Das Hurricane 2012 ging am Sonntagabend im strömenden Regen mit einem absoluten Besucherrekord von 73.000 Menschen zu Ende, von denen viele bereits im Laufe des Tages vor dem Wetter in die Knie gegangen waren und frühzeitig die Heimreise angetreten hatten.
Die Wetteraussichten für das Wochenende in Scheeßel sahen, wie eigentlich jedes Jahr, nicht besonders rosig aus. So musste am Donnerstag und Freitag so manch einer sein Zelt noch im Regen aufbauen. Ab Freitagmittag hatte Petrus dann aber erst einmal ein Einsehen mit den Festivaljüngern und vertrieb passend zur Öffnung des Festivalgeländes die Regenwolken größtenteils. Auch die an diesem Tag spielenden Bands schienen den Wetterumschwung sehr zu genießen, so dass wir vor der offiziellen Öffnung des Geländes u.a. Jennifer Rostock und Capser, entspannt und sommerlich gekleidet, beim Erkunden des Geländes beobachten konnten.
Gegen 16 Uhr ging es für uns dann, zur Vorbereitung auf das später folgende Interview, zu unserem ersten Gig des Wochenendes vor die Bühne zu Bombay Bicycle Club, die bereits vor einem recht beachtlichen Publikum ihre Hits zum Besten gaben. Gleich im Anschluss spielten dann ebenfalls auf der großen Hauptbühne, der Green Stage, die schwedischen Rocker von Royal Republik und brachten das Publikum an diesem Tag erstmals zum Springen. Um 18:45 Uhr war Capser dann bereit in angenehmer Abendstimmung die zahlreich erschienenen Zuschauer vor der Blue Stage bis zur letzten Reihe zu rocken. Er hatte sichtlich Spaß und wirkte zudem mächtig beeindruckt von der Menschenmenge, die gekommen war um everybodys neuen Lieblingsrapper einen Besuch abzustatten. Die Green Stage und ein späterer Slot hätten ihm durchaus auch gut gestanden, aber für die kommenden Jahre muss ja auch noch Luft nach oben bleiben. Nach dem Auftritt von Casper leerte sich das Festivalgelände dann langsam aber sicher deutlich, da die Massen sich in Richtung Campinggelände zum Public Viewing aufmachten. Wir nahmen dann kurz nach Anpfiff erst einmal die vergrößerte Zeltbühne der White Stage, die in diesem Jahr nicht mehr ausschließlich elektronischen Künstlern vorbehalten war, unter die Lupe. Supershirt feierte hier mit allen, die wegen der Musik zum Hurricane gekommen waren, eine große Party, bei der viele ausschließlich auf DEN Song „8000 Mark“ zu warten schienen. Allein wir wurden innerhalb einer halben Stunde 3 Mal gefragt, ob sie den Song schon gespielt hatten (ja, das hatten sie). Angenehm leer war es dann bei The XX, die jedoch nicht weiter beeindrucken konnten. Die parallel spielenden Sportfreunde Stiller spickten ihr Set immer wieder News zur aktuellen Lage des Fußballspiels. Zum Tagesabschluss haben wir uns noch ein wenig The Cure angesehen und kamen nicht umhin, uns über die Gestalt von Robert Smith zu amüsieren, der inzwischen nur noch wie eine Karikatur seiner selbst aussieht. Das Set war nett, jedoch nicht so wirklich nach unserem Geschmack.
Der Samstag begann dann erst einmal mit einer Dusche, da der Dreck vom letzten Tag noch abgewaschen werden musste, damit sich der Körper auch am zweiten Festivaltag in eine frische Staub- und Dreckschicht hüllen konnte. Auch diesem Tag meinte es der Wettergott mehr als gut mit uns und die Spuren der Sonne vom Freitag zeichneten sich überall noch deutlich auf verbrannten Nasen und Oberarmen ab. Gegen 13 Uhr, wo der Großteil der Festivalbesucher noch zu schlafen oder an den Duschen anzustehen schien, gab es für uns dann die Young Guns zu sehen, die ein wirklich fulminantes Set ablieferten. Direkt danach spielte dann unsere persönliche Festival-Neuentdeckung Band Of Skulls. Ein klares Rockset, das durch seine Schlichtheit und wirklich gute Musik überzeugen konnte. Um 16 Uhr waren wir nun schon längst nicht mehr allein auf dem Festivalgelände und hatten, wie etwa 30.000 andere Besucher, die Idee, uns die quirligen Norweger von Kakkmaddafakka anzugucken. Das Publikum war mit einem Mal merklich jünger als bei allen zuvor gesehenen Bands und dementsprechend auch leicht anstrengend. Was der Band auf der Bühne nicht aufzufallen schien, dem Publikum aber deutlich die Nerven raubte, war der Sound. Dieser fiel nämlich immer wieder minutenweise aus, sodass nur unmittelbar vor der Bühne etwas von der Musik zu hören war. Da dieser Wackelkontakt nicht wirklich schnell in den Griff bekommen wurde und Kakkmaddafakka zudem mit immer gleichen Mitteln mit dem Publikum spielten, ging es für uns dann auch gleich zurück vor die Green Stage, wo Jesse Hughes mit seinen Eagles Of Death Metal, aber leider ohne Josh Homme, auftreten sollte. Dieser Mann ist und bleibt für mich die coolste Sau des Festivals. Er spielt zwar immer wieder mit allen gängigen Rock Klischees, ist dabei aber so unglaublich cool wie niemand sonst. Allein das Bürsten seines Bartes ist immer wieder ein kleines Highlight für sich. Auch andere Bands und Promis schienen dies so zu sehen, da sich die Menge dieser unter den Zuschauer in der ersten Welle während des gesamten Gigs stätig erweiterte.
Das nächste Highlight des Abends stand dann auch schon unmittelbar bevor. Florence & The Machine spielten in einer malerischen Kulisse aus Abendsonne, die wie für sie gemacht schien. Florence schwebte in der Abendsonne in ihrem langen Flattergewand während der gesamten Show von einer Seite der Bühne zur nächsten und wirkte dabei zeitweise wie eine Elfe. Ein wirklich schöner Auftritt und ein Moment, wie ihn nur ein Festival mit sich bringen kann! Statt auf Noel Gallagher zu warten haben wir uns sodann noch einen Rest von Wolfmother angeguckt, die leider unglaublich leise waren. Überhaupt war der Sound an diesem Wochenende häufig nicht wirklich zufriedenstellend. Bereits am Freitag bei Casper hätte man sich einen lauteren und besser abgemischten Sound gewünscht, und von dem Kakkmaddafakka Debakel wollen wir gar nicht erst wieder anfangen. Wirklich enttäuschend war an diesem Abend zudem noch die krankheitsbedingte Absage von City and Colour, auf die wir uns schon sehr gefreut hatte. Als Kontrastprogramm gab es dann eben ein bisschen Rise Against, die keinen Hit ausließen und einen wirklich guten Abend zu haben schienen.
Nächstes Highlight: Mumford & Sons. Marcus Mumford berichtete in gebrochenem Deutsch von seiner gebrochenen Hand, die ihn dank Ersatzgitarristen an diesem Abend aber nicht weiter stören sollte. Ein wirklich schönes Set im Mantel der Dunkelheit förderte bei so Manchem wohl auch die ein oder andere Träne zu Tage. Die neuen Songs haben sich wirklich gut in die große Riege der alten Lieblingssongs eingereiht und so vielleicht das Konzert des Tages geliefert. Nach dieser eher sentimentalen Stimmung mussten Blink 182, die alten Jugendhelden von scheinbar recht vielen Besuchern, dann auch noch kurz betrachtet werden. Viel mehr als die Leinwände konnte man durch die Masse an Menschen allerdings nicht sehen. Aber diese waren zumindest mit interessanten Special Effects gefüllt, passend zu den Glitter- und Konfetti-Kanonen, die im vorderen Drittel des Publikums abgefeuert wurden. Aber auch abseits des Festivalgeländes konnte auf dem Hurricane wieder so einiges erlebt werden. Nachdem am Donnerstagabend bereits Madsen einen geheimen Vorabgig auf dem Campinggelände gespielt hatten, luden in der Nacht zum Sonntag die Kilians zum Red Bull Bus ein. Unter dem Konzept „Hosted by (Kilians)“ war hier zuvor bereits u.a. Sir Simon Battle zu sehen, nach dem die Kilians dann selbst den Bus betraten, um ein kleines, vergleichsweise intimes Set zu spielen. Als Special Guest holten sie Überflieger Cro für 2 Songs auf die Bühne, auf den der Großteil der sich hier eingefunden Besucher auch gewartet zu haben schien. Ein durchaus gelungener Gastauftritt, bei dem es wahrscheinlich schlauer gewesen wäre, ihn erst am Ende, und nicht in der Mitte des Sets einzubauen. Nach dem Erscheinen von Cro konnte sich nahezu niemand mehr auf die Kilians konzentrieren. Die „Cro“- Rufe nahmen einfach keinen Abriss, was wirklich schade war, da die Kilians ihr Bestes gegeben hatten und im Prinzip auch ohne Cro ausgekommen wären. Trotzdem ein guter und runder Abschluss für diesen ereignisreichen Tag.
Am Sonntagmorgen wurden wir dann durch den ans Zelt prasselnden Regen geweckt, was nichts Gutes zu verheißen schien. Angenehmer Nebeneffekt war natürlich der sich endlich legende Staub, der die Tage zuvor ja wirklich überall hin gekrochen ist, und dem man einfach nicht entkommen konnte. Leider sollte es nicht beim anfänglichen Nieselregen bleiben. Wir haben uns in aller Frühe zur ersten Band des Tages aufgemacht. We Are Augustines haben am Sonntag um 12 Uhr auf der großen Bühne den letzten Festivaltag eröffnet und immerhin eine doch recht bemerkenswerte Gruppe von Menschen in die erste Welle vor die Bühne gelockt. Das Set der Band war kurz und knackig, und machte uns zudem sehr gespannt auf das kurz darauf folgende Interview mit der Band.
Am späten Mittag ging es weiter zum Hurricane Festival Darling Frank Turner, der mit seiner Band Sleeping Souls dem Regen trotzte und mit seinem selbst ins Leben gerufenen „European Dance Contest“ auch den Letzten zum Tanzen gebracht haben dürfte. Es ist wirklich immer wieder schön zu sehen, mit was für einer Freude dieser Mann seinen Beruf auszuüben scheint! Auch er versuchte mit auf der Hand notierten Deutschkenntnissen zu beeindrucken und freute sich, dass wir uns von dem „Scheiss Regen“ nicht abhalten liessen mit ihm zu feiern. Direkt nach Frank Turner wollten wir eigentlich zu Kraftklub, die für die Red Stage angekündigt waren. In diesem Jahr sollte diese erstmals ohne Zelt ausgekommen und somit eine größere Kapazität bedienen. Auf dem nicht sehr weiten Weg von der blauen zur roten Bühne kam man allerdings sehr schnell ins Stocken und schon bald keinen Schritt mehr weiter. Der Hype um Kraftklub wurde von den Veranstaltern ganz eindeutig unterschätzt, denn trotz des strömenden Regens wollte gefühlt jeder zweite Festivalbesucher diese Band sehen. Sogar auf den Wegen zum Zeltplatz neben dem Festivalgelände haben sich die Menschenmengen angestaut um wenigstens ein kleines Bisschen von der Band der Stunde mitzubekommen. Nachdem wir also während des Kraftklub Auftritts unsere Zelte abgebrochen und unsere nassen Sachen gegen eine neue Lage trockener Klamotten eingetauscht hatten, haben wir uns noch den Rest von Kettcar angeguckt. Rechtzeitig vor dem großen Regen am Abend haben wir es glücklicherweise noch geschafft, uns im Pressezelt einzuquartieren und dort von den Bildschirmen aus Katzenjammer zu gucken, die ich im Nachhinein wirklich gerne live gesehen hätte. Auch unserem Plan, von The Kooks wenigstens noch etwas mitzubekommen, machte der Regen einen Strich durch die Rechnung. Wir mussten frühzeitig kapitulieren und gegen 21 Uhr, also noch lange vor dem Auftritt von Die Ärzte oder auch Beirut, die Heimreise antreten.
Ein wirklich schönes Festival, das für jeden etwas bereit hielt und auch wettertechnisch wieder einmal einen bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten offen gehalten hat. Liebes Hurricane, auch wenn wir schon häufig dachten, es würde anderes kommen, werden wir uns wahrscheinlich auch im nächsten Jahr wieder sehen. Mit Traditionen soll man schließlich nicht brechen.
Von Samira Szago und Lena Krüger