Willkommen zurück. Nach „Premiere“ folgt nun, zwei Jahre später, das neue Album von Prag – „Kein Abschied“. Wer darüber gleichermaßen überrascht ist wie offenbar so viele Menschen im Bekanntenkreis von Erik Lautenschläger, Tom Krimi und Nora Tschirner, sollte sich spätestens jetzt näher mit dem 50er Jahre inspirierten poppig-orchestralen Sound von Prag beschäftigen. Denn dieser macht mindestens genauso viel Freude wie die im Interview herrschende Gutlaunig- und Schlagfertigkeit des Trios. Eine Band, die eben gerade wegen des funktionierenden Gesamtpakets zukünftig nicht mehr aus den Gehör- und Gedankengängen wegzudenken sein wird.
Ihr wusstet nun um ein großes Interesse, dass ihr bei einer Zuhörerschaft geweckt habt. Welchen Einfluss hatte das auf die Herangehensweise an „Kein Abschied“?
Nora Tschirner: Beim ersten Album war der Druck viel größer. Da wir jetzt wussten, dass wir überhaupt ein Publikum haben, brachte das Entspannung bei uns rein.
Erik Lautenschläger: Ja, das machte ein positives Grundgefühl. Wir dachten nach der gelungenen Tour nur noch: weiter, weiter, weiter!
Geht mit dem zweiten Album viel Veränderung einher?
Erik: Schon. Dieses Mal war Nora von Anfang mit dabei. Das hat einiges geändert. Genauso wie der Fakt, dass wir nun von vornherein wussten, dass wir mit einem Orchester aufnehmen würden. Das alles hat dazu geführt, dass wir viel mehr Songs geschrieben haben als wir brauchten. Trotzdem wollten wir nicht alles auf einer Platte zusammenwürfeln, sondern es kontinuierlicher stricken. Stücke, die klanglich oder von der Stilistik her nicht passten, ließen wir aus und packen sie lieber auf ein drittes Album.
Nora: Die Veränderung ist auch insofern vorhanden, dass wir vorherige Fehler nicht wiederholt haben. So wie zum Beispiel das ganze Orchester mit einem Mal aufnehmen und hinterher feststellen, dass man dann nicht Einzelnes, sondern nur das Gesamte anpassen kann. (lacht)
Tom Krimi: Genau. Und wir sind dieses Mal auch nicht in solch einen Kontrollwahn verfallen. Wir hatten mehr Vertrauen in andere, gaben viel mehr aus der Hand. Dadurch ist das Album jetzt auch fetter geworden. Die nächste Platte wird kaum noch fetter werden können. Dafür aber anders.
Kann also Ende des Jahres mit einem weiteren Album von euch gerechnet werden?
Erik: Nein, die Songs sind noch nicht fertig produziert. Außerdem muss man auch ein Album ausatmen lassen. Sonst wird es irgendwie komisch… Aber die Idee dazu ist schon ziemlich klar vorhanden.
Tom Krimi: Wir sind Vierzehnjährige, die sich auf die Volljährigkeit freuen. Bei der ersten Platte waren wir noch Vorschule.
Vor einer Weile schien es noch gar nicht so klar zu sein, dass es ein weiteres musikalisches Lebenszeichen von euch geben wird.
Nora: Stimmt. Die Leute reagierten immer sehr überrascht: „Ach, ihr macht jetzt doch noch ein Album? Das ist ja schön!“. Da haben wir uns schon überlegt, ob wir vielleicht um Erlaubnis hätten fragen müssen. (lacht) Die allgemeine Einschätzung war wohl: „Die Nora muss dann aber wieder zum Arbeiten in ihren Betrieb zurück. Da werden die sie bestimmt nicht so lange freistellen.“ Obwohl es für uns immer klar war, dass es weitergeht.
Auch wenn euer Album den Titel „Kein Abschied“ trägt, drängt sich beim Hören der schwermütigen Songs das Gefühl auf, es handele sich in irgendeiner Weise doch um einen Abschied.
Tom: Das Schwermütige kommt durch den konzeptionell gewählten Ansatz. Wobei es sich für mich dadurch nicht gleich negativ anfühlt. Ich finde in der Melancholie sehr viel Freude. Ich glaube, das geht uns allen so. Außerdem ist Melancholie in der Kunst doch immer auch eine irreale schlechte Laune. Etwas Behauptetes, um dieses Gefühl reinzubringen, das irgendwie auch etwas Schönes hat. Sonst würden wir uns doch auch nicht so gerne traurige Filme anschauen.
Also ist ein Album nicht gleich das Abbilden seiner Selbst, sondern eher einer Künstlerpersönlichkeit?
Nora: Es ist ein bisschen so wie bei einem Drehbuch. Ein Teil in einem wird verstärkt und auf diesen konzentriert man sich. Man lässt sich also auf etwas ein und dann kann daraus auch eine Geschichte entstehen. Es ist eben nicht so, dass man Eins zu Eins seinen Alltag abbildet.
Haben sich die Rollen in eurem Bandgefüge über die Zeit mehr geschärft oder gewandelt?
Tom: Geschärft. Wir müssen uns jetzt nicht mehr rechtfertigen für das, was wir können und tun. Durch die erste Platte konnten wir ein Vertrauen gegenüber einander gewinnen, was es nun wesentlich einfacher macht miteinander zu arbeiten. Wenn Erik mit einer neuen Text-Idee ankommt, muss er nicht Angst haben, dass wir darüber lachen…
Nora: …weil wir nicht gerne lachen. (lacht)
Erik: Text und Musik haben sich dieses Mal auch mehr ineinander verwoben. Ich habe die Texte teils mit Nora zusammen geschrieben und abgestimmt. Oder ein Song fing bei Tom an und ich habe dann erst eine Gesangsmelodie darüber gelegt. Das ging so Ping-Pong-artig zwischen uns hin und her.
Tom: Noras Rolle ist jetzt eindeutiger. Am Anfang wussten wir vor allem, dass sie toll singen kann. Mit der Zeit haben wir kennengelernt, was für ein instrumentalisches Talent und musikalisches Gespür in ihr steckt. Sie hört die Sachen ganz anders, sie hat so eine positiv-naive Herangehensweise und bringt uns dadurch auf den richtigen Weg, den wir ohne sie nicht gefunden hätten.
Nora: Für mich ist es weiterhin so Azubi-mäßig, weil immer wieder neue Schritte dazukommen – wie zum Beispiel das Rumbasteln an Songs mit Erik. Wir haben auch noch weiter an meiner Stimme herumgefrickelt und dadurch konnte ich mich mehr finden. Meine Stimme ist jetzt viel klarer. Jeder neue Schritt ist total spannend für mich. Und ich glaube, zusammen können wir auf diese Weise noch weitere zwanzig Alben machen. Das wäre gar kein Problem. Denn auch wenn wir aus sehr unterschiedlichen Ecken kommen, haben wir zusammen unseren eigenen Kosmos.
Es scheint so als hättet ihr mit diesem Album noch einmal einen ganz neuen Selbstbewusstseinsschub bekommen.
Erik: Absolut. Ich höre mir unser neues Album so, so gerne an! Die Songs können mich immer wieder überraschen.
Tom: Warte nur auf die Vinyl! Die klingt noch mal anders. Und sie hat auch eine neue Reihenfolge, weil es bei irgendeiner Instanz einen Fehler gab… Es sind zwar alle Stücke drauf, aber an zwei Stellen hat sich etwas geändert. Und es steht auch anders auf der Platte… Gestern ging es mir deshalb auch sehr schlecht und ich habe angefangen zu recherchieren, wer daran Schuld haben könnte. Aber letztlich sind wir das ja selbst, weil wir auch das Label sind und jeden Schritt überwachen müssten… Doch neben all dem Ärger sage ich mir auch: wenn es gut läuft, werden wir damit irgendwann ein tolles Sammler-Item haben. Die erste Pressung mit der falschen Reihenfolge! (lacht)
„Kein Abschied“ erscheint am 16. Januar 2015.
Interview und Fotos: Hella Wittenberg