So war’s beim Lollapalooza Berlin 2016

Lollapalooza Berlin 2016Die gute Nachricht zuerst: Der Rasen hat’s überlebt. Das berichtete gestern der rbb in seiner Abendschau. Selten wurde eine Veranstaltung im Vorfeld so heiß diskutiert wie das diesjährige Lollapalooza Festival, das 2016 nicht auf dem Gelände des Flughafen Tempelhof stattfinden konnte, da dieses als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt wird. Der einmalige Umzug in den Treptower Park wurde zum Politikum, Anwohner gingen auf die Barrikaden, eine hier unerwähnt bleibende Partei nutzte das Thema sogar für ihren Wahlkampf, es wurde gewettert gegen die Respektlosigkeit der Spaßgesellschaft. Manch Berliner fühlte sich von der Nutzung des vor zwei Jahren frisch sanierten Parks offensichtlich so angegriffen, als würde das Festival im eigenen Garten stattfinden. Noch während und nach des Festivals wurde in den sozialen Netzwerken eifrig Dampf abgelassen.
image2Letztendlich dauerte das Festival zwei Tage – und alle haben überlebt. Wie gesagt, sogar der Rasen! Und man muss es einfach sagen, der Treptower Park war ein sehr charmanter Gastgeber. Es fühlte sich bei der Größe der Veranstaltung gleich ein wenig lauschiger an, unter Bäumen zu tanzen. Viele Bereiche waren vorschriftsgemäß abgesperrt und insgesamt hatte man das Gefühl, dass das Publikum dem Gelände mit einem gewissen Maß an Respekt gegenübertrat. Auf eventuell aufkommende Defizite wurde von Seiten der Veranstalter schnell reagiert. Mangelte es am ersten Tag noch an Mülltonnen, schien sich am zweiten diese Situation deutlich entspannt zu haben. Aber auch hier zeigte sich, dass die Besucher gewillt waren, ihren Müll ordnungsgemäß zu entsorgen, er stapelte sich wenigstens hauptsächlich im Radius der Mülltonnen.
Überhaupt habe ich selten erlebt, dass die Organisation eines Festivals sich innerhalb eines einzigen Jahres derart verbessert. Allein die Situation am Einlass war in keiner Weise mit dem letzten Jahr zu vergleichen. Es gab ausreichend Toiletten, ein vielfältiges Angebot an Speisen und ja, es gab auch kostenloses Trinkwasser, auch wenn im Nachhinein immer wieder behauptet wurde, dies sei nicht der Fall gewesen. Für die Jahreszeit war es ungewöhnlich warm, ein Wasserschlauch zur Erfrischung für die Mengen vor den Hauptbühnen wäre sicher eine feine Sache gewesen, aber dank der Location gab es auch Orte, an denen man Schatten finden konnte.
Und natürlich gab es auch Musik! Aus der vielbemühten Diskussion über den Clash von Kunst Lollapalooza Berlin 2016 2und Kommerz bei großen Festivals bin ich persönlich ja raus. Da stimmt für mich etwas mit der generellen Erwartungshaltung nicht. Man muss es nicht mögen, aber dass das Musikprogramm auf einem Festival dieser Größenordnung in einen Rahmen aus Essen, Merchandise, Verkaufsständen und Halli Galli eingebettet ist, ist auch nicht erst seit gestern der Fall. Irgendwie will die ganze Chose ja auch finanziert werden. Und wenn ich auf den Bühnen jede Menge guter Konzerte zu sehen bekomme, kann ich das getrost ausblenden. Außerdem ist es dem Lollapalooza nahezu vorbildlich gelungen, das Drumherum so charmant wie möglich abzuhalten. Der Lolla Fun Fair und die Kidzapalooza Area waren liebenswert gestaltet – und übrigens auf einem eigenen Areal am Weg zwischen den Bühnen zu finden. Da konnte man auf dem Weg zur Alternative Stage auch gut dran vorbei laufen und sich stattdessen Róisín Murphy ansehen, wie sie herrlich schrullig mit Handtäschchen ihr Set eröffnete.
Philipp Poisel ließ bei seinem einzigen Konzert des Jahres den Tränen freien Lauf. Wie knuffig! Man wollte ihn direkt in den Arm nehmen. Während er beim letzten Song kaum ein Ende fand und minutenlang tanzte „Als gäb’s kein Morgen mehr“, hampelte auf der nebenan liegenden Bühne schon Paul Kalkbrenner. Was war denn bitte mit dem los? Vielleicht versuchte er beim an den Knöpfen drehen seine Gesten und Grimassen proportional an die Größe seines Publikums anzupassen. Sein exzessives Fist Pumping erzeugte ein leichtes Übelgefühl in meiner Magengegend. Ebenso enttäuschend leider auch Kings of Leon, die relativ lustlos im Schein ihrer bombastischen Videoinstallation vor sich hin dudelten.
Lollapalooza Berlin 2016 3Am nächsten Tag dann Bilderbuch. Große Gesten, fette Riffs, clevere Texte, niedliche Rockstar Gesten, Seifenblasen – eine Show wie aus den Bilderbuch! Die Jungs wissen, wie man sein Publikum mit der perfekten Mischung aus Können und Humor vereinnahmt. Ähnliches Phänomen bei Major Lazer. Eigentlich interessieren mich Electronic Acts auf Festivals eher weniger, aber wenn man die Sache so fett zelebriert, geht das schon in Ordnung. Und dann gab’s da natürlich auch noch Radiohead. Die sind, auch wenn ich jetzt persönlich nicht der emotional glühendste Fan bin, einfach Radiohead. Da liegen sich schon mal völlig fremde Menschen in den Armen und weinen gemeinsam zu „Creep“. Ich meine, „Creep“! Da muss ja selbst ich heulen.
Im Prinzip war das Lollapalooza ein Festival wie so ein Festival nun mal sein muss. Viel zu groß, manchmal nervig, grundsätzlich überfordernd aber auch spaßig, mit vielen Menschen, die gemeinsam Musik genießen wollen. Ich bin ja von der Fraktion „weniger meckern, mehr tanzen“. Und mit der Haltung im Festival Rucksack klappt’s auch mit dem Spaß.

War dabei: Gabi Rudolph

https://www.lollapaloozade.com