Dieser Tage katapultieren Klaxons mit „Love Frequency“ ihr drittes Album in die Plattenläden und zeigen damit einem jeden, dass sie ganz genau wissen, wo der Party-Hase lang läuft. Auch im Interview präsentiert sich das Trio, bestehend aus Jamie Reynolds, James Righton und Simon Taylor-Davies, von seiner humorigen Schokoladenseite und verwandelt die gemeinsame halbe Stunde zu einer butterweichen Unternehmung voller Herzlichkeit.
In eurem neuen Album steckt immens viel Lebensfreude und Energie. Man könnte meinen, es würde sich um ein Erstlingswerk handeln.
Jamie Reynolds: Wir sind die ewig Jungen!
James Righton: Stimmt genau. Es will so gar nicht nach einer Band klingen, die schon neun Jahre zusammen Musik macht und in ihren frühen Dreißigern ist, oder? Es ist wirklich aufmunternd, dass du diese Assoziation hast. Denn wir hatten tatsächlich jede Menge Spaß im Studio und hofften sehr darauf, dass sich das auch auf Albumlänge wiederspiegeln würde.
Welches Geheimnis steckt hinter der neuen Frische?
Jamie: Eine Menge Wasser, ist doch klar. (lacht)
James: Simon und Jamie gehen jetzt auch joggen…
Simon Taylor-Davis: Aber das ist doch kein Geheimnis!
James: Ich glaube, es tut gut immer wieder mal mit neuen Leuten zusammenzuarbeiten. Wir konnten uns glücklich schätzen zum Beispiel Tom Rowlands von den Chemical Brothers und auch Erol Alkan an unserer Seite zu wissen. Durch ihre Herausforderungen und Inspiration haben wir so viele neue Sachen im Studio ausprobiert.
Versucht ihr bei Kollaborationen Freunde oder Menschen einzubeziehen, zu denen ihr aufschaut?
Jamie: Das sind alles unsere Freunde. Gleichzeitig waren Erol Alkan und Tom Rowlands auch immer große Helden für uns. Erol Alkan hat uns schon früh zu unterstützen begonnen. Als es gerade los ging mit der Band, durften wir in seinem Club „Trash“ in London spielen. Das war irre! Und als wir beschlossen hatten uns einem elektronischen Album zu widmen, war sofort klar, dass wir seine Hilfe dafür bräuchten. Denn die Leute sollten richtig gute Beats bekommen und leicht mitsingen können. Halt so eine runde Dance-Pop-Albummischung.
James: Die viel essentiellere Frage ist doch eine andere. Wenn wir zu jemandem aufschauen würden, aber ihn persönlich nicht leiden könnten, würden wir dann mit ihm arbeiten wollen?
Simon und Jamie gleichzeitig: Ja! Definitiv! (lachen)
James: Stimmt schon. Wir sind total einfache Jungs. Auch wenn wir jemanden nicht leiden können und auch nicht zu ihm aufschauen: wir arbeiten trotzdem mit ihm zusammen. (lacht)
Aus welchem Grund nimmt die Veröffentlichungsform eines Albums noch immer einen so hohen Stellenwert bei euch ein?
Jamie: Wir haben einen Major-Vertrag. Da würde man uns gar nicht erlauben einfach nur Singles zu veröffentlichten. Das wirft schließlich kein Geld ab.
Simon: Ich liebe es Alben zu veröffentlichen. Ich selbst höre Musik immer nur im Kontext eines Albums. Einzelne Songs finde ich nicht spannend. Da warte ich lieber bis ich ein ganzes Album hören kann. In den 40 Minuten kann man so viel mehr über einen Künstler oder eine Band erfahren als in einer Single. Ich mag es auf diese Art in ihre Welt einzutauchen und die Menschen verstehen zu lernen. Zu hören, was sie bewegt und auch woran sie musikalisch interessiert sind.
James: Da gebe ich dir Recht. Das geht mir auch so mit Filmen. Nimm zum Beispiel die originale „Star Wars“-Trilogie. Der erste Teil war schon ziemlich cool, aber wenn du es im Kontext von allen dreien siehst, ist es nur noch…. ah! Wahnsinn!
Jamie: Ich sehe das so: bald steht der zehnte Geburtstag unserer Band an und wenn wir es bis dahin nicht schaffen ein ganze Platte aufzunehmen, dann hauen wir einfach eine neue Single raus. Da hänge ich dann auch nicht so an dem Konzept eines Albums. Wenn man bedenkt, dass es drei Jahre dauern kann, bis wir ein Album hinkriegen, klingt ein Song doch wirklich viel machbarer.
Simon: Aber es war schon etwas Besonderes als wir den ersten Test-Druck unseres neuen Albums in den Händen halten konnten. Nach all der Zeit, in der die Musik erst nur in unseren Köpfen und dann in Ordnern auf dem Computer existierte, konnte ich es endlich anfassen. Irgendwie wurde damit etwas Wichtiges sichtbar gemacht und für beendet erklärt.
Jamie: Und das tat dir gut?
Simon: Naja, ich war froh endlich all die Files von meinem Computer löschen zu können. (lacht)
Wie schätzt ihr euren Einfluss auf das Leben eurer Zuhörer ein?
James: Mich begeistert die Vorstellung, dass wir zu dem Soundtrack des Lebens einiger Menschen gehören. Besonders nach der Veröffentlichung unseres ersten Albums hörten wir oft Sachen wie: „Ich hatte meinen ersten Kuss zu einem eurer Songs“ oder „Ihr habt bei meinem ersten Festivalbesuch gespielt und euer Album lief dann bei mir den ganzen Sommer rauf und runter“. Das ist doch irgendwie verrückt… Aber in einem guten Sinne. Ich mag es der Soundtrack zu einer guten Zeit im Leben sein zu können.
Jamie: Mein liebster Satz ist: „Euer erstes Album war meine Uni-Platte“. (lacht) Auf jeden Fall haben die Leute immer eine Reaktion auf unsere Band. Mir ist es eigentlich egal, was für eine. Ich finde es großartig, dass wir den Menschen scheinbar nicht egal sind. Wenn man auf neue Leute trifft, kennen sie unsere Musik und sie erzählen uns dann warum und woher. Das liebe ich! Obwohl wir so komische und wenig direkte Musik machen, können wir einen wie auch immer gearteten Einfluss auf die Leute haben. Wir begleiten sie. Und das Beste ist es dann, wenn man auf der Bühne steht und das Publikum sieht wie es sich in den Armen liegt und die Texte mitsingt. Herrlich!
Was ist die wichtigste Änderung, welche die Hörer von „Love Frequency“ auf die Ohren bekommen?
Jamie: Eine große Veränderung ist wohl, dass wir dieses Mal mit „Midi“ gearbeitet haben. Das ist ein System, welches es dem Computer ermöglicht mit den Synthesizern zu kommunizieren. Damit ist alles ein Kinderspiel.
Wie greift ihr Win Butlers Ausspruch beim diesjährigen Coachella Festival auf „Shout-out to all the bands still playing actual instruments at this festival“?
Simon: Das war schon komisch…
James: Ja, das ist so ein Elite-Club, oder? Wir waren mal Mitglied in diesem Club und er ist doof! (lacht) Bei unserem letzten Album haben wir allen vorgeschwärmt wie toll das ist, wenn man jedes Instrument richtig spielen kann und dadurch auch das richtige Gefühl kriegt. Nur heißt das eben nicht, dass aus dieser Vorgehensweise zwingend ein guter Song entstehen muss.
Jamie: Als wir das gemacht haben, war keiner daran interessiert.
James: Es ist doch eigentlich egal wie man etwas aufnimmt oder was für Instrumente man spielen kann, so lange die Musik gut ist. Das sieht man zum Beispiel an einer Show wie der von Calvin Harris. Wenn er auf die Bühne geht und seinen USB-Stick ansteckt, rastet das Publikum sofort aus. Daneben kann so manche Rockband ganz schön alt aussehen.
Man könnte auch behaupten, dass der Besucher eines Calvin Harris Konzerts einfach nur sehr anspruchslos ist.
Jamie: Ach, ich finde es gut, wenn es dir Musik ermöglicht deinem Gehirn eine Pause zu gönnen. Musik ist Eskapismus. Die Leute auf den Dancefloors sind doch nicht da, um das Gehörte zu intellektualisieren. Sie wollen feiern.
James: Genau. Wir wollen mit unserer Musik eine Party kreieren und nicht, das sich die Leute hinsetzen und erst einmal darüber nachdenken, was sie da gerade hören.
Jamie: Für den Besuch unserer Konzerte darf man ruhig dumm sein. (lacht)
Bei einem öffentlichen Facebook-Chat habt ihr euren Fans gegenüber erwähnt, dass ihr an einer Kollaboration mit Kanye West interessiert seid.
James: Kannst du das für uns wahr werden lassen? Ja? Ich war zwar schon mal ganz nah an ihm dran, aber dann zu nervös, um mit ihm zu sprechen…
Jamie: Wir sind sogar nur noch eine Person von ihm entfernt!
Simon: Wahrscheinlich würden bei einer Kollaboration doch nur ein paar Turnschuhe herauskommen. (lacht) Und dann wäre da noch das Problem, dass wir auf ihn zugehen müssten, obwohl der gängige Weg andersherum ist. Kanye kommt zu dir.
Wer ist denn in der Vergangenheit mit dem Wunsch auf eine Zusammenarbeit auf euch zugekommen?
James: Rihanna… Und Ross Robinson! Er wollte uns unbedingt produzieren und hat es dann auch mit der letzten Platte getan. Das war schon unglaublich. So etwas passiert doch sonst immer nur anderen. Er schrieb uns eine persönliche Nachricht über Myspace und teilte uns mit wie angetan er von dem sei, was er da hören konnte. Und dann flog er sogar von L.A. nach London. Nur für einen Tag und nur um uns zu treffen. Wow, das nenne ich Einsatz!
Simon: Der Produzent unseres ersten Albums, James Ford, ist auch auf uns zugegangen. Und das, obwohl er uns live grauenvoll fand. (lacht) Er dachte, dass wir trotzdem ein paar nette Jungs seien…
James: Dass er uns live nicht so großartig fand, hat er uns aber erst hinterher mitgeteilt. Als er mit Rihanna im Arm bei den Brit Awards stand, das sagte er grinsend zu uns: „Eigentlich wollte ich euer Album gar nicht machen“. (lacht)
Interview und Fotos: Hella Wittenberg