Strahlender Sonnenschein, Temperaturen um die freundlichen 25 Grad und eine spannende Mischung aus Musik und Kunst in einer besonderen Kulisse – die Vorzeichen standen gut fürs MS Dockville Festival in Hamburg. Und auch in diesem Jahr ging das Konzept wieder voll auf.
Dank der recht zentralen Lage im Hamburger Stattteil Wilhelmburg ist das MS Dockville Festival auch ideal für alle, die sich zwar gerne dem klassischen Festival Feeling hin geben, aber die Nacht lieber gemütlich im Bett statt im Zelt auf dem Festivalgelände verbringen. Die Anbindung mit S-Bahn und Shuttlebus aus der Hamburger Innenstadt und zurück ist gut geregelt und somit sehr unkompliziert.
Schon der Weg zum Gelände ist ein kleines Erlebnis für sich. Auf einer Insel mitten im Industriegebiet gelegen, mit Containern und Windrädern im Hintergrund, ist das MS Dockville mit seinem Setting schon etwas Besonderes. Außerdem wird man von Schafen begrüßt, die einem von einer kleinen Weide zur Rechten aus fröhlich entgegen blöken. Auf den Hot Spots mit der besten Aussicht stehen abends die Smartphone User Schlange, um den malerischen Sonnenuntergang zu fotografieren. Leider hatten starke Regenfälle das Gelände vor der Hauptbühne derart aufgeweicht, dass selbst drei Tage Sonnenschein es vorab nicht geschafft hatten, den Erdboden wieder zu trocknen. Der Matsch klebt an den Schuhen und riecht stark nach Pferdemist. Aber auch das gehört zum gepflegten Festivalgefühl ja ein klein wenig dazu.
Neben dem, was das Gelände an eigenem Reiz mitbringt, trumpft das MS Dockville auch mit detailverliebtem Setting auf. Dank des hohen Baumbestandes zwischen den Bühnen gibt es auch an versteckten Stellen schöne Orte zu entdecken. Hier hängen Hängematten, dort wurde ein Hochsitz zwischen die Äste gebaut. Und überall gibt es Musik und Kunst zu entdecken. Neben dem Geschehen auf den Hauptbühnen laden DJ-Beschallung aus Wohnwägen und Discokugeln unter Bäumen zum Tanzen und Verweilen ein. Manchmal ist es fast ein bisschen viel des Guten, Sounds und Feiermenge überschneiden sich und erwecken den Eindruck eines mehr oder weniger gepflegten Durcheinanders. Dazwischen gibt es Skuplturen und Pop-Up-Galerien zu entdecken.
Das musikalische Line-Up auf den Bühnen wartet mit vielen alten Bekannten auf: Das Wochenende beginnt mit einem erfreulichen Wiedersehen mit Darwin Deez. Der New Yorker Lo-Fi Popstar hatte sich nach seinem zweiten Album „Songs For Imaginary People“ eine Weile zurück gezogen und kündigt mit seinem ersten Auftritt in Deutschland nach über zwei Jahren seine Rückkehr an. Auch wenn er seine charakteristischen Löckchen zurückhaltend unter einem Basecap versteckt – es fühlt sich an wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund. Zwischen seinen Songs lässt er seine Band immer noch zum Synchrontanz antreten. Und als er zum Ende seines Sets „Radar Detector“ anstimmt zeigt sich im Publikum, dass Darwin Deez hiermit inzwischen einen richtigen Indie-Hit-Klassiker gelandet hat.
Insgesamt fehlt es dem Dockville Festival in diesem Jahr jedoch ein wenig an den großen musikalischen Höhepunkten. Am ehesten dürfte einer von diesen noch der Auftritt von FM Belfast gewesen sein. Die Halli Galli Electro Show der überdrehten Isländer dürfte nicht jedermanns Geschmack sein, aber wie sie an diesem Abend ihr Publikum im Griff haben ist die reinste Freude. Es wird mit Glitzergirlanden und Krepppapierbändern geworfen und der vom Publikum geforderte Einsatz wird gnadenlos geliefert. Ich persönlich bin ein großer Befürworter des musikalischen Blödsinn-Machens und komme deshalb bei dieser Show voll auf meine Kosten.
Little Dragon und Friska Viljor liefern in gewohnter Manier ab. Trotzdem kann man sich bei beiden Acts nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass man ihre Show nun schon oft gesehen hat und diese sich – wenn auch auf gewohnt hohem Niveau – auf die Dauer doch wiederholt. Der Auftritt von Django Django kommt dank hypnotischem Gesang und respektabler Lichtshow schön psychedelisch daher. Der Rest des Samstag Abend Line Ups gereicht leider ausschließlich den Freunden elektronischer Musik zur Freude. Auf den Hauptbühnen hat man die Wahl zwischen Caribou und Boysnoize. Der Rock’n Roll Fan in mir hätte sich noch über die ein oder andere Kontrastgitarre gefreut.
Dafür komme ich was das angeht am Sonntag Nachmittag bei Benjamin Booker voll auf meine Kosten. Der 26 Jahre junge Blues-Punk-Rock’n Roller aus New Orleans stand schon lange auf meiner musikalischen To-Do-Liste und enttäuscht meine Erwartungen nicht. Aber das eigentliche Highlight des letzten Tages entdecke ich eher zufällig. Schon einmal unvorbereitet in eine Show von Dan Deacon gestolpert? Der amerikanische Soundtüftler macht seine Konzerte zu einer Mischung aus Happening und spirituellem Erlebnis. Synchrontanz, Dance-Battle, High-Five verteilen – es gibt kaum etwas, das Deacon von seinem Publikum verlangt, das nicht spontan und mit Freuden erfüllt wird. Und obendrauf lässt er aus seinem elektronischen Wunderkasten wunderbare Melodien ertönen. Der beste Beweis dafür, dass Electro-Live-Shows so viel mehr sein können als stures „An-den-Knöpfen-drehen“.
Insgesamt fahre ich nach drei Tagen Sonnenschein, Musik, Kunst und Handbrotzeit – viel Handbrotzeit! – befriedgt und erstaunlich gut ausgeschlafen nach Hause. Und einmal habe selbst ich alter Knochen mich nachts an einen der DJ-Pult-Wohnwagen verirrt und mit fremden Menschen unter Bäumen getanzt. So macht Festival Spaß!
War dabei: Gabi Rudolph