Interview mit Orelien: “Für ein gelungenes Songwriting ist es essentiel, dass man sich in andere hineinversetzen kann.”

Ich empfinde es als großes Glück, in meinem Bekanntenkreis viele Musiker zu haben, gibt es doch nichts Schöneres als hautnah mitzuerleben, wie jemand für die Kunst brennt. Aurélien kenne ich seit mittlerweile mehr als 10 Jahren, seit wir uns in London beim Queing vor einer Konzerthalle über den Weg gelaufen sind. Stand er damals noch eher auf der Fan-Seite, war schnell klar, dass auch für ihn selbst kein anderer Job als Musiker in Frage kommen würde. Heute ist er ein Vollblutmusiker wie er im Buche steht und hat Ende 2017 sein erstes Album “Melting Pop” unter seinem Künstlernamen Orelien veröffentlicht. Im Interview verrät uns der junge Wahlpariser, was uns darauf erwartet, wie er seine Songs schreibt und was er über Elvis und Taylor Swift denkt.

Hi Aurélien, erzähl uns doch ein bisschen was über deinen musikalischen Hintergrund. 

Ich bin umgeben von Musik aufgewachsen, da meine Mutter Musikerin ist. Dadurch waren bei uns im Haus eigentlich immer Musiker zu Besuch und ich habe schon als kleines Kind erst Cello und dann Klavier spielen gelernt. Ich habe damals auch an sehr vielen Musicals teilgenommen, meine erste Rolle hatte ich mit sieben Jahren als Peter Pan. Meine Leidenschaft für das Singen wurde noch größer als ich all meine Lieblingssongs auf dem Piano spielen konnte. Für mich war singen immer schon eng verbunden mit dem Schreiben eigener Songs.

Dein Debütalbum heißt “Melting Pop”, ein mehr oder weniger “sprechender” Name. Wie würdest Du Deine Musik denn selbst beschreiben?

Mein Album heißt aus zweierlei Gründen “Melting Pop”: Zum einen sind die Songs komplett  unterschiedlichen Genres zuzuordnen und darüber hinaus habe ich seit jungen Jahren auch eine Leidenschaft für verschiedene Musikrichtungen. Ich habe es als eine Art Challenge verstanden, all meine musikalischen Vorlieben auf einem Album unterzubringen! Ich hoffe, man erkennt meine Liebe für Pop, Rock, aber auch Jazz und klassische Musik!

Was inspiriert dich beim Songwriting?  

Ich schreibe meine Songs immer am Piano. Oft spiele ich einfach mit verschiedenen Akkorden herum, immer auf der Suche nach Melodien, die mir gefallen. Manche Melodien stehen für sich und brauchen keinen Text, andere wiederum schon. Ich erfinde meist einfach einen Phantasietext, eine willkürliche Aneinanderreihung von Worten und manchmal passiert dann das Unglaubliche und einige der Zeilen ergeben doch irgendwie Sinn. In den Songs auf “Melting Pop”habe ich versucht, mich in andere Personen reinzuversetzen und mich mit den unterschiedlichen Aspekten einer Beziehung auseinanderzusetzen.  In “Stay up late” geht es zum Beispiel um die Anfangsphase einer Beziehung, in der du dir wünscht, dass die ersten gemeinsamen Stunden ewig andauern. “Don’t Push Me Away” handelt dagegen von jemandem, dem es nie gelingt, seine Gefühle auszudrücken, auch wenn er sich genau das wünscht. In “Saralicious” geht es um das Gefühl, in jemanden verliebt zu sein, der larger than life ist, “Take me back” handelt von Reue und Bedauern. In “You Had To Know “ geht es darum, dass wir manchmal unsere Augen verschließen und nicht die wirklich wichtigen Dinge angehen. “Ten Times” behandelt das Thema des sich zu schnellen Verliebens, wohingegen es bei “That Night “ um diesen einen Moment geht, wenn man in den Augen der Person die man liebt lesen kann, dass es vorbei ist. Auch das Stalkingthema von Exfreunden kommt nicht zu kurz  und in “Rainbow “singe ich über die kleinen Lügen, die man sich selbst einredet, damit alles glattläuft. In “Last Lullaby” spürt diese innere Ruhe in dem Moment, in dem man das Ende einer Love Story akzeptiert hat. 

Wie genau kann man sich den Aufnahmeprozess vorstellen? Dein Albumsound klingt ja sehr voll. 

Es sind insgesamt  15 Musiker auf dem Album zu hören. Der Aufnahmeprozess macht mir am meisten Spaß, denn die Songs entwickeln sich dabei noch stark weiter und die letztendlichen Ergebnisse überraschen mich oft. Ich hatte mir für das Album einen sehr vollen Sound vorgestellt und habe das Schreiben der Arrangements für das Streicherquartett und drei Hörner richtig genossen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich die Platte mit einigen der besten europäischen Musiker aufnehmen konnte, denn sie machen die Songs zu etwas ganz Besonderem. Meine Songs entstehen also am Piano, aber sie gedeihen im Studio!

Auf welchen Song bist du denn besonders stolz? Meine aktuellen Lieblingstracks sind glaube ich “Song For A Friend” und “Lonely Side Of Town “. 

Ich mag diese beiden auch sehr gerne. Aus “Song For A Friend“ spricht die beruhigende Stimme, dass alles gut werden wird und in “Lonely Side Of Town” geht es um die Wut, Traurigkeit und Einsamkeit nach einer Trennung. Die Songs passen also gut zusammen. Mir fällt es schwer, einen einzigen Song herauszupicken, da mir alle sehr ans Herz gewachsen sind und ich mit ihnen viele Erinnerungen verbinde. Ich würde, denke ich, wohl “Ten Times” wählen, da der Song als Ballade beginnt und im Verlauf immer größer wird. Außerdem hat der Song ein wahnsinnig tolles Gitarrensolo von meinem Gitarristen und Co-Produzenten James Dempsey!

Auf deinem Album singst du auf Englisch, du bist aber zweisprachig aufgewachsen und sprichst auch fließend Französisch. Hast du denn schonmal einen Song auf Französisch geschrieben?

Ich schreibe wahnsinnig gerne auf Französisch und ich glaube, mein nächstes Album wird auch auf Französisch sein, da ich nach französischer Popmusik der 80er verrückt bin. Musikalisch bin ich auf jeden Fall zweisprachig, da ich sehr stark von französischen Singer-Songwritern und generell von europäischen Komponisten beeinflusst bin. Daneben hege ich aber eine innige Liebe für Jazzmusik, was bekanntlich eine amerikanische Kunstform ist.

Was sind deine persönlichen musikalischen Vorbilder?

Wow, ich habe so viele! Seit Kindesbeinen bin ich ein riesen Elvis Fan und ich höre ihn immer noch jeden Tag. Ich könnte ewig über ihn sprechen, also halte mich besser zurück (lacht). Was das Songwriting angeht zähle ich Cat Stevens, Paul Simon und Paul McCartney zu meinen persönlichen Helden. Ich verehre aber auch J. S. Bach, den Vater der modernen Harmonien,  und versuche jeden Tag am Piano seine Musik zu spielen. Ich liebe zudem große Pianisten wie Glenn Gould, Horowitz oder Rubinstein. Ich habe jahrelang Jazz studiert und Oscar Peterson steht bei mir ganz oben auf der Liste, seine Musik hat mir all die Jahre so viel Freude bereitet.

Und welche aktuellen Hits laufen bei dir on Repeat?

Ich höre gerade viel Étienne Dahos letztes Album, er ist ein legendärer französischer Sänger und seine Melodien sind der Wahnsinn. Auch die Supportband von Depeche Mode letztes Jahr war klasse, die Algiers kommen aus Atlanta und ihr Song “The Underside Of Power“ ist klasse. Auch das neue Album der Sparks läuft bei mir in Dauerschleife. Die Band aus L. A. gibt es schon seit den 70er Jahren und sie haben sich immer wieder neu erfunden. 

Was sind deine Pläne für 2018?

Ich habe vor, weiterhin viel Musik zu schreiben und ich arbeite an einem zweiten Album. Ich bin zudem gerade dabei, das Beatles Songbook komplett durchzuarbeiten, ich möchte gern all ihre Songs spielen und mich von diesem genialen Songwriting inspirieren lassen. Außerdem gehe ich ständig zu irgendwelchen Gigs, sowohl zu Popkonzerten, aber genauso gerne auch zu Jazz oder klassischen Konzerten.

Sind bereits Live Auftritte geplant ?

Wir sind gerade fleißig am Proben, also hoffe ich, dass das sehr bald der Fall sein wird.

Als Kind hast du früh mit der Schauspielerei angefangen (Anm: er spielte unter anderem Luc, den kleinen Jungen in “Chocolat”). Wie war diese Erfahrung für dich? Sowohl die Schauspielerei als auch die Musik sind beides kreative Künste, worin besteht für dich der größte Unterschied?

Das stimmt. Als Kind habe ich viel geschauspielert und habe einige Jahre lang Theater gespielt. Das war eine tolle Erfahrung und hat mir als Teenager geholfen, besser mit vielem zurecht zu kommen. Für ein gelungenes Songwriting ist es essentiel, dass man sich in andere hineinversetzen kann. Daher gehen auch Schauspielerei und Songwriting Hand in Hand, bei beidem kommt man weiter, wenn man die Welt mit anderen Augen sieht.

Du lebst zur Zeit in Paris. Was sind deine Hot Spots in der französischen Hauptstadt?

Meine Lieblingsbar heißt “Chair de Poule”, da bin ich ständig anzutreffen. Auch sehr zu empfehlen ist die “Le Belair” Bar auf dem Dach des Maison de la Radio, wo das ganze Jahr über tolle Konzerte stattfinden.

Wenn du an Deutschland denkst, was kommt dir dann als erstes in den Sinn?

Beethoven und Bach! Ich bin von beiden fasziniert und würde wahnsinnig gerne einmal das Bach Festival in Leipzig besuchen. Ich war schon mehrmals in Berlin und liebe diese Stadt, aber insgesamt kenne ich leider noch nicht so viel von Deutschland und würde dort sehr gerne einmal spielen.

Als Abschluss noch ein paar Kurzfragen:

Wein oder Bier? In Frankreich Wein, in England Bier und Wiskey geht überall!

Katzen oder Hunde? Katzen! Ich bin mit vier schwarzen Katzen aufgewachsen.

60er oder 90er? Definitiv die 60er! Die Beatles & Bob Dylan laufen bei mir fast täglich.

Taylor Swift oder Miley Cyrus? Würdest du mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich von keiner der beiden je einen Song gehört habe? (lacht)

Die Welt bereisen oder lieber zu Hause chilled? Reisen! Ich habe das Reisefieber von meinen Eltern geerbt und ich versuche, so viel wie möglich von der Welt zu sehen.

Vielen Dank für das Interview und wir hoffen, dich sehr bald auch hier in Deutschland live erleben zu können.

Interview: Marion Weber

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Link zum Album „Melting pop“