Vor kurzem haben wir euch einen Mann namens Tobias Hayes mit seinem Projekt Shoes And Socks Off vorgestellt (siehe hier). Der Mann hat vier Alben veröffentlicht und dafür die mitunter merkwürdigsten Namen gewählt, die man sich vorstellen kann (außer man hat „Fight Club“ gelesen, das hilft zumindest bei einem der Titel): „The Muddy Banks Of Melitzer“ (2008), „Hand Reared Suburban Piglet“ (2009), „Where The Skyline Is Fortified By Windows And Doors“ (2009) und „Robin Hood Waiter Champion Have-Not“ (2010).
Während sich hinter einer Trennwand ausgesprochen laut unterhalten wurde, durfte ich mit Toby reden. Leise, bedacht und aufmerksam sind die ersten Worte die mit einfallen, wenn ich an das Interview zurückdenke – fast schon ein wenig schüchtern wirkte er am Anfang und ausgesprochen sympathisch. Viel Spaß beim lesen.
Du hast vier Alben in den letzten zwei Jahren veröffentlicht – wieso so viele?
Ich denke buchstäblich um beschäftigt zu bleiben. Wenn man mit einer Band zusammen ist, dann übt oder probt man, dann schreibt man Songs und nimmt sie auf. Wenn man jedoch alleine ist, dann übt man nie, weil niemand es einem sagt. Man schreibt nur. Ich bin mir darüber klar geworden, dass es keinen Sinn macht, Zeug zurückzuhalten. Ich wollte beschäftigt bleiben und Texte schreiben, Akkorde spielen und die Lücke bis zur nächsten Band füllen.
Jetzt hast du zwei oder drei Bands…
Ja, ich habe ein paar andere Dinge am Laufen. Nichts davon ist wirklich Vollzeit. Es geht darum, ein paar Stücke raus zu bringen. Eine der Bands wird nur ein Album veröffentlichen und nicht live auftreten. Nur ein Album und das war’s dann. Die heißt Bermuda Erm. Und dann gibt es eine Band namens Amateurs, die ein Album aufnehmen und touren und solche Sachen machen wird. Und dann gibt es noch eine Namens Vietwow [Anmerkung: Sie veröffentlichen eine Single auf dem wahrhaft großartigsten Format aller Zeiten – einer Diskette (!!!) via Idle Hands Club]. Die macht Spaß, aber wir spielen nur, wenn wir alle ein wenig Zeit haben. Und es gibt eine neue Band. Wir fangen in zwei Wochen an und ich werde versuchen, mich damit auszulasten.
Veröffentlichst du alles, was du schreibst?
So ziemlich, ja. Es gibt keine Qualitätskontrolle oder ähnliches. Einfach alles. [lacht] Sobald 10 Songs geschrieben sind, gibt es ein Album.
„From The Muddy Banks of Melitzer“ hast du erneut aufgenommen mit einer Band…
Ja, aber einiges war nur programmiert und gesampelt. Es haben viele verschiedene Leute daran gearbeitet und ich habe alles beaufsichtigt, aber ich habe es nicht wirklich selbst gemacht. Ich habe es Leuten gegeben und geguckt was passiert. Ziemlich beängstigend.
Magst du das Ergebnis?
Ja, einiges davon. Ungefähr die Hälfte davon hätte ich nicht so gemacht, aber einiges mag ich wirklich.
Als ich mir deine Alben angeguckt habe, ist mir aufgefallen, dass du immer den schwarzen Vogel auf weißem Hintergrund als Artwork hattest. Das sah irgendwie majestätisch aus. Jetzt hast du die landenden Tauben [Lachen auf beiden Seiten]. Hast du das aus irgendeinem Grund geändert?
[Überlegt kurz] Ich weiß nicht. Es fühlte sich natürlich an, wie sich die ersten beiden Alben angefühlt haben. Als ich das dritte Album aufgenommen habe, fühlte es sich an, als ob eine Periode zu einem Ende geht und es war einfach natürlich, diese drei Veröffentlichungen mit einem ähnlichen Cover zu versehen. Das ist auch der Grund, weshalb es sie jetzt im Boxset gibt. Die nächste hat sich anders angefühlt. So als hätte ich herausgefunden, worum es bei Shoes And Socks Off geht und was es in meinem Leben bedeutet. BSM [Big Scary Monsters Records, Plattenfirma von SASO] wollte sie auch wieder veröffentlichen und sie sollte ein schönes Artwork haben. Ich liebe es Artwork, zu gestalten.
Du packst auch eine Menge Bonusmaterial auf deine CDs.
Die Leute hören die Songs sowieso. Sie werden einen Weg finden sie zu hören, was cool ist. Ich denke, ich will, dass es einen Wert hat, die eigentliche CD zu besitzen. Wenn man eine normale Musik CD hat, gibt es eine Menge Platz, um noch anderes Zeug raufzupacken. Man kann es auch einfach auffüllen. Ich will versuchen das immer zu machen. Einige wissen das gar nicht und erst ein Jahr später legen sie die CD in den Computer und finden viele Fotos und all das.
Wieso hast du Videos zu allen Songs von „Robin Hood Waiter Champion Have-Not“ gemacht?
Das hat einfach aus Spaß angefangen. Ich mochte die Idee. Bei einigen Videos hat man viele nette Kamerawinkel und jeder sieht nur cool aus. Ich dachte einfach, es wäre eine gute Gelegenheit, eine Menge Leute zusammen zu kriegen, die etwas Cooles und Kreatives machen. Am Ende war es doch ziemlich schwierig, weil jeder viele verschiedene Ideen hatte und bei einigen wollte ich selber nicht mitmachen. Das erste war cool. Meine Freundin Danielle hat eine Animation ihrer Kunst kreiert. Das war brillant. Und andere Leute haben sich gemeldet. Sie sind zwar wirklich gut, aber sie hatten sehr herausfordernde Ideen, sahen mich an einem Strand traurig entlanglaufen und solche Sachen. Ich war dafür nicht offen.
Nein? Das wäre doch großartig – schwarz/weiß, ein bisschen Nebel [Lachen von beiden Seiten]
Oh nein [der Ton verrät, dass alleine der Gedanke daran ihn ein wenig quält]! Es gab viele solche Ideen und ich dachte einfach, dass es cool wäre, wenn man Animationen oder irgendwas Merkwürdiges machen würden. Am Ende habe ich vieles selbst gemacht. Ich wusste, dass es viel Arbeit werden würde. Ich habe viele Bildmaterialien gestohlen. Ich weiß nicht, wie legal das war, aber ich mache kein Geld damit. Es ging einfach um den Spaß, etwas Kreatives zu machen. Ich denke, ich würde das gerne wieder machen – vielleicht für das nächste Album. Vielleicht mit ein bisschen mehr Zeit, um es dann auch ein bisschen besser zu machen. Erinnerst du dich an das mit den Autounfällen? [Anmerkung: Wir reden vom Video zu „CYF“, siehe unten] Ich mag das sehr. Es ist so traurig. Es sollte eigentlich ein Straßenverkehrssicherheitsvideo werden und schockieren, aber es ist einfach so lustig, wie die Autos aufeinander fahren.
Du legt viel Wert auf deine Texte, macht es dir da etwas aus, wenn sie jemand nicht versteht?
Nein, es macht mir nichts aus. Die Leute können denken was sie wollen und sich daraus ziehen, was sie wollen. Einige Freunde teilen meine Songs übers ganze Netz und sie bedeuten ihnen sehr viel. Das ist wirklich rührend. Ich denke, jeder kann die Songs nehmen und sie können etwas völlig anderes für sie bedeuten. Wenn jemand die Bedeutung hinter den Songs kennt und was ich damit sagen will, dann ist es so offensichtlich. Ich hoffe, dass ich sie vage genug mache.
Sind dir Texte auch wichtig, wenn du andere Musik hörst?
Ja, ich denke Texte sind sehr wichtig. Ich mag auch andere Dinge, wie die Art wie etwas aufgenommen wurde. Ich mag es, wenn etwas heruntergekommen klingt – einfach viel zu laut und so.
Ist es manchmal schwer für dich als Musiker, wenn du alles heraushören kannst bei Konzerten und Aufnahmen und du es eigentlich lieber einfach nur genießen würdest?
Ich denke schon. Ich denke es ist einfach, wenn jemand zu viel Zeit im Studio hatte und es dann zu perfekt klingt. Es hört sich nicht mehr real an oder wie eine Band, die zusammen spielt. Es hört sich einfach so an, als ob jemand zu viel Geld im Studio ausgegeben hat.
Du hast das verhindert, in dem du dein erstes Album in deinem Schlafzimmer aufgenommen hast.
Ja. Ich habe es mit dem Gitarristen meiner alten Band „Shield Your Eyes“ gemacht. Er hat es mit seinem Computer und einem kleinen Aufnahmegerät aufgenommen. Es war nicht wirklich durchdacht. Ich wusste auch nicht wirklich, was damit passieren würde. Es wurde einfach nur aufgenommen. Ich denke, ich hatte Glück. BSM hat es dann veröffentlicht.
Würdest du es bevorzugen, deine Songs auf diese Weise aufzunehmen als in einem richtigen Studio?
Auf eine Art ja. Das hängt vom Studio ab. In einigen Studios saugen die Wände den Sound auf, er springt nicht zurück. Der Sound ist tot und nichts hört sich so an. Man fühlt sich ein wenig unbehaglich. Lieber einen guten Raum besorgen, Equipment rein stellen und es dann so machen.
Und du hattest einen kurzen Weg ins Bett…
Es war gut, es in der eigenen Wohnung zu machen. Mittags alles aufbauen, dann aufnehmen und Abends war alles fertig. Das geht schnell. Und besser, als wenn man zu viel über alles nachdenkt.
Warst du nervös als du gehört hast, dass das erste Album veröffentlicht wird?
Nicht wirklich. Das ist merkwürdig, ich werde nicht nervös wegen so etwas. Ich werde nervöser, wenn ich live spielen muss, weil eine Aufnahme am ehesten so klingt so wie man sie haben will. Live hat man nur einen Versuch und das war’s dann. Meine Songs sind oft sehr traurig und ich spiele sie abends, wenn vermutlich jeder im Publikum ausgeht und Spaß haben will. Und dann betrete ich die Bühne und bin der Trübselige und jeder seufzt nur. Ich meine es ist nicht immer so, aber manchmal fühlt man, dass der Abend sowieso schon eine eigenartige Stimmung hat und ich spiele dann auch noch diese wirklich traurigen Songs. Das ist ziemlich anstrengend und ich werde deswegen nervös. Das ist nicht weil ich will, dass jeder mich mag, sonder weil ich den Leuten nicht ihren Spaß verderben will. Es tut mir leid. Aber wenn es ums Aufnehmen geht, ist mir das egal. Man kann es einfach so machen, wie man es selber will.
Vielen Dank für das Interview, Toby!
Nach dem eigentlichen Interview habe ich noch eine für mich eher hoffnungslose Frage gestellt – immerhin war Toby auch mit seinen anderen Bands nicht in Deutschland: Ob er irgendwann nach Deutschland kommen und live spielen wid Ich wurde tatsächlich überrascht. Es ist zwar noch nicht bestätigt, aber er kommt wahrscheinlich im Februar mit einer Band namens Tubelord zusammen auf Europatour. Tubelord sind ebenfalls sehr sehens- und hörenswert. Sobald sich dort etwas ergibt und bestätigt wird, werdet ihr es hier erfahren!
Und zum Abschluss das Video zu „CYF”:
Interview: Dörte Heilewelt
https://shoesandsocksoff.blogspot.com/