Sie tragen Outfits, die wie eine leidenschaftliche Affäre zwischen „Sonnenallee“ und „Star Trek“ aussehen, machen Musik, die direkt aus den 60ern zu kommen scheint und ihr Sänger hat eine so umfangreiche Lockenpracht auf seinem Haupt, dass keine Thematisierung ohne die Erwähnung seines Haars auskommen kann. Temples sind die Band der Stunde. Bereits 2013 als eine der hottesten Neulinge im Musikgeschäft gehandelt, wurden sie mit dem im Frühjahr veröffentlichten Debüt „Sun Structures“ schnell ihrem guten Ruf gerecht. Schon beim diesjährigen Introducing standen sich die Menschenmassen stundenlang vor dem Club die Beine in den Bauch um sich auch von den Livequalitäten des britischen Quartetts überzeugen zu können. Wer bei den Shows dabei war, wusste überall für Neid zu sorgen. Jetzt ließen sich Temples für weitere Deutschland-Termine verpflichten. Darunter auch im Berliner Lido, am 24. November.
Bereits bei der Vorband „Big Skies“ war kaum ein freies Fleckchen mehr zu finden. Der Innenraum des Clubs wurde dadurch noch minimiert, dass ein großes Pult rechts vor der Bühne stand, wo sich drei langhaarige Herren positioniert hatten. Ihre Aufgabe wurde klar, sobald die Hauptband des Abends unter großem Jubel ins Scheinwerferlicht trat. Als die ersten Töne von „Sun Structures“ erklangen, verwandelte sich der Bühnenbereich in ein leibhaftiges psychodelisches Happening. Das Dreiergespann war dabei für die Live-Visuals zuständig. Auf tellergroßen Glasschalen verteilten sie blaue, gelbe, rote Farbe und drehten und schwangen diese dann über ihrem jeweiligen Overheadprojektor. Das Kunst-Spektakel wurde auf die Leinwand hinter der Band übertragen und ließ Musik und Farben eine wunderbar harmonische Ehe eingehen. Ein Erlebnis wie aus einer anderen Zeit. Viel geredet wurde jedoch nicht von Sänger James Bagshaw und seinen Kollegen während des rund anderthalbstündigen Konzerts. Nach jedem Song bedankte man sich artig beim Gegenüber, ansonsten pflegte man ein absolut entspannt-entschleunigtes Darbieten fast aller Stücke des Erstlingswerkes, welches übrigens dieser Tage auch als Remix-Version unter dem Titel „Sun Re-Structured“ herausgekommen ist.
Das Hauptstadt-Publikum schien zu Songs wie „Colours To Life“, „Mesmerise“ und „A Question Isn’t Answered“ zu schweben. Der Bass in den Liedern weniger streng, das Leichtfüßige dagegen verstärkt. Vermehrt konnten geschlossene Augenpaare ausgemacht werden, Öko-Zigaretten verbreiteten ihre Rauchwolken teppichartig über den gesamten Raum. Ein jeder schien das zuvor bestehende Raum- und Zeitkontinuum vergessen zu haben – Temples hatten es außer Kraft gesetzt mit ihrem Auftritt, der schnurstracks aus einem 60er-Jahre-Wurmloch gesprungen zu sein schien.
War dabei: Hella Wittenberg, Foto: Annett Bonkowski