl er während der Dreharbeiten Angst vor unauthentischer Übertreibung hatte, erweist sich als perfekte Besetzung. Letztlich konnte Firth, selbst wenn nicht gedreht wurde, die Rolle nicht ablegen und so geschah es, dass er bei einer Preisverleihung zu stottern begann. So wünscht man sich doch engagierte Anwärter für die Oscars!
Ab 17. Februar ist The King’s Speech endlich auch in den deutschen Kinos zu begutachten.
Gesehen von: Hella Wittenberg