Petticoats und Buletten, Rock’n Roll und Rockabilly – und mittendrin Imelda May bei der 11. Rock’n Roll Party Night in Berlin.
Die Liebe zur Musik ist und bleibt eine großartige Sache. Sie bringt Menschen aller Altersklassen zusammen und verschlägt einen manchmal an Orte, an denen man sonst nicht gelandet wäre. Zum Glück, wie der Fall der 11. Rock’n Roll Party Night im Palais am Funkturm beweist.
Auch wenn ich ein großer Fan von Rock’n Roll und Rockabilly bin, haben die zehn vorangegangenen Rock’n Roll Party Nights leider ohne mich stattgefunden. Dieses Jahr lockte uns die Kunde einer ganz besonderen Auftrittsbestätigung am vergangenen Wochenende ins Palais am Funkturm. Imelda May, „Dublin’s finest Rockin‘ Diva“! Das durften wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Also rein in die Highheels, die Haare aufgetürmt, das getupfte Halstüchlein umgebunden, und los geht’s.
Und zwar ungewohnt zeitig. Als wir um acht Uhr im Palais eintreffen, istdas Fest schon in vollem Gange. Zwischen weiß gedeckten Tischen und Buffet mit Buletten und co heizt in der Ehrenhalle die Partyband Rock’59 den Rock’n Rollern verschiedenster Altersklassen bereits kräftig ein, während der Saxophonist in goldener Kappe sich regelmäßig unter die Tanzenden mischt. Leider haben die Veranstalter offensichtlich die Deckenhöhe des Foyers nicht bedacht, worunter die Akustik sehr zu leiden hatte. Großartig aber die altersmäßige und gesellschaftliche Durchmischung des Publikums – Damen fortgeschrittenen Alters in Petticoats sind ebenso anzutreffen wie tätowierte Rockabillys, was dem fröhlichen Miteinander keineswegs im Wege steht.
Auch alle Bands knien sich bei ihren Darbietungen richtig rein und genießen die Begeisterung des Partyvolks. Ein Highlight der besonderen Art: Mr. Red Shoes, Claus Debusman, mit seiner Rock’n Roll Pianoshow. Optisch weckt Claus Debusman bei mir Erinnerungen an die Figur Billy Mack aus dem großartigen Film „Tatsächlich… Liebe“, aber der Enthusiasmus und die Energie, mit der er sein Klavier traktiert (am Ende sogar unter Zuhilfenahme seines Handtuchs), können sich durchaus sehen lassen.
Nach drei Stunden erschöpft sich jedoch selbst so gut vorgetragenes Repertoire an gecoverten Rock’n Roll Songs ein wenig, und so scharren wir gegen elf Uhr ungeduldig mit den Tanzschühchen (die unsere Füße inzwischen aufs Empfindlichste misshandelten), in froher Erwartung endlich Miss Imelda May zu erleben. Gegen halb zwölf tritt sie schließlich vor den goldenen Vorhang. Schon die ersten Takte ihrer Performance gehen direkt in die Beine, was einen älteren Herrn neben mir prompt dazu veranlasst, mich mit einem beherzten Griff an mein Hinterteil zum Tanzen aufzufordern.
Auf den ersten Blick fällt auf: Obwohl sie ihr enges Rockabilly Kleid mit ihren hübschen Rundungen gut ausfüllt, ist Imelda May doch ein erstaunlich zartes Persönchen. Umso faszinierender ist ihre Energie und die Kraft ihrer Stimme, nicht nur wenn sie singt, auch wenn sie ins Publikum röhrt: „Do you want some more Rockabilly?“ Da sie nur 45 Minuten für ihre Performance Zeit hat (der Ablauf wird seit Beginn des Abends nahezu auf die Minute eingehalten), hält sie sich auch nicht groß mit Ansagen auf, sondern liefert einen Tanzkracher nach dem anderen ab und gewinnt zunehmend Spaß an der Sache. Unterstützt wird sie dabei kongenial von ihrer wirklich tollen Band.
Unsere Schuhe schleudern wir bereits beim zweiten Song von den Füßen, um dem Zappeln in unseren Beinen gebührend nachgeben zu können. Mit „Big Bad Handsome Man“ und „Johnny Got A Boom Boom“ sind die wichtigsten Songs des Albums vertreten, und obwohl der bereits genannte Zeitplan eigentlich keinen Raum für Zugaben lässt, fordern wir hartnäckig und werden belohnt – endlich kommen wir live in den Genuss ihrer großartigen Cover-Version des Gloria Jones Hits „Tainted Love“, die wir bisher nur auf Youtube bewundern durften.
Sowohl bei Imelda May als auch bei allen anderen Auftritten des Abends spaltet das Publikum sich übrigens in zwei Lager – am vorderen Rand der Bühne Zuschauer, Mitsinger, -tänzer und –klatscher, weiter hinten auf der Tanzfläche die Paare, die sich weniger für die Künstler auf der Bühne als für die Musik als solche interessieren und gemeinsam das Tanzbein schwingen. Mit einem überdimensionalen Blumenstrauß beglückt bedankt Imelda May sich am Ende bei den Veranstaltern des Festivals, „for keeping Rock’n Roll alive“. Er lebt, eindeutig. Wir haben es mit eigenen Augen gesehen.
Fotos (c) Katja Mentzel