The Boxer Rebellion im Interview

Seit über 10 Jahren gibt es The Boxer Rebellion nun schon. Und noch immer tritt das in London beheimatete Quartett in gleicher Besetzung und mit ebenso großer Spielfreude auf. Bereits im Mai 2013 erschien das nun mittlerweile 4. Studioalbum mit dem verheißungsvollen Titel „Promises“. Darauf ist jedoch in keiner Minute Altersmüdigkeit oder Festgefahrenheit zu hören, sondern vielmehr fand ein musikalischer Umschwung bei der Band statt. Auch im Interview sprachen The Boxer Rebellion offen über ihre mutigen Schritte in Hinblick auf ihre Berufung wie aber auch in persönlicher Hinsicht.

Die Stühle sind unbequem, die Luft drückend heiß und die 4 Mannen sind kurz vor der Weiterfahrt. Die gepackten Koffer neben sich, versucht der Trupp herauszufinden, was sie jetzt noch mit ihrem unzähligen Kleingeld anstellen wollen. Der nächste Reiseaufenthalt ist Leipzig. Dort etwa den Zoo besuchen? Im Gespräch mit Sänger Nathan Nicholson und Schlagzeuger Piers Hewitt stellt sich gleich zu Beginn heraus, dass zumindest Hewitt viel eher daran interessiert ist Tiere zu essen anstelle sie sich anzuschauen. 

Piers Hewitt: Ich würde jedes Tier wenigstens probieren.

Nathan Nicholson: Ich bin da ein bisschen komisch. Was ich als Kind gegessen habe, werde ich auch heute noch essen. Aber ich möchte nichts Neues versuchen. Obwohl… neulich habe ich mal Reh gekostet.

Piers: Mir kam Pferdefleisch immer ziemlich komisch vor bis ich herausgefunden habe, dass einem dieses Fleisch bestimmt schon öfter untergejubelt wurde und es hat vielleicht ganz gut geschmeckt. Sonst hätte ich es doch gemerkt…

Nathan: Lass uns lieber das Thema wechseln!

Im Zuge der Veröffentlichung von „Promises“ habt ihr stets zu betonen gewusst, dass es euch wichtig ist nicht das selbe Album noch einmal zu machen. Wieso seid ihr so schlecht auf Wiederholung zu sprechen?

Nathan: Wir wollen gern daran interessiert bleiben, was wir tun und ich denke, die Fans ebenso. Aber es steckt auch kein großer Plan dahinter, der besagt, dass wir von nun an alles ändern. Es ist so wie bei allen Menschen: wir werden älter und unser Geschmack verändert sich.

Piers: Ich kann nicht besonders begeistert von Bands bleiben, die sich zu sehr wiederholen. Also möchte ich das auch nicht. Das ist meiner Meinung nach eine sehr positive Einstellung.

Sich immer wieder gegen ein wenig Bequemlichkeit zu sträuben, erscheint mir sehr anstrengend.

Nathan: Ich denke nicht einmal, das wir uns dagegen sträuben. Es passiert einfach dadurch, dass viel Zeit zwischen den Alben liegt und man somit nur in großen Abständen miteinander an neuen Songs schreibt. Es braucht eine Weile bis wir wieder reinkommen und dann geschehen Veränderungen ganz natürlich. Wir versuchen nicht die Welt neu zu erfinden. Sondern nur die Musik zu machen, die wir selbst mögen.

Piers: Wir sind gut daran erfrischend neue Sounds zu kreieren. Und wir wachsen schneller als wir uns das je vorgestellt hätten. Ich bin sehr stolz darauf, was wir schon alles geschafft haben.

Ihr hört euch also auch eure eigene Musik an?

Piers: Je älter ich werde desto öfter kommt es vor, dass ich mir die Songs anhöre, die wir nicht mehr live spielen.

Nathan: Erst neulich habe ich mir Stücke angehört, die es nicht auf ein Album geschafft haben. Und ich habe mich gefragt, ob sie gut genug wären, wenn wir mal in Schwierigkeiten stecken würden. Ich denke, dass es sie nicht zu schlechten Songs macht, nur weil sie nicht auf ein Album gepasst haben. Aber trotzdem genieße ichmehr die Entstehung von Musik. Das ist wie eine Geburt. Man quält sich so lange damit und versucht alles richtig zu machen. Aber wenn ein Album erst einmal veröffentlicht ist, gehört es mir nicht mehr, sondern den Anderen.

Piers: Nach vorn zu schauen, ist wichtig. Denn je öfter ich mir ein Album von uns anhöre, desto mehr kann ich die Fehler hören, die ich nicht mehr beheben kann und umso weniger mag ich dann das Album.

Eigenen Angaben zufolge seid ihr im Besonderen in den letzten 5 Jahren erwachsener geworden.

Piers: Verheiratet zu sein, ist eine große Sache. Man hat plötzlich mehr Verantwortung.

Nathan: Steuererklärungen gehören auch dazu. Halt ganz normale, langweilige Sachen…

Piers: So etwas macht es für mich nicht langweilig, sondern anders. Wir haben dadurch eine andere Sicht auf die Dinge. In mancher Hinsicht sehen wir die Band nun auch mehr als Job, weil wir unabhängig sind und unser eigenes Label haben. Außerdem ist das Touren anders als es vor 10 Jahren war. Wir trinken auch weniger. Aber ich denke, wenn man erst einmal 30 wird, hat das auf die meisten Leute eine große Wirkung. Viele meiner Freunde haben jetzt bereits Kinder. Nur ich nicht. Doch irgendwie können wir uns echt glücklich schätzen in unserer jetzigen Situation. Wir können noch immer auf Tour gehen und langes Haar haben.

Nathan: Du hattest aber schon längeres Haar gehabt!

Piers: Du auch. Und du könntest es wieder haben. Es würde dir stehen! (lacht) Naja, jedenfalls können wir uns mehr erlauben als unsere Freunde. Zum Beispiel gibt es bei uns nicht dieses Montag-Morgen-Gefühl.

Nathan: Erst heute bin ich aufgewacht und hatte keine Ahnung welcher Tag ist… Ich fühle mich nicht total erwachsen. Die Prioritäten haben sich nur geändert. Weshalb ich beispielsweise heutzutage nicht mehr die ganze Zeit mit meinen Freunden im Pub rumhängen werde.

Piers: Man wird von seinen Freunden regelrecht zum Übernehmen von mehr Verantwortung gezwungen. Das ist gut, denn man reift mit den Leuten, die man um sich hat.

Auf „Promises“ geht es um Beziehungen, aber auf das Cover hat es nur eine, sich im Fall befindende Person geschafft.

Nathan: Für uns ist es ein sehr eindrucksvolles Bild. Er könnte überall hineinspringen…

Piers: In einen Pool voller Alligatoren! Oder nackter Frauen!

Nathan: Was so viel heißen soll wie: du weißt nie was dich morgen erwarten wird.

Piers: Für mich sieht es nach einem echten Abenteuer aus. Der Mann ist nicht nervös oder ängstlich. Das ist doch etwas Gutes.

Vergleicht ihr euch mit euren Freunden? 

Piers: Es ist schwer dies nicht zu tun. Nicht nur mit Freunden. Sondern auch mit anderen Bands. Aber es kommt darauf an wie man sich vergleicht. Als unser erstes Album herauskam, waren wir sehr unglücklich, da unser Label implodierte. Es war wie ein Pferderennen mit einem Pferd, welches ein kaputtes Bein hat. Man sieht wie die anderen Pferde quasi an einem vorbeifliegen. Dabei zuzuschauen wie viele Bands, mit denen wir in der Londoner Szene aufgewachsen sind, zu großen Acts werden, hat mich eine Weile echt fertig gemacht. Aber es ist nicht sehr gesund immer in Nachbars Garten zu starren. Wir haben diesen Neid zum Glück ablegen können. Mit meinen Freunden möchte ich mich eigentlich auch nicht vergleichen. Jedoch kann es schon vorkommen, dass ich mich ein bisschen zurückgelassen fühle. Natürlich will ich, wie meine Freunde auch, am liebsten in einer guten Gegend leben und Kinder haben. Trotzdem ist das kein Konkurrenzdenken.

Wie viele enge Freunde habt ihr?

Piers: Meine Frau würde sagen, dass ich zu viele habe! (lacht)

Nathan: Ich habe 6 enge Freunde. Meine Bandkollegen ausgenommen. Irgendwie zähle ich die nie mit…

Piers: Hm, ich würde sagen, dass ich 12 habe… Es kamen ganze 19 Freunde, um mir beim Umziehen in Dublin zu helfen. Das war mehr als ich erwartet hatte und ich war davon sehr gerührt. Ich muss also wenigstens 12 sagen.

Behaltet ihr gern die Hebel in der Hand?

Nathan: Weil wir ein Label haben? Naja, ich denke es würde uns, nach all dem, schwer fallen nicht die Kontrolle zu haben. Ich kann mir nicht mehr vorstellen etwas zu schreiben und dann darauf zu warten, dass es jemand „ok“ findet. Mal abgesehen von der Band und unserem Manager. Das Gleiche gilt für das Cover. Wir mochten es so sehr und wollten auch nicht unseren Namen darauf haben. Das wäre unter anderen Umständen kompliziert geworden. Aber wir opfern, speziell in finanzieller Hinsicht, viel für diese Kontrolle.

Wie viel Geld steht euch pro Tag zur Verfügung?

Nathan: 20 Euro? (lacht)

Piers: Wenn man auf Tour ist, braucht man nicht viel Geld.

Nathan: Die Venues haben entweder Essen für uns da oder geben uns ungefähr 20 Euro, um uns irgendwo etwas zu kaufen. Und zum Frühstück bin ich meist noch nicht auf den Beinen. Von da her…

Wie ungesund.

Nathan: Oh ja, Touren ist alles andere als gesund! Man hält unterwegs auch immer nur kurz an, um Sandwiches und Kaffee zu holen.

Piers: Das ist so gesund wie es nur werden kann. (zeigt auf die Wasserflasche vor sich) Wasser gibt es immer und überall. Wir trinken viel davon und hoffen, dass das zum Ausbalancieren reicht. Man lechzt nach einer Weile schon sehr nach Obst und Gemüse, was man dann wieder zu Hause kriegt.

Nathan: Wo du das gerade sagst… Gestern waren wir in einem Restaurant essen und niemand hat irgendetwas Gesundes bestellt. Es gab nur Schnitzel und Bratkartoffeln.

Piers: Aber zu Hause sieht das anders aus! Denn unsere Frauen wissen, was gut für uns ist und das ist auch so ein Grund warum wir mit ihnen verheiratet sind. Meine Frau hält immer schon Obst und Gemüse bereit, wenn ich vom Touren wiederkomme.

Nathan: Und ein bisschen Liebe! Oh und eine groooße Umarmung! (lacht)

Ist ein Konzert oder ein Album von The Boxer Rebellion ein besseres Zeitdokument von euch?

Piers: Ich würde immer sagen, dass ein Boxer Rebellion-Album ein besseres Zeitdokument von uns ist. Wir arbeiten so hart daran. Zwar denke ich, dass wir eine großartige Live-Band sind, aber es gibt dabei unzählige Variablen zu beachten. Zum Beispiel muss jeder von uns komplett auf der Höhe und das Publikum gut drauf sein. Ich denke, in 30 Jahren werden die Menschen eher auf ein Album von uns blicken als auf ein Konzert. Und das sage ich, obwohl ich sehr stolz auf unsere Konzerte bin. Aber wir sind auch kritisch. Wenn du ein Konzert von uns fantastisch findest, ist es für uns vermutlich nur ok gewesen. Wohingegen wir ein Album nie rausbringen würden, wenn wir nicht hundertprozentig glücklich damit wären.

Nathan: Ich bin sehr glücklich mit dem, was wir tun. Das ist das, was ich immer machen wollte.

Piers: Ja, ich auch! Ich habe das Gefühl, dass wir so viel mehr Geschichten zu erzählen haben als andere Leute. Wenn man auf einer Party ist, wird man immer mehr gefragt als andere. Für viele ist unser Job ein besserer als ihr eigener. Und ich sehe meinen Job nicht als selbstverständlich an. Vielleicht verdienen andere Menschen mehr Geld, aber ich könnte nicht wie sie um 8 Uhr morgens mit der Arbeit beginnen.

Nathan: Wir haben einen coolen Job! (lacht)

Piers: Auch geldmäßig geht es uns gut. Wir sind nicht zu groß, so dass wir 10 Monate im Jahr auf Tour verbringen müssen, was ein Glück für uns ist. Wir haben eine gute Balance, dir wir nicht hergeben möchten.

Was haltet ihr von einem Dienst wie Spotify?

Piers: Man muss realistisch sein und sehen wie es heutzutage läuft. Ich weiß, dass viele Menschen unsere Musik kostenlos hören. Ich weiß aber auch, dass viele von ihnen zu unseren Konzerten kommen und dort T-Shirts kaufen. Es gibt also unterschiedliche Wege uns zu unterstützen. Für unsere Band ist Spotify eine gute Sache. Natürlich wäre es schön dermaßen viel Geld zu verdienen wie man es in den 80ern mit Musik verdienen konnte. Aber so ist es nun mal nicht mehr. Es gibt keinen Grund sich damit aufzuhalten, ich nehme die Veränderung an. Deshalb möchten wir auch so interaktiv wie möglich mit unseren Fans umgehen. Wenn sie einmal an uns interessiert sind, wollen wir sie auch interessiert an uns behalten.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg