Das Album von Sxip Shirey „Sonic New York“ haben wir euch schon vorgestellt. Jetzt haben wir den New Yorker zum Interview getroffen. Während im Nebenraum die Berliner 17 Hippies geprobt haben, haben wir über New York, seine Sounds und seine Liveshows geredet. Die nächste Liveshow gibt es übrigens sehr bald.
Das erste was ich mich gefragt habe: Wusstest du schon, dass du ein Album über New York machen würdest als du mit dem Album angefangen hast?
Ja, ich wusste, dass es um New York gehen wird. Ich wusste nicht, wie sehr es über New York sein würde. Es sind Stücke, die Menschen bekannt sind wie „Moon Over Her Belly“ die aufgenommen wurden, aber die sich im Laufe der Zeit verändert haben, und ich habe mir vorgenommen sie auch in das Album einzubeziehen. In „Moon Over My Belly“ geht es um meine Großmutter aus Albanien, die nach Indiana (USA) gezogen ist. Je weiter der Prozess fortschritt und als es wert war, über das Album an sich nachzudenken, habe ich alles rausgekickt, das nicht über New York war. Also das Album handelt wahrlich komplett vonNew York und wurde ein reinigendes Experiment für mich , in dem ich die Bedeutung davon 10 Jahre in New York zu leben verarbeitete.
War es deine Absicht, das Gefühl von New York zu vermitteln, auch für Menschen, die noch nie da waren?
Ich habe auf einer Farm gelebt und man isst das Essen von der Farm und das Essen ist in dir drin. Ihr in Deutschland esst Würstchen, in Italien isst man Brot. Wenn man in New York ist, dann isst man New York. Es ist eine sehr intensive Stadt und rekalibriert deinen ganzen Körper… jetzt bin viel zu schnell. Wenn ich in ein Café gehe, ist mein Instinkt eine Tasse Espresso zu nehmen, sie in 15 Sekunden zu trinken und wegzugehen, aber hier macht das niemand. Mein Instinkt sagt mir auch ein Sandwich zu kaufen und zu essen während ich die Straße entlang laufe. Das macht man in New York – man isst, während man geht. Es ist sehr schwer für mich hier langsamer zu werden. Was in New York passiert ist ist, dass all die Sounds und all die Gefühle von New York so in meinem Körper drin sind, dass ich keine Musik komponieren kann, die nicht nach New York klingt. New York ist ein Teil von mir geworden. Ich bin jetzt ein New Yorker.
Die Bandbreite deiner Sounds auf dem Album „Sonic New York“ ist sehr faszinierend.
Ich denke für mich ist alles Folk, das heißt ich benutze meine Ohren und dann nehme ich es tief in meinen Körper auf und lasse es wieder raus. Ich bin sehr interessiert an Folk und definiere Folk als Musik von Menschen für ihr direktes Umfeld. Also, Hip Hop war ursprünglich Folk, Punk war Folk, sogar Drum’n’Bass war Folk. Es war Musik, die Menschen für sich selber und für Leute in ihrem direkten Umfeld gemacht haben. Ich denke also, dass meine Musik vielfältig, aber auch ähnlich ist. Es passt alles zusammen, weil es mir egal ist, ob etwas experimentell ist. Es ist mir egal. Ich benutze die Sounds, die mir gefallen. Manchmal will ich einen Folksong schreiben, weil ich den Sound der Akkorde mag und manchmal will ich Murmeln in einer Glasschüssel rollen. Ich will nicht der nächste sein, der den Sound ändert.
Wie findest du die Sounds, wie zum Beispiel den der Murmeln?
Ich lausche immer. Und denke immer. Für mich ist es wie wenn man John Cage anwendet. Alle Geräusche haben das Potential Musik zu kreieren. Letztens haben sie da wo ich zur Zeit wohne – eure Stadt macht die gleichen Fehler wie New York und verwandelt sich in ein großes Einkaufszentrum – die Bäume raus gerissen und Parkuhren hingesetzt. Aber das Faszinierende war, dass der Presslufthammer sich wie Beethovens 5. angehört hat. Ich lausche also immer Sachen wie diesen und reagiere darauf. Wenn ich ein Geräusch höre, dann geht es in mein Gehirn und entweder es kommt natürlich wieder heraus oder ich sehe ,wie ich es reproduzieren kann. Oder ich höre den Sound einer Glasschüssel und denke „Was passiert, wenn ich eine Murmel rein lege“. Für jeden Sound, den ich benutze, gibt es neun, die ich nicht benutze. Es ist ein Spiel, es ist Genuss an dem was um mich herum ist.
Wusstest du schon, dass du mit Sängerinnen zusammen arbeiten würdest?
Ja. Es gibt zwei Sängerinnen in den USA, die ich wirklich liebe und faszinierender Weise ist keine von beiden eine New Yorkerin. Sie sind beide aus den Südstaaten. Eine ist Aimee Curl aus Virginia und die andere ist ist Rhiannon Giddens aus North Carolina. Rhiannon ist sehr bekannt in der amerikanischen Folkszene wegen ihrer Band den Carolina Chocolate Drops und wurde sehr bekannt durch das öffentliche Radio. Aimee Curl ist nicht sehr bekannt und ich denke das ist ein Verbrechen.
Du hast das Album selbstständig veröffentlicht. War es schwer für dich auf Twitter um Hilfe zu bitten ,das Album zu verbreiten [Anm.: aus diesem Wege bin auch ich auf das Album aufmerksam geworden]?
Ob es hart war? Nein, denn ich bin ein New Yorker. Wenn wir etwas brauchen, fragen wir danach. Es ist von Natur aus einfach für New Yorker nach dem zu fragen was sie brauchen. Man wird sehr effizient in New York. Ich hatte einen Freund aus Vancouver zu Besuch in New York, er ist ein Comicbuch Künstler. Er kam zur Veröffentlichungsparty des Evelyn Evelyn Dark Horse Comic und fragte, ob er seine Visitenkarten mitbringen könnte. Ich musste mich vom Lachen abhalten und sagte „natürlich ist das ok“. Was ich an New York liebe: Keiner verstellt sich. Wenn ich dich in New York brauche, dann will ich wissen was du machst und sehr schnell feststellen, ob wir uns helfen können und wenn wir es können, dann helfen wir uns. Es ist eine sehr saubere Angelegenheit. Man geht nach New York um etwas zu tun, um intensiv zu sein. Man geht dort hin um etwas zu erreichen und es gibt eine ehrliche Anerkennung für Talent und Fähigkeiten. Ich brauche Hilfe. Ich bin eine amerikanischer Künstler. Sie geben uns hier kein Geld. Wir sind am Arsch. Das ist der Grund wieso viele von uns New York verlassen inklusive mir. Ich habe mein Apartment aufgegeben. Ich bin jetzt in Berlin und ich werde hier her ziehen.
War es ein großer Schritt das zu tun?
Riesig. Das war vor 3 Tagen. Ich denke, es ist immer noch nicht zu mir durchgedrungen. Ich gehe nochmal zurück, weil ich Arbeit habe, aber ich werde mein Apartment nicht mehr haben. Ich übernachte bei einem Freund und ich arbeite darauf hin meine Karriere in Europa aufzubauen, weil hier die Avantgarde mehr anerkannt wird, besonders in Deutschland. Das gibt es nicht in den USA, nur sehr wenig. Wir machen gute Künstler, aber wir unterstützen keine guten Künstler. Das ist mit den ganzen Jazz Musikern auch passiert. Es gibt eine ganze Chronik von in New York kreierten Künstlern, die nach Europa auswanderten um sich ein Leben zu finanzieren. Es ist irgendwie traurig.
Wie sieht es aus, wenn du live auftrittst?
Etwas das konsequent ist bei Reviews über meine Shows ist, dass die Leute sagen „Ich mag Sxip’s Album sehr aber oh mein Gott er ist unglaublich live“. Was überraschend ist, wenn Menschen mich live sehen, und das wurde auch schon mehrmals gesagt, ist, dass Menschen so erstaunt sind, dass ich die Sounds, die sie auf dem Album hören, wirklich auf der Bühne selber kreiere. Es gibt Dinge, die ich verdreht habe und solch ein Zeug. Die Live Shows sind voller Power, episch und intim zur gleichen Zeit, sehr bewusst dem Publikum gegenüber und heißen das Publikum willkommen. Es fühlt sich für mich an, als ob ich auf der Bühne explodieren würde und auseinanderfallen würde, aber das passiert nie. Meine Musik ist intensiv und das persönliche Erlebnis ist was sie daraus machen. Keiner lebt ein einfaches Leben, unsere Leben ist absolut erschreckend, absolut freudig und absolut erzwungen, und so ist meine Musik aus vielen kleinen Sachen gemacht, die auf der Bühne riesig werden. Also wenn ich auf der Bühne bin kristallisiert alles was ich mache, alles was ich in der Woche, in dem Jahr erlebt habe und ich bündele meine Energie. Ich will Musik kreieren, die größer ist als ich selber und anschließend werde ich wieder ich. Ich nehme das nicht von der Bühne mit runter, aber in dem Moment will ich nur einen tiefen Atemzug nehmen und Musik kreieren, die mich und und auch das Publikum wieder gibt. Wenn ich meinen Job gut mache, dann ist das Publikum auch ein Teil der Musik. Live ist ein besonderes Ding, das Leben ist. Wenn man einer Aufnahme zuhört, dann ist das nicht Leben, es ist tot, da ist nichts. Es sind nur Vibrationen. Ich liebe das Live Musik Erlebnis.
Vielen Dank für das Interview.
Sxip schreibt nicht nur über New York, sondern hat auch schon Stücke über Istanbul und Minneapolis geschrieben und bei letzten Mal als er hier war hat er auch schon eins über Berlin geschrieben. Ich bin schon sehr gespannt wie seine Liveshow aussieht. Nächste Woche gibt es ihn und Elyas Kahn (Nervous Cabaret) im White Trash zu sehen – mit zwei Sets!
Konzert:
SXIP SHIREY AND ELYAS KHAN
WHITE TRASH
10 SEPTEMBER 2010
Starts at 10PM… 2 SETS!!!
www.sxipshirey.com
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