Dass dieses Konzert anders wird, als man das sonst so gewohnt ist, wird schon am Merch Stand klar. Da Peter Doherty ab und zu seine eigene Kunst auf seiner Website oder in eher seltenen Fällen auch am Merch-Stand verkauft, versuche ich mein Glück. In der Tat stehen da ein paar Collagen zwischen Platten und T-Shirts. Mir springen zwei kleine hübsche Bilder ins Auge. Ich frage das Mädel am Stand ob die verkäuflich sind. Sie weiss es nicht. Sie meinte Peter hat die da einfach hin gestellt, aber keiner weiß genaues. Also macht sie ein Bild und schickt es Peters‘ Manager, der gerade bei ihm ist. Ok, wir warten, es passiert ja eh noch nichts auf der Bühne. In der Zeit fotografiert sie immer wieder Devotionalien, denn auch andere Fans sind auf die Stücke aufmerksam geworden. Irgendwie eine skurrile Szene, manchmal kommt eine Antwort, manchmal auch nicht. In meinem Fall kommt dann irgendwann das Feedback. Peter möchte nur beide Bilder zusammen verkaufen, will sie aber noch rahmen lassen und weiß auch noch keinen Preis. OK, das fängt ja schon mal kompliziert an. So in der Art ging es dann auch weiter, planlos.
Wenn man zu einem Peter Doherty Konzert geht, muss man sich auf einiges gefasst machen. Der leidgeprüfte Fan stellt sich vor so einem Konzert immer wieder die gleichen Fragen: kommt er oder kommt er nicht? Wie ist er drauf? In letzter Zeit hatte man das Gefühl, Peters Auftritte sind etwas zuverlässiger geworden. Besonders mit den Libertines wirkte er ziemlich solide und für seine Verhältnisse recht gut drauf. Wahrscheinlich ist es sein Kumpel Carl Barat, der ihm gut tut und auf ihn aufpasst. Das erste Konzert seiner Deutschland Tour, die sein Album „Hamburg Demonstrations“ promoten soll, ließ sich allerdings alles andere als gut an und man fragt sich danach, wie er die anderen Konzerte noch bewältigen will. Dass man Wartezeit bei einem Peter Doherty Konzert einplant und schon von vorneherein etwas später kommt als normal, ist eh klar. Dass sich die Wartezeit dann bis kurz vor halb zwölf hin zieht, hat man allerdings nicht ganz erwartet. Diese Uhrzeit lässt schon nichts Gutes vermuten. Die Fans teilen sich in zwei Lager: Die Ungeduldigen gehen einfach irgendwann und die geduldigen fangen gegen 23.00 Uhr mit den Buh-Rufen an. Ein Mann lässt neben mir wütend verlauten: „Ich muss doch morgen ganz früh raus, was soll denn das?“ und macht sich auf die Suche nach dem Veranstalter.
Zwischendurch versucht Jack Jones, der Gitarrist aus Peters Band, das Publikum mit ein paar Coversongs und Gedichten zu unterhalten. Mutig trotzt er den „Peter! Peter“- Rufen und ruft sogar von der Bühne aus selbigen an, um ihn mit ans Mikro gehaltenem Handy zu fragen, wann er kommt. Eigentlich klingt das ganz zuversichtlich. Aber selbst da scheint Peter noch nicht in der Halle zu sein. Stutzig sollte einen Jacks‘ drogengeschwängertes Gedicht über Ketamin machen „You have to work something out, when you try to cheer yourself up, you could knock yourself out”. Vielleicht ein trauriger Vorbote auf das, was uns erwartet. Als Peter dann endlich auf die Bühne kommt, taumelt er schon mehr als dass er geht. Da scheint wieder der alte Pete zu stehen, vor seiner Rehab in Thailand. Er erinnert dramatisch an die schlimmen Zeiten und die letzten Konzerte seine Freundin Amy Winehouse, die kurz vorher noch aus den Hallenlautsprechern sang. Das Konzert startet mit „Fuck Forever“, einem vielversprechenden Song, der aber auch symptomatisch für den Abend zu sein scheint. Gleich nach den ersten Tönen schmeißt Peter den Mikrofonständer ins Publikum. Nicht gerade die feine englische Art, um sein Publikum zu begrüßen. Das nimmt es ihm aber nur semi übel und lässt das Ding wieder nach vorne auf die Bühne wandern. Verwunderlich ist sowieso, dass ein harter Kern an Fans Doherty gar nichts so richtig übel zu nehmen scheint. Sie jubeln und feiern und lächeln verzückt, als wäre das alles ganz normal, was da oben auf der Bühne passiert. Die Songs klingen scheppernd und disharmonisch, Peter kämpft mit dem Mikro und mit dem Mikrofonständer, der von den Rowdies immer wieder neu zusammengeschraubt werden muss. Zum Glück gibt es zwei davon. Die Band schaut immer wieder zu ihrem Bandleader, wirkt unsicher mit ziemlich willkürlichen Einsätzen. Man weiss nicht genau ob es daran liegt, dass sie auch in Peters Paralleluniversum schweben oder ob sie einfach nur irritiert und führungslos sind. Sowieso wirkt die Band recht umfangreich mit fünf Personen wenn man bedenkt, dass die meisten von Peters Songs auch ganz wunderbar nur mit Gitarre aus kommen.
Man ist ein bisschen hin und her gerissen, denn auf der einen Seite fühlt es sich an wie ein echtes Rock’n Roll Konzert, ein bisschen wild, ein bisschen unerwartet. Viele Konzerte sind heutzutage so fürchterlich durchgeplant, ein bisschen zu professionell und glatt. Auf der anderen Seite ist es aber ziemlich traurig, Zeuge dieser Selbstzerstörung zu sein. Ich muss die ganze Zeit daran denken, dass an diesem Tag Kurt Cobain 50 Jahre geworden wäre. Ein anderer überaus talentierter Musiker, der an sich selbst zerbrochen ist.
Manchmal blitzt ein bisschen vom alten Peter auf, man weiss ja wie gut er sein kann, wie gut seine Songs sein können. Aber nur ganz kurz, ein kleiner Funke, der sich nicht richtig durchsetzen kann. Da hilft auch nicht, dass er viele seiner Klassiker wie „Albion“, „Last Of The English Rose“, „You’re My Waterloo“ und „Killamangiro“ zum Besten gibt. Großartige Songs, die an diesem Abend ihre Schönheit aber nicht entfalten können. Auch die neuen Songs verschwurbeln sich in unkontrolliertem Geschrammel, besonders um „Kolly Kibber“ ist es schade. Einige Fans werden dann doch ungehalten und werfen mal mehr oder weniger volle Becher in Richtung Bühne. Dies quittiert Peter, indem er einen ziemlich vollen Becher Richtung Fans zurück tritt. Und da entfacht sich seine Wut, er haut mit dem Mikro durch die Gegend und tritt gegen die Monitore. Man weiss nicht, ob es Wut gegen die Fans oder gegen sich selbst ist. Jedoch hat er zu wenig Kraft, als dass etwas so richtig aus den Fugen geraten könnte. Wäre man jetzt in England, wäre die Situation wahrscheinlich eskaliert.
Nach einer guten Stunde ist der Spuk vorbei. Peter winkt seine Mannen von dannen, die sich erst nicht sicher sind ob sie gehen sollen oder nicht. Ich gehe dann auch, denn noch mal warten auf eine Zugabe, die voraussichtlich nicht kommen wird, macht den Abend nicht besser. Und so bleibt ein Abend zurück, der einen traurig stimmt, mit einem sehr schalen Nachgeschmack.
Worte und Fotos: Kate Rock