Einmal PJ Harvey live erleben: dieser Punkt sollte auf jeder vernünftigen To-Do-Liste fürs Leben stehen. Das macht was mit einem. Schließlich will man ja irgendwie ein guter Mensch sein. Richtig handeln, höflich sein, Gutes mit anderen teilen, über die Welt Bescheid wissen. Tatsächlich lassen sich all diese Dinge in einer Show der Engländerin vereinen. Wenn sie da mit ihrer neunköpfigen Band im Rücken globale Probleme aufdeckt, öffnet das Auge, Hirn und Herz. Ihr einziges Deutschlandkonzert bietet weniger Platz zum Kopf abschalten, als zum Mitdenken. So unterbricht sie das „The Hope Six Demolition Project“-lastige Set nur selten für ältere, roh-rockige Stücke, die zum wilden Tanzen einladen. Meist heißt es aber Ohren spitzen und bewusst machen, was diese zierliche Person da Kluges von sich gibt. Hin und wieder erfolgen Ansagen auf Deutsch, Momente wie pures Zuckeressen. Die Mischung aus Open-Air-Bildungsunterricht und kuschelig-herzigem Miteinander geht auf. Nach der Zugabe will sich der Applaus zu recht nicht legen. Ein weiterer Song muss zur Besänftigung der Massen her. Und Polly Jean gibt natürlich noch einmal alles. Dieses Mal ganz ohne Federkleid, nur mit schlichten schwarzen Top, zeigt sich diese Überkünstlerin unglaublich nahbar. Fazit: Ein Konzert genügt einfach nicht, um die Genialität von PJ Harvey in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
Bericht und Fotos: Hella Wittenberg