Wow: New Order live und in Farbe zu erleben, flasht total. Bombastischer Sound, fulminante Lichtshow und alle Hits, auf die jeder hofft, aber nicht jeder glaubt sie auch wirklich zu bekommen. Das macht hellwach, wie ein Watschen mit einem nassen Lappen. Nur eben auf eine gute Weise. Lahme, alte Säcke sucht man vergebens. Hier im Berliner Tempodrom ist wirklich niemand eingerostet.
Gleich zu Beginn wird die Messlatte mit „Crystal“ (als dritten Song des Abends) mächtig hochgehangen. Das Niveau der Visuals zieht mit. Mit ganzen fünf Leinwänden, die kunstvoll in U-Form über der Bühne arrangiert sind, kann sich das ausverkaufte Haus mit atemberaubenden Skylines, entspannenden Meeresszenerien, abstrakten Linien und Formen oder auch den Musikvideos der Band die Kante geben. So eine gut durchdachte Show wie die von New Order macht einfach nur saugute Laune. Drüber geht eigentlich nur noch, der Blick auf Frontmann Bernard Sumner. Der schunkelt sich immer wieder zum Publikum hin – mal sind dabei seine Augen hochkonzentriert auf die Gitarre gerichtet, mal befeuert er seine Gäste mit ausgestrecktem Arm und vehementen Klatschaufrufen. Besonders angenehm daran: Die New-Order-Fans entsprechen ganz und gar nicht dem sonst so hipstermäßigen Anti-Tanzregime, was sich in Berlin so oft bemerkbar macht. Aber Coolness muss sich nun mal hinten anstellen, wenn nach der Single „Restless“ von der neuen Platte „Music Complete“, schon bald „Bizarre Love Triangle“ und dann auch noch der Klassiker „True Faith“ folgen.
Ich meine, verdammt! New Order haben sich im Jahr 1980 gegründet – das ist ewig her! Und trotzdem zieht es sie noch hinaus, raus aus ihren sicherlich urgemütlichen Häusern, auf die Bühnen der Welt. Und da sind sich die Herrschaften nicht mal zu fein, um am Ende noch allen Ernstes „Blue Monday“ rauszuhauen. Da hält es selbst in den oberen Rängen keinen mehr in seinem Sitz, da wird geschwoft. Und vorn mit dabei: Bernard Sumner, der sogar vor lauter Enthusiasmus beim Tanzen in die Knie geht und dem dann sogar mal ein Grinsen herausrutscht. Geil. Einfach geil. Selbst nach zwei Stunden Laufzeit sind hier keinerlei Abnutzungserscheinungen erkennbar. Der Typ da, obwohl ganz im melancholischen Schwarz gekleidet, hat immer noch richtig Bock auf das Konzerte geben, auf das Tour-Leben. Die Musik, so elektronisch sie auch auf der aktuellen Platte klingt, ist live noch einmal größer, stadiontauglicher, derber. Und das erweist sich nicht einmal dann als Wiederspruch als „Love Will Tear Us Apart“ gespielt wird und im Hintergrund in XXL ein Bild von Ian Curtis erscheint. Joy Division forever! Ach nee, New Order forever!
Artikel und Fotos: Hella Wittenberg