Da hätte es mich doch beinah erwischt. Wie so viele andere wurde auch die Tournee von Kate Nash aufgrund der Corona-Krise zweimal verschoben, und immer noch nicht so ganz daran gewöhnt, dass Konzerte tatsächlich wieder stattfinden, wäre mir der neue Termin tatsächlich um ein Haar durchgerutscht. Ob es anderen, die vielleicht immer noch einen Stapel Konzertkarten mit dem Aufdruck 2020 in der Schreibtischschublade liegen haben, genauso geht? Es hat mich an diesem Abend auf jeden Fall sehr glücklich gemacht, dass das Publikum so zahlreich erschienen ist um Kate Nash zu feiern, die aktuell mit ihrer Deutschland-Tour die Rückkehr auf die Bühne feiert, noch bevor sie in den kommenden Wochen in ihrer Heimat England unterwegs ist.
Um das zu feiern, sah sogar ihre Mutter von einem der Balkone des Berliner Metropol aus zu, einer Location, die erst kurz vor Corona wunderschön restauriert und wiedereröffnet wurde. Ich bin vielleicht ein bisschen sentimental in dieser Zeit, aber auch das erfüllt mich jedes Mal, wenn ich jetzt wieder auf Konzerte gehe, mit Freuden: dass all die geliebten Locations, die in dieser schweren Zeit um ihre Existenz bangen mussten, immer noch da sind und uns jetzt wieder mit offenen Armen empfangen.
Aber auch an keiner*m Künstler*in geht das alles spurlos vorbei. Alle, die ich in den letzten Wochen erleben durfte, zeigen sich erleichtert, ge- und berührt darüber, dass sie endlich wieder ihren Beruf ausüben können. Kate Nash schafft es dabei irgendwie immer, die richtigen Worte zu finden: „It’s okay to not be okay“, sagt sie an diesem Abend und richtet sich damit an alle, auch an die, die sich nach all der Isolation immer noch schwer damit tun, plötzlich wieder in einer Menschenmenge zu stehen. Sie spricht mit sehr viel Liebe und Empathie über die harte Zeit, die hinter uns allen liegt und umarmt ihr Publikum in dem Bestreben, gemeinsam wieder zu heilen. Musik spielt dabei eine überaus wichtige Rolle.
Überhaupt ist Kate Nash jemand, die selbst den ein oder anderen Heilungsprozess durchlaufen musste. Mit 19 Jahren als das neue Aushängeschild der weiblichen, augenscheinlich selbstbestimmten Künstlerin gefeiert, wurde sie von der Musikindustrie fallen gelassen, als sie genau das wurde: ein klein wenig zu selbstbestimmt. Seitdem ist sie ihren eigenen Weg gegangen, mithilfe von Crowdfunding und sehr viel DIY-Spirit, der einem, man darf das wirklich nicht zu romantisch sehen, sehr viel abverlangt. Ihr letztes Album „Yesterday was Forever“ erschien 2018, das ist eine lange Zeit in dieser überaus schnelllebigen Industrie. Das macht es aber nur noch schöner zu erleben, wie frei und befreit sie auf der Bühne wirkt, umrundet von ihrer großartigen Band und gefeiert vom Publikum, das natürlich am liebsten die Hits ihres Debütalbums „Made of Bricks“ hören möchte und diese textsicher aus vollen Kehlen mitsingt. Aber Kate Nash spielt gerne die Crowd-Pleaserin, sie gibt von Herzen was man sich von ihr wünscht und wirkt dabei keinen Moment lang gelangweilt.
Schon seit ein paar Jahren beendet sie ihre Show traditionell mit dem Dirty Dancing Klassiker „The Time Of My Life“, aber an diesem Abend wirkt es wie der größte Geniestreich überhaupt. Es ist schwer zu sagen warum das so ist, aber Kate Nash live zu erleben, ist nicht nur ein großer Spaß, sondern auch emotional sehr berührend. Vielleicht, weil sie all die Höhen und Tiefen, von denen sie singt, selbst erlebt hat und dennoch sowohl als Künstlerin als auch als Mensch einen reflektierten, gesunden Abstand dazu ausstrahlt. Man hat einfach wahnsinnig gerne die beste Zeit seines Lebens mit ihr.
Fotos © Oliver Look