Einer unser persönlichen Höhepunkte auf dem SPOT-Festival 2011 stellten Alcoholic Faith Mission dar. Die sympathischen Dänen, allen voran Frontfrau Kristine Permild, waren nicht nur anregende Interviewpartner, sondern lieferten auch einen imponierenden Auftritt vor 1.600 Zuschauern im Theatersaal von Aarhus. Anderthalb Stunden vor Konzertbeginn treffen wir, während die restlichen Bandmitglieder zwischen Soundcheck und Garderobe hin und her wuseln, Frontfrau Kristine.
Bist du glücklich?
Kristine: Zur Zeit bin ich sehr glücklich. Wir haben gerade erfahren, dass wir auf dem Roskilde spielen werden und dann gleich noch hier. Das wir spannend. Wir sind noch nie in einem Theater aufgetreten.
Sagen wir, ich wäre ein Streicheltier aus dem Streichelzoo und ich kenne nur Streicheltiermusik. Wie würdest du mir eure Musik beschreiben?
K: (Lacht) Es ist definitiv Rock-Musik, hat aber auch eine folkloristische und elektronische Textur. Wir versuchen so viele Genres, nicht wie möglich, sondern wie nötig zu verwenden. Wir benutzen viele Instrumente wie etwa eine Posaune oder Akkordeon und wir sind froh, dass wir so viele zum Singen sind. Dadurch haben wir viele Möglichkeiten und können in die unterschiedlichsten Richtungen gehen.
Die Musik des Indie-Kollektivs kann man als experimentelle Folktronica bezeichnen. Verspielt, traurig und sympathisch. Definitiv anders, aber nuanciert und ausgereift. Beeindruckend auch die feine Abstimmung und Aneinanderreihung verschiedenster Instrumente. Nicht zuletzt bei ihrem Konzert im gefüllten Theater-Saal schafften sie es, eine intime und zugleich mitreißende Atmosphäre zu kreieren, so überzeugend, dass das Publikum am Ende vor Entzücken stehend applaudierte.
Kommt ihr dieses Jahr noch nach Deutschland?
K: Bisher ist noch nichts bekannt. Wir sind momentan damit beschäftigt, das Album fertig zu machen und danach spielen wir eine Tour in Dänemark. Wir waren letzten Sommer längere Zeit in Deutschland. In Hamburg hat es uns sehr gut gefallen. Da haben wir bisher am meisten gespielt. Für uns als dänische Band ist es faszinierend, durch ein so großes Land wie Deutschland zu touren. Jeden Tag kommst du in eine neue Stadt und jeden Abend sind mindestens 100 Leute bei den Konzerten, das ist eine wunderschöne Erfahrung, denn so etwas würde uns in Dänemark nie passieren. Obwohl wir in Hamburg unsere bisher kleinstes Konzert gespielt haben.
Wo war das?
K: In der Astra-Stube. Das ist unter der Eisenbahnlinie und ich glaube die Bühne ist ungefähr so groß wie der Raum. Da passen maximal 50 Leute rein, aber jedes Mal, wenn wir da sind, scheinen 100 Leute anwesend zu sein. Dann wird es sehr heiß da drin und jeder schwitzt. Aber es macht sehr viel Spaß da (lacht).
Und wie sieht euer nächster Karriere-Schritt aus?
K: Der nächste Schritt ist Nord-Amerika zu erobern. Wir waren dieses Jahr drei Mal da. Dort ist eine Menge Potential für uns vorhanden, gerade Kanada war überwältigend. Ich glaube, wir können es da schaffen.
Was ist der Unterschied zwischen dem Publikum, den Reaktionen, in den USA und Kanada im Vergleich zu Europa, speziell Skandinavien?
K: Hmm… Das ist eine gute Frage. Viele, die in Dänemark spielen, haben das Gefühl, dass das Publikum sehr laut ist. Das kommt wahrscheinlich von der Trinkkultur, denn viele Menschen gehen in erster Linie zu Konzerten um etwas zu trinken, Spaß zu haben, sich zu unterhalten und nicht unbedingt um eine Band zu hören. Ich denke, das ist anders in den USA. Gerade in New York, da gibt es jeden Tag zehn oder zwanzig gute Konzerte, wenn man da spielt, steht man immer mit vielen anderen guten Bands im Wettbewerb.
Der Band-Name entstand 2006, als ein paar Bandmitglieder in Brooklyn herum spazierten, über das Leben und all die essentiellen Fragen sprachen. Sie kamen an dem Schild einer Kirche vorbei: „Apostolic Faith Misson“ . Zwei der insgesamt sechs Musiker kommen aus Familien, in denen Alkoholismus immer gegenwärtig war und seine zerstörerischen Kräfte zeigte. So entstand aus den beiden Ausdrücken ein ironisches Wortspiel. Es begann als Witz, doch als der erste Langspieler folgte, war es auf einmal der Bandname.
Wie ist das Tourleben für dich so? Wo du die einzige Frau unter fünf Männern bist?
K: Das Touren ist anstrengend. Wir kümmern uns um das komplette Equipment und tragen es mit uns rum. Manchmal haben wir einen Tourmanager dabei, aber meistens übernehmen wir auch diesen Part. Dann spielst du jeden Abend woanders. Du trinkst noch was, gehst spät ins Bett und musst morgens früh raus, also versuche ich im Bus zu schlafen, was allerdings nicht immer funktioniert. Das kann echt ermüden. Aber wir würden es nicht machen, wenn es zu anstrengend wäre. Es ist einfach so schön und wunderbar auf die Bühne zu gehen, da erträgt man das alles. Wir haben die letzten zwei Jahre eigentlich nur miteinander verbracht und sind so enge Freunde geworden. Mittlerweile reisen wir wie eine Familie (lacht). Es stimmt schon. Ich bin die einzige Frau im Bus und auch bei den Konzerten sind ausschließlich Männer, fällt mir gerade auf.
Warum ist das so? Generell ist es ja schon sehr auffällig, wie wenig Frauen auf der Bühne, aber auch hinter den Kulissen zu sehen sind.
K_: (Überlegt) Ich weiß es nicht. Das ist eine gut Frage (überlegt abermals), aber ich kann sie dir nicht beantworten. Ich denke, du musst schon eine starke Persönlichkeit sein, manchmal den Ton angeben. Im Bus sitzen, oft scheiße aussehen, ausgehen und viel Bier trinken. Ich denke, da muss man anders sein, um so etwas genießen zu können. Abgesehen davon…keine Ahnung. Aber eine Frau in der Band zu sein, ist kein Problem. Wir sind sehr unterschiedlich, aber dass ich eine Frau bin, ist nicht der größte Unterschied. Da gibt es viel stärkere Differenzen. Die sind nicht auf ein Geschlecht zurückzuführen, sondern auf Dinge wie Geschmack, Musik oder Verhalten. Für mich ist da kein so großer Unterschied.
Denkst du, dass es eine Veränderung im Musik-Business geben wird? Zum Beispiel, kannst du mir eine weibliche Musik-Produzentin nennen?
K: (Überlegt) Nein.
Die einzige die mir gerade einfällt, ist Missy Eliot…
K: …Stimmt. Aber ich glaube, wir werden da eine Veränderung erleben. Es kommen immer mehr Frauen in das Musik-Geschäft. Es gibt immer mehr weibliche Identifikationspersonen, gerade für junge Mädchen. In den 90er Jahren waren da noch viele Boy-Groups. Das hat sich mittlerweile geändert. Je mehr Frauen wir in der Musik-Industrie sehen, desto mehr Mädchen werden versuchen, sich selbst zu involvieren.
Glaubst du die Veränderung geht so weit, dass es dann eines Tages auch männliche Groupies geben wird? Die Stunden vor dem Konzert da sind, schreien und rumhüpfen.
K: (Lacht) Haha…Nein. Die drücken ihre Freude etwas anders aus.
Wie sieht das aus?
K: (immer noch quietschvergnügt von der Vorstellung kreischender Männer) Naja, die stehen eher da und nicken ein wenig. Sind super-cool.
Okay letzte Frage…
K: …eine Entweder-Oder-Frage?
Ja genau. Wie kommst du denn darauf ?
K: Keine Ahnung. Wir stellen uns solche Fragen ständig, wenn wir auf Tour sind. Die schrecklichsten Dilemma-Fragen. Daran bin ich gewöhnt (lacht).
Okay. Drehen wir den Spieß um, stell du mir eine.
K: Also (lacht). Ich hab da mal eine Frage an dich: Würdest du lieber Zähne haben, die aus Fingernägeln bestehen, du musst die immer schneiden. Die Backenzähne sind stabil, aber die Schneidezähne sind, naja, eher schwach. Oder hättest du lieber Gesichtshaut, die wie ein Schachbrett gemustert ist?
Oh je… Ich glaube, ich nehme die Fingernägel-Zähne. Die würde ich mir dann immer mit Nagellack putzen, dann werden sie fester und sehen auch noch gut aus.
K_: (Lacht) Haha… Die kannst du dann pink anmalen, wenn du auf eine Party gehst.
Ja stimmt. Danke für das anregende Interview.
K_: Bitte. Hat mir auch Spaß gemacht.
Interview von: Sebastian Schelly