Teddy testet

Heute: Der VW Jetta II

Der „Stern“ hatte letztens einen Gebrauchtwagen Sonderteil. Das Titelbild dieses Sonderheftes zeigte  die Karikatur eines Gebrauchtwagenhändlers, der einen  offenbar gurkigen  Gebrauchtwagen einem unschuldigen Kunden als quasi Neuwagen verkaufen will.  Obwohl es anders gemeint war,  kann man dem Kunden in diesem Bilderwitz nur zum Kauf raten, handelt es sich bei der angeblichen „Möhre“  (oder doch Gurke?) offensichtlich um einen VW Jetta II.

Jetta TeddyIch habe einen Jetta II. Seit ca. drei Monaten. Baujahr 1990, GL Ausstattung, Verlourssitze, Sitzheizung, Schiebedach und Zentralverriegelung. Mit 230 000 km auf der Uhr, knapp 7000 davon sind schon von mir. Problemlos. Kaufpreis: 999,-€

Der Jetta II ist ein sehr emotionales Auto. Viele finden in häßlich. Eigentlich alle. Vor allem damals, als er noch gebaut wurde.  Und ich fand das damals vor 20/25 Jahren  auch. Als mein Vater den Kauf eines Jettas in Erwägung gezogen  hat war ich schockiert.  Aber nun?

Als ich stolz den Neuerwerb meines Wagens  in meinem Facebook Status gepostet habe, waren die Reaktionen unterschiedlich. Erstaunlich zunächst die Anzahl derer, die selber mal Besitzer oder Fahrer eines solchen waren: „Mein Jetta hieß Jutta“.

Unvergessen aber auch der anerkennende Respekt eines guten Freundes: „Von all meinen Punk-Freunden bist Du der Härteste! Das traut sich keiner!“ Er selber fährt einen Porsche 911er.

Eine Arbeitskollegin ließ sich nach einer genaueren Betrachtung des Objektes sogar zu der Bemerkung hinreißen, sie fände den Jetta II „erotisch“.

Um trotz schwelender Erotik  ehrlich zu bleiben: wenn ich mehr Geld zum Kauf eines fahrbaren Untersatzes zur Verfügung gehabt hätte, ich hätte mir was anderes gekauft. Neuwagen die Platz für die ganze Familie plus Hund haben, auf der Autobahn einem eine Reisegeschwindigkeit um die 160 locker und klimatisiert zur  Verfügung stellen und dabei um die 6l Diesel verbrauchen, üben auch auf mich einen großen Reiz aus. Und natürlich gibt es auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt  wesentlich bessere Autos als den alten Ziegelstein Jetta. Andererseits ist es eine ziemlich coole Erfahrung festzustellen, dass man für das gleiche Geld, für das man bei einem völlig durchschnittlichen Neuwagen vielleicht ein Lederlenkrad und ein klimatisiertes Handschuhfach bekommt, ein ganzes  Auto bekommt, das mit seiner netten Ausstattung und 90 PS bei nur 960 kg Gesamtgewicht und einem Durchschnittsverbrauch von 8l  behagliche Fahrfreude mit extremer Wirtschaftlichkeit verbindet.

Mit dem Auto kommt jeder Schrauber klar. Ersatzteile kosten wenig und sind reichlich vorhanden. Solange ich das Ding durch den TÜV kriege, kriege ich auch meine 1000,-Euro Kaufpreis wieder. Der Wagen hat Fans.

Kurzum: der Jetta entspannt mich. Spätestens seitdem ich noch die schwarze Scheibenfolie meines Vorgängers mühsam abgekratzt habe,  ist der Rentnercharme perfekt. Das Velours sieht noch gut aus. Ich bilde mir sogar ein, dass selbst mein Hund auf der Rückbank im Jetta ruhiger schläft, als in den Kombiabteilen der vielen Mietwagen in denen er vorher Platz nehme durfte.

Und dann noch der Kofferraum! Der Kofferraum! 550 Liter Stauvolumen!

Und die Fahrleistungen sind auch gar nicht so übel. Ein Golf VI in seiner aktuellen Basisversion ist langsamer. Der schafft nur 172 km/h, ich könnte 178 km/h. Das alles auf dem Papier.

Gut. Ich will nicht verheimlichen, ein kleines Problemchen gab es schon. Der Wagen klapperte „irgendwo vorne“. Und zwar laut und vernehmlich. Aber ausschließlich in Linkskurven. „Na gut“, dachte ich in meinem gar nicht mehr so jugendlichen Leichtsinn. Das ist bestimmt irgendwie der Auspuff oder auch nur die Hitzebleche um den Auspuff herum.

Waren sie aber nicht. Das habe ich aber erst festgestellt, nachdem ich einen neuen Auspuff und neu angebrachte Hitzebleche hatte. Das Plastikteil, mit dem man die Stange arretiert, die zum Hochhalten der Motorhaube dient, war zerbrochen und so tanzte eben diese Stange irgendwo zwischen Motor und Haube herum. In Linkskurven. Und weil wirklich jeder Schrauber schon hunderte Autos von diesem Typ unter den Fingern hatte, hatte auch  mein Schrauber nach längerem Kramen in einer alten Platikbox („Ich schmeiß ja nix weg“) das richtige Ersatzteil parat. Jetzt klappert nix mehr und nur mein Herz tanzt.

Und nun noch zurück zur „Stern“ Karikatur. Was hat den Zeichner bewogen ausgerechnet den geliebten und dabei noch  anerkannt zuverlässigen Jetta als Symbol für einen schlechten Gebrauchtwagen zu nehmen? Die Lösung des Rätsels liegt auf der Hand. Weil der Jetta in der Tat  etwas symbolisiert! Er sieht einfach verdammt nochmal aus wie ein Auto. Ein Auto. Ein Auto. Mit Motorhaube, vier Türen und einem Kofferraum. Und das ist – und hier wiederhole ich mich gern – vielleicht wirklich ein bißchen erotisch.